Gesa Born

Online-Redakteurin Funke Mediengruppe, Essen

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Wie dieser Mann die Hausärzte aufs Land lockt

Marcel Frischkorn ist Arztlotse im Kreis Soest.

Hagen. Marcel Frischkorns Aufgabe ist es, Hausärzte aus den Metropolen aufs Land zu locken. Wie ihm das gelingt und wie er zum Vorbild wird.


Ein älterer Herr, weißer Kittel, graues Haar, schwarze Tasche. Er hechtet über Wiesen und Felder, von einem Hausbesuch zum nächsten. So skizziert Marcel Frischkorn das Klischeebild eines Landarztes, das noch in den meisten Köpfen sitzt: „Deshalb mag ich den Begriff ,Landarzt’ nicht, weil der mit so einem schlechten Narrativ belegt ist.“

Dieses Bild zu ändern, ist Teil seines Jobs. Er ist kein Headhunter, nicht darauf aus, Topmanager abzuwerben. Aber sein Beruf hat damit eine gewisse Ähnlichkeit: Für die Wirtschaftsförderung des Kreises Soest holt Marcel Frischkorn Hausärzte aufs Land, denn die sind dort Mangelware. Im Februar 2019 berichtete die WESTFALENPOST erstmals über seine Tätigkeit. Seither ist er so erfolgreich, dass andere Landkreise ihn sich zum Vorbild nehmen – nicht nur in Süd- sondern auch in Ostwestfalen und im Rheinland gibt es mittlerweile Arztlotsen. „Ich wurde auch schon aus Baden-Württemberg, aus Sachsen und aus Bayern angerufen“, so Frischkorn.

Seit 2018 bereits 24 Mediziner angelockt

Für ihn ist es „ein Herzensthema“ – und sein Enthusiasmus zahlt sich aus: Seit 2018 konnte er bereits 24 Mediziner aus den Großstädten in den Kreis lotsen. Ein 25. aus Frankfurt kommt voraussichtlich bald dazu. Auch viele Mediziner, die über eine Niederlassung nachdenken, melden sich von sich aus bei ihm – denn auch bei ihnen hat sich Marcel Frischkorn als Arztlotse einen Namen gemacht. „Manche lesen von mir in der Ärztezeitung oder hören von Kollegen: ‘Melde dich doch mal beim Marcel Frischkorn, der hilft dir.’“

Denn klar: Beim Thema Niederlassung bestünden Hemmschwellen. Plötzlich hat man Personalverantwortung, ein Unternehmen. Etwas, das man nicht im Medizinstudium lernt. „Es ist schon ein großer Schritt. Aber dafür gibt’s mich ja, sie brauchen keine Angst vor einer Niederlassung zu haben.“

Arztlotse bietet das „Rundum Sorglos-Paket"

Tatsächlich bietet der Arztlotse das „Rundum-Sorglos-Paket“. Am Anfang steht immer die Frage: „Was suchen Sie, was ist Ihre ideale Vorstellung?“ Dann werden die passenden Optionen herausgearbeitet. Marcel Frischkorn schickt eine Liste an Hausarztpraxen, von denen er genau zu wissen glaubt, dass sie in das jeweilige Suchprofil passen – denn er hält engen Kontakt zu den Hausärzten im Kreis, sagt, er habe von vielen die private Nummer.

Im nächsten Schritt bringt er sie aktiv zusammen, die Mediziner mit den Praxen, die eine Hausarztstelle zu besetzen haben, oder diese bald abgeben wollen. Dabei achtet der Lotse darauf, ob bei beiden Parteien ein gleiches Verständnis von Medizin und den Rahmenbedingungen besteht. „Ich bin dann da auch immer als Moderator involviert.“ Wenn es nicht passe, sei das auch okay. Manchmal brauche es aber auch einen kleinen „Schubs“ im Hintergrund.

Auch bei dem Papierkram unterstützt Marcel Frischkorn: „Die Person erhält von mir eine detaillierte To-Do-Liste, was bis wann, wo und wie eingereicht werden muss.“ Selbst nach der Niederlassung endet die Begleitung der Mediziner nicht: „Die werden nicht alleine gelassen bei Fragen, die nach der Übernahme von Praxen entstehen“, sagt Marcel Frischkorn. Zum Beispiel, wie die Daten der Patienten übergeben werden oder was die Zusammenarbeit mit den Laboren angehe.

Neue Lotsen in anderen Kreisen

„Es gibt aber kein Patentrezept für diese Prozesse“, jeder Fall sei individuell, sagt Marcel Frischkorn. Eine Tatsache, die natürlich auch für die unterschiedlichen Kreise gelte, allein von den Einwohnerzahlen her. „Da gibt es nicht das eine ‘Best Practice-Beispiel“, so Christina Röcher, aus Biekhofen, die seit dem 1. April als Arztlotsin für den Kreis Olpe arbeitet: „Ich habe mich natürlich mit dem Herrn Frischkorn ausgetauscht, der ist ja das Vorbild für viele.“

Am Anfang stünden bei ihr einige Gespräche an: „Ich bin selber gebürtig aus dem Kreis, kenne auch hier die Gesundheitsakteure und habe mir erstmal einen Überblick verschafft.“ Irgendwann könne man dann gegebenenfalls auch in die aktive Ansprache von Ärzten gehen. Ihr gehe es auch darum, ihnen den Kreis Olpe als attraktiven Lebensraum vorzustellen.

Erst seit Kurzem Arztlotse ist auch Volker Schmidt, der den Bereich Gesundheits- und Pflegeplanung im Märkischen Kreis leitet. Einige Gespräche mit interessierten Medizinern habe er bereits geführt. „Man muss sagen, dass nicht ständig ein Arzt anruft, der sich hier niederlassen will.“ Sporadisch komme es aber durchaus vor, dass sich das „Lotsen“ situativ ergebe – zum Beispiel auf Veranstaltungen.

600 Euro bekommen Stipendiaten

Auch durch fünf Medizinstipendien im Jahr versucht man hier, Studenten, die ursprünglich aus dem Märkischen Kreis kommen, wieder zur Rückkehr zu bewegen. 600 Euro bekommen die Stipendiaten im Monat – dafür müssen sie sich verpflichten, fünf Jahre im Kreis als Ärzte zu arbeiten.

Langfristig müsse man „natürlich aber auch die Menschen von der Gegend überzeugen“, sagt Volker Schmidt, „und davon, dass man im Märkischen Kreis gut leben kann“.

Dass das Leben als Landarzt mehr Vor- als Nachteile hat, davon sollen im Nachhinein auch Marcel Frischkorns Ärzte überzeugt sein, die er nach Soest „gelotst“ hat. „ich hab noch keinen Arzt gehabt, der mich angerufen hat und gesagt hat, dass das eine schlechte Entscheidung war“, sagt er. „Da wächst was, da ist Aufbruchstimmung.“ Klar gebe es Vorschriften als niedergelassener Arzt, aber man habe die Chance, an neuen Versorgungsstrukturen mitzugestalten. „Das ist ein verdammt toller Beruf“, sagt Marcel Frischkorn. „Lasst uns auch darüber sprechen, dass es ein toller Beruf ist.“

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