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Asteroid 2001 FO323: Europa und USA proben Projekt „Aida" - WELT

Wissenschaft Besuch von 2001 FO32

„Aida" soll Asteroiden abwehren

Am Sonntag fliegt ein riesiger Asteroid mit mehr als 100.000 Kilometern pro Stunde an der Erde vorbei - in ausreichendem Abstand. Weil das nicht immer so sein muss, üben Europa und die USA das Aus-der-Bahn-Schubsen von Asteroiden.

Es klingt wie die Handlung eines Hollywoodfilms à la „Armageddon" oder „Deep Impact": Ein Asteroid von einem halben Kilometer Größe nähert sich mit mehr als 100.000 Kilometern pro Stunde der Erde. Am Sonntag soll er da sein.

Doch die Experten bei Nasa und Esa reagieren gelassen. Denn 2001 FO32 ist ein alter Bekannter. Der tut nichts, der will nur spielen, könnte man es in der Sprache der Hundebesitzer formulieren: Der außerirdische Gesteinsbrocken ist Astronomen seit 20 Jahren bekannt. Noch nie ist er der Erde näher gekommen als zwei Millionen Kilometer. Und das wird er auch diesmal nicht.

Nächster Besuch ist erst 2052

Im Laufe des Sonntagnachmittags wird der Riesenfelsen in einem Abstand an der Erde vorbeifliegen, der etwa der fünffachen Entfernung zum Mond entspricht. In Deutschland werden wir davon nichts mitbekommen; auf der Südhalbkugel werden Hobbyastronomen das Objekt mit ihren Fernrohren beobachten können.

Und das werden sie eifrig tun, denn die nächste Chance dazu wird sich erst wieder im Jahr 2052 bieten. Bis dahin wird der Asteroid weiter seine Bahnen um die Sonne ziehen. Rund zwei Erdenjahre braucht er für einen Umlauf. Der Erde kommt er dabei alle paar Jahrzehnte nahe, aber eben nicht nahe genug, damit die Alarmglocken schrillen - auch wenn es sich bei 2001 FO32 in diesem Jahr um den größten seiner Art handelt, der an der Erde vorbeirauscht.

Doch gemäß Murphys Gesetz geht ja irgendwann schief, was nur irgendwie schiefgehen kann. Es ist mithin nur eine Frage der Zeit, bis ein solcher (oder ein noch größerer) Brocken aus dem All einen direkten Kurs auf die Erde nimmt.

Und dann? Unser Planet muss dann nicht unbedingt verloren sein. Denn die Oper ist bekanntlich noch nicht zu Ende, ehe nicht die dicke Dame gesungen hat - Auftritt Aida. Diese Abkürzung verwenden die Wissenschaftler für das Projekt „ Asteroid Impact and Deflection Assessment ". Dabei soll eine Sonde auf einem Asteroiden einschlagen und ihn dadurch ablenken.

Ob das funktioniert - genau das wollen Europäer und Amerikaner in diesem Jahr erstmals an einem Doppelasteroiden ausprobieren. „Wenn sich zwei Asteroiden umkreisen und ich schieße eine Sonde auf den kleineren der beiden, dann verändere ich die Umlaufszeit der zwei Asteroiden", erklärt Detlef Koschny aus der Abteilung für Sonnensystemmissionen der europäischen Weltraumagentur Esa. Übertragen auf einen Asteroiden mit Kollisionskurs Richtung Erde hieße das: Der Asteroid würde von seiner Bahn minimal, aber stark genug abweichen, sodass er an der Erde vorbeifliegt.

Das Projekt Aida besteht aus zwei Raumsonden: eine aus den USA, eine aus Europa. Sie lassen sich nach dem Prinzip Ursache und Wirkung einteilen. Zunächst die Ursache - dafür sind die USA zuständig. Sie wollen im November eine Sonde zum Doppelasteroiden Didymos schicken. Dieses System besteht aus einem großen und aus einem kleinen Gesteinsbrocken. Der kleinere ist das Ziel der amerikanischen Sonde, die als Geschoss fungieren wird.

US-Sonde schießt auf Didymoon

Nach dem Einschlag wird Didymoon - so der inoffizielle Namen des kleineren der beiden Asteroiden - über einen neuen Krater verfügen. Und er wird das größere Objekt auf einer leicht veränderten Bahn umkreisen. Der kleinere Mond umrundet den größeren Asteroiden mit etwa 50 Zentimetern pro Sekunde.

Ließe sich diese Geschwindigkeit um ein paar Millimeter pro Sekunde verändern, würde sich das summieren. „Das Objekt wäre schon bald an einem Ort auf seiner Umlaufbahn, an dem es nicht wäre, hätten wir es nicht angestoßen", hofft Andrew Rivkin vom Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins University im US-Bundesstaat Maryland.

Nach dem Einschlag der Sonde auf Didymoon ist niemand mehr vor Ort, um zu bestätigen, dass der Aufprall die gewünschte Wirkung gezeigt hat. Diese Erkenntnis sollen stattdessen Teleskope von der Erde aus liefern.

Das ist jedoch nicht ganz so einfach. Denn obwohl es sich um einen Doppelasteroiden handelt, erscheinen seine beiden Bestandteile auf der Erde nur als ein einziger Lichtpunkt. Die Helligkeit des gesamten Systems fällt jedoch immer dann eine Winzigkeit ab, wenn der kleine Mond vor dem Hauptasteroiden vorbeizieht und ihn leicht verdunkelt - oder wenn er selbst hinter ihm verschwindet. Aus diesen Helligkeitsschwankungen können Astronomen die Umlaufbahn des kleineren Objekts berechnen - und damit nachweisen, ob sich seine Bahn gegenüber vor dem Einschlag verändert hat.

Nach der Ursache geht es dann um die Wirkung - und endlich schlägt die Stunde der Europäer: Zwei Jahre nach dem Aufschlag will die Esa ihre Sonde starten und vor Ort nachschauen, wie sich das Doppelasteroidensystem verändert hat. Mitte des kommenden Jahrzehnts soll Europas Sonde überprüfen, wie groß der Einschlagkrater ist, wie viel Masse durch den Aufprall aus dem Asteroiden herausgeschlagen wurde - und ob solch eine aggressive Abwehrhaltung taugt, um zu verhindern, dass die Menschheit irgendwann so enden wird wie die Dinosaurier.

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