Schon eine geraume Zeit stehe ich am Fenster und starre hinaus. Dächer und Zäune biegen sich fast unter der Last des Schnees. Die Straße ist nicht sehr belebt. Kein Wunder bei dem Wetter. Es stürmt und schneit schon den ganzen Vormittag.
Plötzlich verspüre ich Lust, draußen spazieren zu gehen. Geschwind ziehe ich die langen Hosen, den Anorak und die Stiefel an. Dann geht es hinaus in das Schneegestöber.
Sogleich bin ich von tanzenden Schneeflocken umgeben. Viele fallen auf meinen Anorak und schmelzen dahin.
Endlich habe ich das Haus meiner Freundin erreicht. Diese ist sofort mit meinem Plan einverstanden und kleidet sich warm an. Dann ziehen wir los. Unser Ziel ist eine nahe gelegene Kapelle. Wir sind die einzigen weit und breit.
Vor dem Haus meiner Tante machen wir halt und werfen einen Schneeball ans Fenster. Gleich darauf wird es von meiner Verwandten geöffnet. Wir laden sie ein mitzugehen. Doch sie zieht es vor, daheim in der gemütlichen Stube zu bleiben. Wir haben nichts Anderes erwartet und ziehen weiter.
Der Gehweg ist nicht gebahnt. Aber das macht nichts. Wir sind voll und ganz damit beschäftigt, eine möglichst breite Spur zu hinterlassen. Als meine Freundin zurückblickt, stellt sie zufrieden fest: „Man könnte meinen, eine Herde Elefanten seit durch den Ort gezogen."
Doch mit der Zeit wird das langweilig und wir fangen an, uns gegenseitig in den Schnee zu werfen. Hier draußen sieht es ja niemand. Plumps- da liege ich im Schnee und meine Freundin lacht. Zum Glück tut es nicht weh.
Ich raffe mich auf und gebe meiner Freundin einen Schubs. Verdutzt schaut sie mich aus dem Straßengraben an. Damit hat sie nicht gerechnet. Ui, ihre Miene ist nicht besonders freundlich. Da mache ich mich lieber aus dem Staub. Im Wegrennen rufe ich ihr noch zu: „Wer zuletzt lacht, lacht am besten."
Ohne mich umzusehen, stürze ich vorwärts. Plötzlich zischt ein Schneeball an mir vorbei. Blitzschnell weiche ich zur Seite aus. Schon wieder schießt ein Schneeball an mir vorbei. GWeite Wege durch die Welt. Anthologie, H.-A. Herchen (Hg), Frankfurt/Main,1996.ewandt bücke ich mich und mache auch einen. Jetzt ist die schönste Schneeballschlacht im Gange.
Wir merken gar nicht, wie die Zeit vergeht Langsam bricht die Dämmerung herein. Voller Schrecken stellen wir fest, dass es schon bald dunkel sein wird.
„Wir müssen uns beeilen, wenn wir noch bei Tageslicht zu Hause ankommen wollte", meint meine Freundin.
Um den Weg abzukürzen, gehen wir über die Wiesen. Dabei müssen wir ein Bächlein überqueren. Es ist zugefroren. Neugierig probiere ich, ob das Eis mich trägt. Krr - schon stehe ich im Wasser. Verstört schaue ich meine Freundin an. Diese bricht in en Lachen aus und hilft mir aus dem Wasser heraus.
Als wir unser Dorf erreichen, brennen schon die Straßenlaternen.
„Da seid ihr ja endlich! Ich hatte schon Angst, dass ihr im hohen Schnee steckengeblieben seid", werden wir wir von meiner Mutter zu Hause empfangen.
In: Im Regenbogenland Achte Reise, Frieling, Berlin, 1998.