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Waffendebatte in Amerika: „Dann ist man per Definition ein Extremist"

Unter dem Motto „March for our Lives" haben sich am Samstag Hunderttausende Menschen in über 800 Städten in Amerika versammelt, um für ein strengeres Waffenrecht zu demonstrieren. Aber auch in vielen anderen Städten auf der ganzen Welt zeigten Menschen ihre Solidarität mit den Schülern aus Florida. Ihre Forderungen nach einem Verbot von Schnellfeuerwaffen richtet sich vor allem an die republikanischen Angeordneten im Kongress, die dort derzeit über eine Mehrheit verfügen. Doch deren Vertreter blieben am Samstag erstaunlich ruhig.

Dafür äußerten sich andere umso lauter. Von der sonst aggressiv auftretenden Waffenlobby, der National Riffle Association (NRA), war während des Protests zwar nichts zu hören, dafür hatte sie ihre Botschaft schon vor dem Beginn der Proteste veröffentlicht. Auf Facebook schrieb die Lobbyorganisation einen Post mit der Überschrift „Stehe auf und kämpfe für unsere Kinder mit einem Eintritt in die NRA".

Die Proteste seien nicht spontan, so die Organisation weiter, stattdessen hätten „schusswaffen-hassende Milliardäre und Hollywood-Eliten" die Kinder als Teil ihres Plans manipuliert, „ um den zweiten Verfassungszusatz zu zerstören". Auf dieses „Second Amendment" berufen sich Waffenbefürworter bei der Begründung des individuellen Rechts amerikanischer Bürger, Waffen zu besitzen und zu tragen. Seit Mitte Februar ein Amokläufer an der Marjory Stoneman Douglas Highschool in Parkland im Bundesstaat Florida 17 Schüler getötet hat, tobt in den Vereinigten Staaten eine Debatte über schärfere Waffengesetze und Schulsicherheit.

Der Verdacht, dass hinter den Anti-Waffen-Protesten vom Samstag tatsächlich jemand anderes stehen könnte als die Schüler aus Florida, wurde auch von anderen Politikern aus dem rechten Spektrum geäußert. Der ehemalige Sprecher des Repräsentantenhauses Newt Gingrich sagte im Interview mit dem Sender Fox News: „Ich denke, es wäre interessant zu wissen, wer für all das bezahlt hat. Ich meine, die Linke hat diese wundervolle Fähigkeit zu mobilisieren. Menschen kommen in Bussen. Wer bezahlt die Busse?"

„George Soros' Fingerabdrücke sind überall"

Weiter ging der ehemalige Sheriff aus Milwaukee David Clarke, der erklärte, die Demonstranten seien von dem Milliardär George Soros manipuliert worden. „George Soros'Fingerabdrücke sind überall", sagte Clarke, über den einst spekuliert worden war, er könne von Trump in die Regierung geholt werden.

Auch das prominenteste Gesicht der Bewegung, die achtzehnjährige Schülerin Emma Gonzales, sah sich Diffamierungen ausgesetzt. Ein gefälschtes Foto von ihr, das sie dabei zeigt, wie sie angeblich die Verfassung der Vereinigten Staaten zerreißt, verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Internet. Tatsächlich wurde Gonzales dabei fotografiert, wie sie ein Bild, auf dem ein Fadenkreuz abgebildet ist, zerriss.

Der Moderator des Senders Fox News Tucker Carlson nahm ein CNN-Interview mit Gonzales zum Anlass, diese als Extremistin zu bezeichnen. In dem Interview sagte die Schülerin, es interessiere sie nicht, was die Anhänger des zweiten Verfassungszusatzes dächten. Carlson kommentierte Gonzales' Aussage so: „Wenn du ernsthaft nicht an dem interessiert bist, was andere Menschen denken, mit denen man sich nicht einig ist, wer bist du? Dann ist man per Definition ein Extremist".

Ebenfalls auf Gonzales und die anderen protestierenden Schüler zielte die Kritik des Sängers der Band „Eagles of Death Metal", bei deren Konzert im November 2014 in Paris islamistische Terroristen 89 Menschen getötet hatten. Jesse Hughes warf den Schülern in einem Instagram-Post vor, „den Tod von 16 Mitschülern für ein paar Facebook-Likes und ein bisschen Aufmerksamkeit in den Medien" auszunutzen. In einem mittlerweile gelöschten Post beschrieb er Emma Gonzales als „das widerliche Gesicht des Verrats".

Der ehemalige Senator aus Pennsylvania Rick Santorum provozierte in einem CNN-Interview mit der Aussage, die Schüler sollten „selbst auf einen Schützen reagieren" und nicht vom Gesetzgeber verlangen, „Gesetze durchzubringen, die sie beschützen". Außerdem fragte er: „Wie wäre es damit, wenn Kinder etwas tun und vielleicht Wiederbelebungskurse belegen?"

Doch von den prominenteren Republikanern mit Kongressmandat meldete sich am Samstag nur Floridas Senator Marco Rubio zu Wort. In einem Tweet behauptete er zwar fälschlicherweise, die Demonstranten forderten ein Waffenverbot. Doch er wies auch auf das hin, was es für eine Lösung in dem Konflikt um schärfere Waffengesetze braucht: Beide Seiten müssten einen Kompromiss finden, schrieb er.

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