Giorgia Grimaldi

Journalistin. Migrantische und internationale Perspektiven. Ehemalige..., Berlin

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Artikel

60 Jahre Élysée-Vertrag: Erneuerung der deutsch-französischen Freundschaft

Deutschland und Frankreich feiern das 60. Jubiläum des Élysée-Vertrages, der als "Jahrhundertvertrag" in die Geschichte einging. Wegen politischer Spannungen wurde der deutsch-französische Ministerrat Ende Oktober abgesagt und auf diesen symbolträchtigen Tag verschoben. Frankreich und Deutschland wollen sich in den strittigen Punkten wie Energiekrise und Rüstungspolitik einig werden. Wie effektiv dieses Treffen wird, bleibt jedoch abzuwarten. 

Der 22. Januar, Jahrestag der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags, wird auch "Deutsch-Französischer Tag" genannt und traditionell jedes Jahr in beiden Ländern mit Reden, Veranstaltungen und Statements seitens der Politik gewürdigt. Anlässlich des 60-jährigen Bestehens der deutsch-französischen Freundschaft treffen sich am kommenden Sonntag die Spitzen beider Staaten in Paris.


Im Herzen der französischen Hauptstadt finden sich Abgeordnete beider Parlamente zunächst zu einem Festaktan der Sorbonne-Universität ein. Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron, sowie die Präsidentin der Assemblée nationale, Yaël Braun-Pivet, und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas werden während der Veranstaltung, die live übertragen wird, das Wort ergreifen. Im Anschluss werden die Nationalhymnen beider Staaten gespielt.


Aus Feindschaft wird Freundschaft

Ein so herzlicher und respektvoller Umgang wäre vor Abschluss des Vertrages kaum denkbar gewesen. Die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich wurden lange von Kriegen und Begriffen wie "Erbfeindschaft" überschattet. Vor 60 Jahren, am 22. Januar 1963, unterzeichneten schließlich Staatspräsident Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer im Pariser Élysée-Palast den Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit.


Dieser Pakt besiegelte die Versöhnung und legte den Grundstein für die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich. Hintergrund des Abkommens war die beiderseitige Erkenntnis, dass nur durch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern ein vereintes und damit friedliches Europa zu erreichen sei.

Ein bindender Vertrag der Zusammenarbeit

Herzstück dieses Vertrages ist die verbindlich festgelegte Zusammenarbeit auf höchster Ebene zwischen Präsident und Kanzler wie auch zwischen den Ministern und leitenden Ministerialbeamten. Der Vertrag verpflichtet beide Länder dazu, sich in allen wichtigen Fragen der Außen-, Europa- und Verteidigungspolitik zu konsultieren und möglichst zu einer gemeinsamen Haltung zu gelangen.


Aber auch Erziehungs- und Jugendfragen finden im Vertrag Erwähnung und schlagen so eine Brücke für die gemeinsame Zukunft beider Nationen. Ein konkretes Ergebnis dieses Beschlusses war die Schaffung des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW) im Juli 1963, das seither jedes Jahr Treffen und Austauschmöglichkeiten für Jugendliche organisiert.

Und das Abkommen erfüllt seinen Zweck: Bis heute ist kaum eine andere Allianz zweier Nationen weltpolitisch so bedeutend wie die zwischen Deutschland und Frankreich. "Sie sind wichtige Staaten für die EU und den europäischen Kontinent. Sie hauchen dem Ganzen Leben und Elan ein", sagt Marie Krpata, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Französischen Institut für Internationale Beziehungen (IFRI).


Zweiter Anlauf für den deutsch-französischen Ministerrat

Doch das Einnehmen einer gemeinsamen Haltung war genau das, was in den letzten Monaten nicht gelingen wollte: der deutsch-französische Motor schwächelte. Das Verfolgen nationaler statt europäischer Interessen bezüglich Energie- und Sicherheitspolitik führte zuletzt zu solchen Spannungen, dass der für Ende Oktober geplante Ministerrat kurzfristig abgesagt wurde.


Grund dafür waren unter anderem der "Doppelwumms", das 200-Milliarden-Euro-Paket, das Olaf Scholz ohne Konsultation Frankreichs auf den Weg brachte, und fehlende Kompromisse bei gemeinsamen Rüstungsprojekten. "Es entstand der Eindruck, man redet aneinander vorbei", sagt Marie Krpata. Dabei gehe es vor allem auch um unterschiedliche Auffassungen von Führungsanspruch und Verantwortung, sowohl innerhalb der EU als auch darüber hinaus.


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Seit Oktober habe sich aber einiges getan, um die Zankäpfel vom Tisch zu fegen. Laut Krpata wurden neue Arbeitsgruppen gebildet, um den brachliegenden Dialog zu erneuern und gemeinsame Projekte zum Abschluss zu bringen.

Vor allem im Angesicht der verschärften internationalen Spannungen, die mit dem Krieg in der Ukraine zunehmen, habe es Priorität, die EU nicht weiter zu schwächen. "Und dafür müssen Frankreich und Deutschland eine Einheit bilden. Es ist für niemanden von Interesse, dass dieses Treffen schlecht verläuft", sagt Krpata. "Aber wie produktiv es wird, wird sich noch zeigen."


Über die Expertin: Marie Krpata ist am Studienkomitee für deutsch-französische Beziehungen (Cerfa) am IFRI seit September 2020 wissenschaftliche Mitarbeiterin, wo sie sich mit der Europäischen Union und dem deutsch-französischen Tandem in seinen Außenbeziehungen beschäftigt.


Teaserbild: IMAGO/Xinhua/Rit Heize

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