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Feature

Immersive Kunst: Kann ein Bild uns auf die Klimakrise vorbereiten?

Flut für das Bewusstsein: Die Installation „Phasing Rain" des spanischen Medienkünstlers Xavi Bové war in Hildesheim zu sehen. Foto: Lars Griebner

Wir sprechen viel über das Klima. Es gibt massenhaft Daten, Zahlen, Texte. Wie Kunst helfen könnte, wenn rationale Argumentationen nicht mehr reichen.


Eine Tiefgarage, keine Autos, dafür LED-Strahlen, Lautsprecher, viele Menschen. Auf der einen Seite steigen sie eine Treppe hinunter in den dunklen Raum hinein, auf der anderen Seite strömen sie wieder hinaus auf den Hildesheimer Marktplatz. Hören Geräusche, die wie Regentropfen klingen, und beobachten. Kinder springen herum, den Lichtstrahlen hinterher. Einige machen Videos mit ihren Smartphones, ein älteres Ehepaar sucht schon wieder den Ausgang.

Es ist die audiovisuelle Installation „Phasing Rain" des spanischen Medienkünstlers Xavi Bové, die zuletzt in Hildesheim zu sehen war. Gemeinsam mit Jordi Ponte vom Produktionsstudio Onionlab konzipierte sie Bové zunächst für eine Tiefgarage in New York. Er stammt aus Katalonien, seine Werke zeigt er überall, wo es der öffentliche Raum zulässt. Sie stehen immer in Verbindung mit dem Ort, an dem sie gezeigt werden.

Das Hauptmotiv der Installation „Phasing Rain“ ist Wasser in der Klimakrise: Überflutungen, Starkregen und steigende Meeresspiegel, der Wasserkreislauf. Die Tiefgarage in Hildesheim wählte Bové als Ausstellungsort, weil bis ins 19. Jahrhundert ein unterirdischer Kanal namens Treibe die Hauptwasserader der Stadt bildete.

Bové wollte ein „völlig immersives“ Kunstwerk schaffen, wie er sagt. Der Begriff Immersion stammt eigentlich aus dem Feld der Virtuellen Realität (VR). er beschreibt das eintauchen in eine virtuelle Umgebung, die als real empfunden werden soll. Bei Bové passiert etwas Ähnliches, nur ohne VR-Brillen. Das Parkhaus ist für den Moment kein Parkhaus mehr, der Raum verändert sich durch Licht, Klang und Farbe. Das Kunstwerk spricht mehrere Sinne gleichzeitig an: das grelle Blinken, ein sich stetig ändernder Sound, die tiefen Bässe, die den Körper zum Vibrieren bringen. Bové will das Publikum „gewissermaßen fluten“.

Es ist nichts Neues, dass sich Künstler mit Umwelt- und Naturthemen auseinandersetzen. Aber etwas hat sich in der Verarbeitung der Gegenwart verändert. Er sei besorgt gewesen angesichts der globalen Erwärmung, sagt Bové, er habe etwas tun wollen, ohne zu explizit, zu beschreibend zu werden. Die Sinneserfahrungen, die über das rein Kognitive hinaus kommunizieren, waren sein Zugang.

Forscher halten das für eine Chance für die Diskussion über Umwelt- und Nach- haltigkeitsthemen. Durch die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Kunst könne nicht nur Wissen besser vermittelt werden, sondern auch eine andere Art von Wissen erzeugt werden, sagt Harald Heinrichs, Professor für Nachhaltigkeit und Politik an der Leuphana Universität in Lüneburg. Seit etwa sechs Jahren beschäftigt er sich mit sogenannter sensorischer und kunstbasierter Nachhaltigkeitsforschung, mit der Frage, ob der Fokus auf Daten und Texte beim Thema erweitert werden müsste. Menschen nehmen ihre Umwelt eben nicht nur kognitiv wahr.

Julius von Bismarck erarbeitete vor elf Jahren zum ersten mal Bilder mit Bezug auf unser Naturverständnis, als er die Alpen auspeitschte. Für seine Serie „Punishment“ stellte sich der Künstler mit einer meterlangen Peitsche in die Berge und die Meeresbrandung und filmte sich dabei, wie er diese Landschaften wortwörtlich peitschte.

„Bilder gehen direkt ins Unterbewusstsein“, sagt der Künstler. Und dort bleiben sie dann auch erst mal. in seinem Studio in Berlin erzählt von Bismarck mit tiefer, ruhiger stimme von seinen Arbeiten, für die er die ganze Welt bereist, erzählt von Unternehmungen mit den Spezialkräften der Feuerwehr, um Waldbrände in Deutschland, Schweden und Kalifornien zu fotografieren. Spricht von einer speziellen Blitzrakete, einem Hybrid zwischen Skulptur und Werkzeug, die in einem aufkommenden Gewitter Blitze einfangen und lenken soll. In Deutschland durfte er die Rakete nicht starten lassen, also tat er sich mit venezolanischen Wissenschaftlern zusammen. Die Blitzrakete ist für von Bismarck Teil seiner Kunst. Für die Wissenschaftler ist sie Teil der Forschung.

