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Muslime sind endlich angekommen

Stolz auf das neue Gotteshaus: Fünf Mal am Tag wollen Muslime hier künftig beten.Foto: Hanna Voß

Wetter. Ümmahan Akbulut rückt ihr locker um den Kopf gewickeltes Tuch zurecht, als sie vom Gebetsteppich aufsteht. Die Grübchen in ihrem Gesicht verraten, dass sie gerne lacht. Auch, während sie den Umherstehenden erklärt, wie sie betet. Fünf Mal am Tag und das knieend. Künftig wird auch sie das hier, in der neuen Moschee in der Schöntaler Straße 28, tun. Endlich. „Für das Gebet benötigt man Raum. Man darf niemanden stören und selbst nicht gestört werden", sagt sie.

Bisher sind Wetters Muslime auf Verlegenheitslösungen ausgewichen, haben in Wohnungen und auf Dachböden gebetet. Seit der Eröffnung der Moschee am Freitagabend ist das Vergangenheit. „Zu 80 bis 85 Prozent ist sie in Eigenleistung entstanden", sagt Ibrahim Agpolat, Vorsitzender des Moscheevereins Wetter. Will heißen: Die rund 900 Gemeindemitglieder haben mit Sach- und Geldspenden, vor allem aber mit handwerklicher Unterstützung dazu beigetragen, dass die Moschee im Schöntal innerhalb von nur vier Jahren fertiggestellt werden konnte. Ohne Fremdfinanzierung, fast ganz ohne externe Sachverständige.

Umweltschonender Bau

Insgesamt, so die CDU-Landtagsabgeordnete Regina van Dinther, habe all das aber sehr wohl seine Zeit gedauert. In den 1950er Jahren seien die ersten Muslime nach Wetter gekommen, und damit, ergänzt Agpolat, „nicht nur Arbeitskräfte, sondern Menschen mit Bedürfnissen." Im Islam gehören dazu gemeinsame Gebete. Vier Jahre nach Beginn des Baus im Juni 2010 weiht der Ditib-Verein endlich seine neue Moschee ein.

Während Agpolat erzählt, ertönen im Hintergrund Kirchenglocken; sie sind ein Sinnbild dafür, wie das Miteinander von Kulturen und Religionen in Wetter aussieht. Schon heute, aber in Zukunft, wenn alle ihr eigenes Gotteshaus haben, noch viel mehr. Schon jetzt gerade auf dem Platz vor dem mintgrünen Gebäude: Muslime und nicht-muslimische Menschen feiern und essen gemeinsam. Die meisten von ihnen kennen sich ohnehin. Aus Vereinen, von Stadtfesten, über ihre Kinder, die in der Klasse nebeneinander sitzen.

Schließlich wird das rote Band durchtrennt, wie es bei Eröffnungen auch in Europa üblich ist. Hoher Besuch ist angereist. Der Religionsattaché des Generalkonsuls in Essen, der Vizekonsul, der NRW-Vorsitzende des Ditib-Vereins und viele mehr.

Eine Treppe führt nach oben in die Gebetsräume, vorher müssen die Schuhe ausgezogen werden, Frauen müssen ihren Kopf verhüllen. Dann betreten sie gemeinsam den samtweichen Gebetsteppich, bewundern die blau-weiß gemusterten Kacheln an den Wänden, die funkelnden Kronleuchter mit den insgesamt 70 000 Kristallen und die imposante achteckige Kuppel über dem Saal. Alles Importe aus der Türkei. „Eine Millionen Euro hatten wir eingeplant, sind aber deutlich darunter geblieben", sagt Agpolat. Besonders viel Wert wurde beim Bau auf den Umweltschutz gelegt. „Allah hat uns aufgetragen, mit den Ressourcen so schonend wie möglich umzugehen. Das gesamte Gebäude ist daher auf dem höchsten Energiestandard und verbraucht nur ein Kilowatt pro Stunde."

Bei WM für Deutschland

„Wofür ist diese kleine Kammer da?", fragt ein Besucher und deutet auf einen kleinen abgetrennten Bereich in der rechten Ecke des Gebetsraumes. „Von dort ruft der Muezzin zum Gebet", antwortet Agpolat. Und er erklärt auch, dass die kleinen braunen Plastikhocker für den Koran gedacht sind, die einfachen Duschsitze an den Wänden für die behinderten Gemeindemitglieder angebracht wurden und dass Frauen und Männer getrennt beten, um einander nicht abzulenken.

Im Untergeschoss gibt es einen Schulungsraum für Kinder und Jugendliche, die den Islam lernen sollen. Und die traditionelle Teestube, in der alle vor und nach den Gebeten beisammen sitzen. Ein riesiger Flachbildschirm prangt an der Wand, auch, um die WM verfolgen zu können. Und das, obwohl die Türkei nicht dabei ist. Wenn heute Deutschland gegen Algerien spielt, versichert Agpolat, „sind wir natürlich für Deutschland. Anfangs waren wir Gäste. Aber jetzt ist das unsere Heimat." Und dank der Moschee, ergänzt Ümaahan lächelnd, „sind wir endlich angekommen."

Hanna Voß

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