„Die Frau mit dem Gehstock und der Mann mit der Augenklappe." So könnte der Untertitel dieses melancholischen Romans lauten. Denn der Plot von Friedrich Anis „Bullauge" (Suhrkamp) kreist um einen Münchner Polizisten, dem auf einer Demo eine Bierflasche ins Auge geschleudert wurde und der seitdem halbseitig blind ist. B ei der Suche nach den Tätern stößt der Bulle auf eine hinkende Frau, die einer nationalistischen Partei nahesteht und die Polizei hasst.
Kay Oleander und Silvia Glaser heißen die beiden. Sie könnten nicht unterschiedlicher sein, und doch verbindet sie einiges. Sie sind Außenseiter, ausrangiert, verletzt, am Rand der Gesellschaft. Sie sind erschöpft und fühlen sich ohnmächtig in einer gnadenlosen Welt. Friedrich Ani zeigt in Nahaufnahme, wie sich Oleander und Glaser erst misstrauisch beäugen, sich langsam annähern, und schließlich auf eine gefährliche gemeinsame Aufgabe zusteuern.
Denn die Frau erzählt dem Mann von einem geplanten Anschlag der Nationalisten. Oleander und Glaser beschließen, ihn zu verhindern und planen eine Beschattungsaktion, um an Beweise zu kommen. Friedrich Ani erzählt wie immer in seiner ganz eigenen hochwertigen, lakonischen Sprache. Sein Porträt der Frau mit dem Gehstock und dem Mann mit der Augenklappe ist große Literatur in einem kleinen Buch. Ani will wissen, wie das ist, wenn ein Anschlag oder ein Unfall das Leben völlig auf den Kopf stellt, wenn Menschen zu Außenseitern werden. Mich haben seine beiden Figuren tief berührt und noch lange nicht losgelassen.
Ich habe den Roman in meiner Literatursendung bei egoFM vorgestellt - ihr hört alle Folgen der Show hier im Stream (ohne Musik).