„Offensichtlich ist unser Naturbild völlig outdated“, sagt von Bismarck. „es war schon immer falsch. und jetzt wird uns bewusst, was das für Folgen hat.“ er habe festgestellt, wie die Zwei-Grad-Grenze und der CO2-Gehalt der Atmosphäre zu abstrakten Größen würden. nun wolle er Bilder schaffen, die das „bestehende Naturbild angreifen und dekonstruieren“, und bedient sich dafür verschiedener Mittel und Materialien. Monatelang recherchiert er. Wenn es ihm gelinge, mit einem Bild die Fehler des Konstrukts zu zeigen, glaubt von Bismarck, könnte er auch Bewusstsein dafür schärfen, dass ein neues Konzept notwendig sei. es klingt wie ein Ding der Unmöglichkeit.

Auch die Wissenschaft bedient sich künstlerischer Mittel, um Erkenntnisse darzustellen. ein bekanntes Beispiel sind die „Warming Stripes“ des Klimatologen Ed Hawkins. Er stellte in einer art Barcode aus blauen, roten und weißen Strichen die globale Erderwärmung dar. „Man kann den menschen tausende Daten präsentieren, um zu zeigen, wie die CO2-Kurve sich entwickelt“, sagt der Universitätsprofessor Harald Heinrichs. „Oder ein Bild, das jeder Mensch sofort versteht.“

Lisa Hoffmann aus Kiel geht solchen wissenschaftlichen Fragestellungen mit künstlerischen Mitteln nach. Sie arbeitet mit allen Sinnen: mit dem Geruch, dem Gehör, auch dem Tastsinn. in ihrer Doktorarbeit an der Bauhaus-Universität Weimar erforscht sie, wie das Erleben eines Traumas sichtbar und wahrnehmbar gemacht werden kann. Mal sind es

Videos und Fotos, manchmal Skulpturen. Hoffmann arbeitete lange als Fotografin in Krisengebieten und in der Seenotrettung. 2019 begann die Künstlerin mit ihrer Serie „Atlas of the Essence“. Die einzelnen Bilder sind Überlagerungen vieler verschiedener Fotos eines bestimmten Ereignisses. Die ersten Werke behandelten Kriege und Konflikte, „Essence of Syria“ beispielsweise oder „Essence of Yemen“. Später beschäftigte sich Hoffmann mit Umweltkatastrophen wie der Explosion der Ölplattform Deep Water Horizon und Naturkatastrophen wie den Waldbränden in Australien und Kalifornien.

Für jedes Ereignis legte sie ein Archiv an. Dort sammelt sie Fotos aus Datenbanken und sozialen Netzwerken. sie fing an, die Bilder zu schichten. Jedes Bild ist gleichwertig vertreten, keines der Fotos wird besonders hervorgehoben oder bearbeitet. „Man kann es sich wie ein großes Volumen vorstellen, das zusammengedrückt wird.“ Das Endergebnis ist ein Bild aus bis zu 1500 halb transparenten Fotos, auf den ersten Blick ist nichts zu erkennen. Erst bei genauerem hinsehen tauchen Formen, Körper und Gesichter auf.

Bei den Betrachtern ihrer Kunst beobachtet Lisa Hoffmann oft ernüchterte Reaktionen. Dann versucht sie, mit ihnen in Kontakt zu treten. sie erinnert sich an die erste Ausstellung von „Atlas of the Essence“. „Da war eine junge Frau, die sehr lange vor einem Bild stand. irgend- wann ging ich zu ihr rüber und fragte, ob ich helfen könne. Sie hatte das Gefühl, sie dürfe nicht weggehen, weil sie noch nicht alles gesehen habe.“ Fast zwei stunden stand die Besucherin vor dem Bild.

Mit welcher individuellen Erkenntnis die Rezipienten nach hause gehen, können weder Künstler noch Wissenschaft beeinflussen. Die Wahrnehmung eines Kunstwerks kann das Wissen über Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit aber ergänzen. Es könnte zu einem wichtigen Bestandteil für ein Verständnis der Klimakrise werden.

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Erstellt am 17.01.2023
Bearbeitet am 25.01.2023

Quelle
https://www.faz.net/aktuell/feuille...

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Themen-Tags
klimakrise julius von bismarck hildesheim
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