Hanna Kopp

Autorin, Literaturwissenschaftlerin, Mainz

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Frankfurt: Endlich ein Zimmer für sich allein

Das Übergangswohnheim „Hannah - Wohnen für Frauen" bietet in Frankfurt wohnungslosen Frauen Unterkunft und Beratung.


Ein Einzimmerappartement mitten in der Frankfurter Innenstadt: in einer Ecke das Bett, in der anderen ein Regal und ein Tisch mit zwei Stühlen. Eine Küchenzeile, grüne Vorhänge, durch das Fenster der Blick auf die Konstablerwache. So weit, so gewöhnlich. Doch für die Bewohnerinnen der Einrichtung „Hannah - Wohnen für Frauen" sind diese vier Wände mitsamt der eigenen Tür etwas sehr Kostbares.


Seit sechs Jahren wohnen hier Frauen, die ihr Obdach verloren haben. Die Gründe dafür sind vielfältig, erzählt Katrin Mönnighoff-Umstätter, die die Einrichtung des Diakonischen Werks leitet. Ein plötzlicher Jobverlust oder eine Trennung kann eine Situation schaffen, die zum Verlust der Wohnung führt. Im vergangenen Jahr zählte ein Bericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales 262 600 wohnungslose Personen in Deutschland - ein gutes Drittel davon ist weiblich.


Die Umstände des Wohnungsverlusts für Frauen und ihre Situation ohne Bleibe unterscheiden sich teilweise deutlich von denen der Männer. So spielen laut Mönnighoff-Umstätter bei Frauen psychische Erkrankungen häufiger eine Rolle, während bei Männern die Obdachlosigkeit öfter mit Suchtproblemen zusammenhänge. Auch lebten die meisten Frauen in der sogenannten verdeckten Wohnungslosigkeit. Sie übernachteten seltener auf der Straße und kämen eher bei Verwandten oder Bekannten unter.


Deswegen seien sie im Stadtbild auch nicht so präsent. „Ihre Unsichtbarkeit ist ein Selbstschutz", sagt die Leiterin des Wohnheims. „Auf der Straße sind die Frauen permanent Übergriffen ausgesetzt oder werden von Männern angesprochen, die ihnen helfen wollen und eine Gegenleistung erwarten. Oft ergeben sich hier neue Abhängigkeitsverhältnisse."

Viele obdachlose Frauen hätten Gewalt erfahren, sagt Mönnighoff-Umstätter. Die Unterbringung in gemischtgeschlechtlichen Unterkünften führe nicht selten zu retraumatisierenden Erlebnissen: „Viele Frauen kommen dort nicht zur Ruhe." Einige lebten als Reisende getarnt mit ihrem Hab und Gut in Koffern am Flughafen. Sich die eigene Obdachlosigkeit einzugestehen, das sei für viele mit einer riesigen Scham verbunden.

Die Serie

In der Einrichtung „Hannah" können die Frauen in 21 Appartements bis zu zwei Jahre stationär wohnen. Hier gibt es Waschmaschinen, einen eigenen Briefkasten und Gemeinschaftsräume mit Sofaecke.


Bedingung für eine Unterbringung ist ein eigenes Einkommen oder Bezüge über das Jobcenter, wie Mönnighoff-Umstätter ausführt. Die meisten Bewohnerinnen seien zwischen 30 und 50 Jahre alt, manchmal seien auch jüngere Frauen dabei. Die älteste Bewohnerin sei hingegen 85 Jahre alt gewesen. Für jede werde ein Hilfeplan erstellt: „Ausbildung, Therapie, Schuldenregulierung: Wir schauen uns gemeinsam mit den Frauen an, wie sie ihre Schwierigkeiten überwinden können."


Neben den Appartements gibt es auch zehn kurzfristig zu beziehende Zimmer, die Schutz und Privatsphäre für bis zu zehn Tage bieten. Der Bedarf an spezialisierten Hilfsangeboten für Frauen sei groß, meint Mönnighoff-Umstätter.


Genügend Wohnplätze gebe es oft nicht. Diejenigen, die in der Einrichtung unterkommen, seien dankbar: „Nach längerer Zeit ohne eigene Wohnung wieder einen Rückzugsraum zu haben, das bedeutet den Frauen viel." Das anvisierte Ziel von Mönnighoff-Umstätter und ihrem Team ist die Selbstständigkeit der Frauen und das Finden einer eigenen Bleibe - selbst wenn dieser Weg oft lang und mühsam ist.

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