„Danke Papa!" Die neue Nivea-Werbung zum Vatertag, in der Vater und Sohn toben, kuscheln und gemeinsam lachen, erwärmt das Herz. Nachdem Nivea einen ähnlichen Spot zum Muttertag und kurz vor Weihnachten einen veröffentlichte, vermissten die Kritiker stets den Mann in der Familie. Der neue Spot zum Vatertag solle dies nun wettmachen. Zu einer Familie gehört ja auch meistens ein Vater, der eine wichtige Rolle in der Familie hat. Und wenn es ihn denn gibt, so können Töchter, Söhne und Ehepartner auch die Gelegenheit nutzen, um danke zu sagen. Gründe genug gebe es zumindest. Schließlich müssen Männer heutzutage viel häufiger unter Beweis stellen, dass sie dem gerecht werden, was von ihnen erwartet wird. Denn starre Geschlechterrollen und traditionelle Familienbilder sind von gestern - es sind längst nicht nur die Frauen, die sich um den Haushalt und die Kinder kümmern. Heutzutage gibt es viele Rollen, in die Männer schlüpfen. Vom erfolgreichen Ernährer zum fürsorglichen Vater über den liebevollen Ehemann bis hin zum flexiblen Hausmann.
Dass sowohl Männer genauso fürsorglich sein können wie Frauen, haben einige Forscher der Bar-Ilan Universität in Israel bewiesen. Mit der Unterstützung von insgesamt 89 Eltern führten die Forscher ihre Untersuchungen durch und konnten somit die Hirnaktivität von Vätern mit der von Müttern vergleichen. Das Ergebnis: Beim Umgang mit Kindern springt sowohl bei Frauen als auch bei Männern ein ähnliches Fürsorge-Programm im Kopf an. Klingt gut. Doch an die Männer- beziehungsweise Väterwelt werden immer höhere Ansprüche gestellt. Ein Vatertag ist somit vollkommen berechtigt.
Hierzulande gleicht der Vatertag häufig nur wenig einem Ehrentag für Väter. Es sind zwar längst nicht alle, doch an Christi Himmelfahrt ziehen lauter Männer-Gruppen gemeinsam los. Ausgestattet meist mit Bollerwagen, Ghetto-Blaster und viel Alkohol. An den Vatertag und seine Begleiterscheinungen hat man sich bereits gewöhnt. Ob nun Herren- oder Vatertag, die Bezeichnung hat nichts mit dem zu tun, was sich an jenem Tag vielerorts auf den Straßen abspielt. Schon lange sind es nicht nur wahrhaftige Väter, die teilweise mit knallrotem Kopf und von der Sonne verbrannten Nacken von Dorf zu Dorf oder Bar zu Bar ziehen und sich feiern und darüber freuen, dass sie beisammen sind. Manch einem Vater, der an diesem Tag die Zeit mit seiner Familie genießt, mögen die Umzüge merkwürdig vorkommen. Denn an den Wanderungen oder Fahrten - ob nun zu Fuß mit Bollerwagen oder auf einem Anhänger hinter einem Trecker - nehmen junge Burschen ohne jeglichen Nachwuchs und sogar auch Frauen teil.
Fraglich ist, ob sie alle wissen, was eigentlich der Grund ist für das feucht-fröhliche Zusammenkommen, bei dem - je nach Alkoholpegel - lange Strecken zurückgelegt werden. Man(n) könnte sich doch auch einfach in eine Bar, an den Strand oder in den eigenen Garten setzen und dort Grillfleisch und Bier konsumieren.
Der Grund für den Feiertag Christi Himmelfahrt hat jedenfalls nichts mit Vätern zu tun. Die Christen feiern an diesem Tag, 40 Tage nach Ostern, die Auffahrt des am Ostersonntag auferstandenen Jesus in den Himmel. Eine vage Verbindung zwischen dem christlichen Feiertag und den Umzügen am Vatertag lässt sich allerdings herstellen. Denn bereits im Mittelalter sind die Menschen durch die Stadt gezogen und haben um eine gute Ernte gebeten. So kann man sich zumindest das Umherziehen erklären.
Der tatsächliche Ursprung der Herrenpartien, wie man sie heute kennt, liegt jedoch in Berlin. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich das Phänomen, bei dem Väter mit ihren Söhnen loszogen, um sie mit der „Männerwelt" vertraut zu machen. Ein Ritual, das den Mann zum Mann machen sollte. Dabei durften Bier, Schnaps und Tabak natürlich nicht fehlen.
Vergleicht man den Ehrentag der Mütter mit dem der Väter, so fällt zumindest in Deutschland auf, dass der Vatertag weniger dazu dient, den Vätern zu danken. Jeder zweite Sonntag im Mai gilt den Müttern, die nicht auf die Idee kommen, wie manch ein Mann, mit Alkohol „bewaffnet" durch die Stadt oder über das Land zu ziehen.
Ein Vatertag zu Ehren aller Väter hat seine Berechtigung. Die alljährlichen Touren vieler Männer lenken nur jedes Jahr wieder von den wirklichen Vätern ab. Und das Ziehen eines Bollerwagens oder das Öffnen und Trinken Dutzender Biere macht einen Mann noch lange nicht zum Vater. Von daher: Herrenpartie á la „wir laufen und saufen bis zum Gehtnichtmehr", nein danke „Papa". Ein Vatertag, an dem Männer mit ihren Söhnen losziehen oder einfach die Zeit mit ihrer Familie genießen, ist allerdings eine gute Sache.
Hanna Andresen