Für ihre berufliche Zukunft haben sie knapp 3 000 Kilometer auf sich genommen - mit warmen Anziehsachen und vor allem großen Hoffnungen im Gepäck. Hoffnungen darauf, auf Sylt eine Ausbildung in der Hotelbranche machen zu können. Der 26-jährige Cristian Garcia Garcia und der 29-jährige Roberto Augusto Lopez Perez sind zwei von sieben jungen Spaniern, die ein zweimonatiges Praktikum in verschiedenen Hotels auf Sylt absolvieren. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit in ihrem Heimatland hat die jungen Männer und Frauen zu diesem Schritt bewogen. Im Rahmen des deutsch-spanischen Abkommens gegen die hohe Arbeitslosigkeit in Spanien und mit dem Einsatz des Dehoga hier vor Ort wurden die Praktika realisiert (wir berichteten).
Die erste Praktikumswoche im Kampener Hotel Rungholt hat Cristian Garcia Garcia nun hinter sich. Und auf die Frage hin, wie er sich fühlt, antwortet er ohne mit der Wimper zu zucken: „Fantastisch! Ich fühle mich richtig gut." Schon nach dieser kurzen Zeit und trotz der fremden Umgebung, den Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache und der Tatsache, dass seine Familie und Freunde weit weg sind, kann sich der 26-Jährige sehr gut vorstellen, auf Sylt eine Lehre als Hotelfachmann zu machen. Die Urlaubsinsel Sylt erinnert den jungen Spanier ein wenig an seine Heimatstadt San Pedro de Alcántara an der Costa del Sol in Andalusien, ganz in der Nähe von Marbella - auch weil Sylt, ähnlich wie Marbella, ein eher gut betuchtes Publikum anspricht.
Schon seit längerer Zeit träumt Cristian davon, in Deutschland zu arbeiten. Von 2006 bis 2009 hat er Tourismus in Madrid studiert. Es folgten diverse Praktika und Saisonjobs in Marbella und London in der Hotellerie und Gastronomie, doch eine feste Anstellung blieb aus. Somit wuchs die Not, aber gleichzeitig auch der Wunsch, in Deutschland zu arbeiten. Und diesen Schritt ist der junge Mann nun gegangen. Wenn es nicht klappt und er die Ausbildung zum Hotelfachmann im September nicht beginnen kann, will Cristian sein Glück in einer anderen deutschen Stadt versuchen.
Bis dahin will er jedoch versuchen, auf der Insel Kontakte zu knüpfen und die Insel besser kennen zu lernen. Untergebracht ist er in einer der Personalwohnungen des Hotels in Kampen. Die fremde Sprache jedoch ist für den 26-Jährigen wohl die größte Hürde, die er überwinden muss. „Deutsch ist wirklich sehr schwer, doch ich will es unbedingt lernen", sagt er auf Englisch. Insbesondere die Aussprache macht ihm momentan noch zu schaffen. Seit Anfang Februar bis zum Beginn des Praktikums auf Sylt, hat er täglich mit den anderen sechs Praktikanten an einem knapp sechsstündigen Deutschkurs teilgenommen.
Roberto Augusto Lopez Perez, der das Praktikum im Hörnumer Hotel Budersand absolviert, hat mit der deutschen Sprache weniger Probleme. Zwar spricht er nicht fließend, doch profitiert von seinem dreijährigen Studium am sprachlichen Institut an der Universität von Sevilla, wo er Deutsch und Englisch als Hauptfächer hatte. Mit seinem Studium in Psychologie und Human Resources (Humankapital) ist der 29-Jährige sehr breit aufgestellt, was er sich auch stets als Ziel gesetzt hat. Von dem Praktikum erhofft er sich eine Lehre, mit der er noch bessere Chancen am Arbeitsmarkt hätte, erzählt Roberto Lopez. Auch wenn er bisher noch keine Erfahrungen in der Hotelbranche gemacht hat, ist Roberto davon überzeugt, dass er im Hotel Budersand eine Hilfe ist und viel von den Kollegen lernen wird. Derzeit arbeitet er an der Seite von Personalleiterin Lena Kind. In diesem Bereich kann Roberto Lopez sein Wissen aus der Studienzeit einbringen. „Wir sind sehr froh, ihn hier zu haben und versprechen uns natürlich auch was davon", sagt Lena Kind, die weiß, wie schwer es ist, passende Fachkräfte zu finden.
So wie sein jüngerer Mitstreiter Cristian Garcia, fühlt sich der 29-Jährige sehr wohl auf der für ihn fremden Insel. Als ihm mitgeteilt wurde, dass er den Praktikumsplatz bekommt, wusste der Spanier erst einmal gar nicht, was oder wo Sylt eigentlich ist. Die Antwort fand er schnell - im Internet.
Mittlerweile hat er einige Orte auf der Insel kennen gelernt, war am Strand spazieren und hat sich für die nächste Zeit fest vorgenommen, auch nach Keitum und Westerland zu fahren. Und auch die kleine Personalwohnung am Ortseingang von Hörnum ist ganz nach seinem Geschmack: gemütlich. Überraschenderweise empfindet der gebürtige Südspanier das Klima auf Sylt als sehr angenehm: „Ich habe es mir viel kälter vorgestellt." Ein Leben auf der Nordseeinsel kann auch er sich vorstellen. Zwar sind seine Gedanken auch bei seinen Verwandten und Freunden in Sevilla, doch das ändere nichts daran, dass Roberto Lopez dort momentan keine berufliche Perspektive hat: „Die Situation in Spanien ist katastrophal und ich sehe derzeit keine andere Möglichkeit, als dort rauszukommen", sagt Lopez. Er schließt es jedoch nicht vollkommen aus, irgendwann einmal zurück zu kommen. „In fünf oder sechs Jahren vielleicht." Bis dahin will Roberto Lopez sein Glück hier auf Sylt versuchen.