Unsere Nachbarn hatten einen alten Bauernhof. Ich war oft dort. Später sind die Leute ausgesiedelt, an den Rand der Gemeinde, auf die Höfe, wie diese Gegend bis heute genannt wird. Auf dieser Gemarkung gab in früheren Zeiten eine Gemeinde, die aber bald einging. Das Gemarkung und eine Handvoll Häuser, die übrigblieben, kam zu unserem Ort und wurden erst wieder in meiner Jugendzeit besiedelt. Dies geschah im Rahmen der Flurbereinigung. Hier wurden die Felder für die Bauern, heute Landwirte genannt, zusammengelegt. Sie konnten nun besser bewirtschaftet werden. Viele Fahrten entfielen, wenn Äcker und Felder zusammenlagen und nicht jeder an einem anderen Ortsende.
Die Nachbarn hatten viele Kinder. Diese glichen - nebeneinander aufgereiht - Orgelpfeifen in unserer Kirche. Jedes Jahr kam ein Kind dazu. Wir saßen oft in der Küche, die im Erdgeschoß lag. Sie war durch einen Flur vom Stall mit den Kühen, Schweinen und Hühnern getrennt. In der Küche war es immer warm, denn die Tiere gaben Wärme ab. Hier in der Küche spielte sich das Leben ab. Ein Holz Herd, auf dem gekocht wurde, bildete den Mittelpunkt. Ein Topf heißes Wasser stand immer parat. Wir saßen auf den Bänken rund um den Tisch, der in einer Ecke stand und den halben Raum einnahm. An der anderen Wand war ein großer Schrank, in dem das Geschirr und zum Teil Lebensmittel aufbewahrt wurden. In einem Seitenfach war die schmutzige Wäsche, die damals noch von Hand gewaschen würde. Einmal bekam ich mit, wie die Katze dort Junge bekam. Wir freuten uns über die Kätzchen, aber es dauerte einige Zeit, bis wir mit ihnen spielen konnten. Katzen wurden auf jedem Bauernhof gehalten. Sie jagten Mäuse und fraßen diese. Eine nützliche Tätigkeit, die heute einen ganzen Berufszweig ernährt.
Nebenan war der Stall mit Kühen und die Scheune. Im Heu, das oben auf dem Boden lagerte, verbrachten wir viele Stunden. Wir mussten täglich das Heu herunterholen und die Kühe füttern. Wir stiegen eine lange Leiter hinauf und passten auf, dass wir nicht herunterfielen. Tagsüber konnten wir schalten und walten, wie wir wollten. Die Bäuerin war auf dem Feld. Wir versorgten die Kühe, passten auf die jüngeren Kinder auf und putzten die Küche und den Flur, der einmal unter Wasser stand, als die Bäuerin kam. Sie machte gute Miene zum bösen Spiel und wir nahmen Putzeimer und Lappen, bis wir das Wasser wieder aus dem Flur hatten. Im Eifer des Gefechtes hatten wir zu viel des Guten getan.
Im Winter waren die Leute viel zu Hause. Die Bäuerin nähte Weihnachtsgeschenke für die Kinder. Meist waren es Sachen zum Anziehen. Ich saß stundenlang bei ihr. Wir haben uns unterhalten. Sie erzählte mir viel aus ihrem Leben. Es waren ruhige Stunden, die ich genoss. Ihre Kinder waren bei Verwandten und kamen erst abends zum Essen nach Hause.
In: G. Hutt, Geschichten aus meiner Kindheit, Fouqué Verlag, Frankfurt/Main, 1998.
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