In den vergangenen Jahren hat das Konzept einer ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft international an Bedeutung gewonnen. Um erfolgreich zu sein, braucht eine wettbewerbsfähige „Circular Economy" aber mehr als nur technologische Innovationen. Sie benötigt eine ganz andere Art des Wirtschaftens. Wie die aussehen könnte, erklärt Unternehmer Martin Stuchtey.
Herr Stuchtey, Sie sind Mitglied der Circular Economy Initiative Deutschland. Was verbirgt sich hinter dieser Initiative?Im 21. Jahrhundert ist die Fähigkeit, Wohlstand mit minimalen Ressourceneinsatz zu erzeugen, ein zentraler Wettbewerbsvorteil. Circular Economy könnte zu einer Leitidee für die deutsche Volkswirtschaft und deren Innovationskraft werden. Es ist ein riesiges Themenfeld, das zwischen Industrie und Staat gestaltet und diskutiert werden muss. Die „Circular Economy Initiative Deutschland", die gemeinsam mit der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech ins Leben gerufen wurde, ist eine Plattform dafür.
Was genau ist unter „Circular Economy" zu verstehen?Circular Economy ist eine Wirtschaft ohne Abfall. Sie zielt darauf ab, das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Das gelingt, wenn durch eine effizientere Nutzung nicht erneuerbarer Ressourcen ihr Verbrauch weniger stark zunimmt als die Wirtschaft wächst, dann stagniert und schließlich endet. Das Konzept geht damit weit über das Recycling hinaus. Es umfasst den gesamten Lebenszyklus eines Produkts: Bereits das Design soll sicherstellen, dass das Produkt lange hält, gut repariert und wiederaufbereitet werden kann, was die Nutzungsphase intensiviert und verlängert. Am Ende der Lebensdauer sollen die verschiedenen Wertstoffe so weit wie möglich durch Sortieren und Demontage getrennt und stofflich für die erneute Nutzung aufbereitet werden können. Das Wichtigste ist jedoch dies: Dematerialisierter Wohlstand erfordert den Übergang von der Produkt- zur Leistungsökonomie. Nicht das Produkt selbst, sondern die von diesem bereitgestellte Leistung zählt. Wir verkaufen keine Kühlschränke, sondern Frische, keine Smartphones, sondern Konnektivität, keine Autos, sondern Mobilität, keine Reifen, sondern Kilometer. So gelingt das „zirkulare Wunder": Durch innovative Geschäftsmodelle wird deutlich mehr Kundennutzen mit deutlich weniger Ressourceneinsatz möglich.
Kreislaufwirtschaft ist ein Konzept, über das bereits Jahrzehnte diskutiert wird. Sind wir nicht bereits „Recycling-Weltmeister"?Die Kreislaufführung funktioniert in Teilen bereits ganz gut, allerdings sind wir leider nicht gut darin, das Material zu recyceln. Ich nenne nur ein paar Beispiele: Ein Deutscher produziert pro Jahr 226 Kilogramm Verpackungsmüll, davon sind 40 Kilogramm Kunststoff. Kunststoff wird lediglich zu 49 Prozent wiederverwertet, das meiste davon ist nur sehr minderwertig. Bei Gebäudeabfällen, die etwas mehr als die Hälfte des gesamten Müllaufkommens ausmachen, haben wir bislang keine Idee, wie wir diese hochwertig rückverwerten können. Bei Autos kehren derzeit lediglich zwei Drittel in den Kreislauf zurück, bisher wird von ihnen nur der Stahl verwertet. Und beim Stahl haben wir mit 90 Prozent zwar den höchsten Wiederverwertungsanteil. Allerdings wird hochwertiger Spezialstahl zu weniger wertigem Baustahl verhüttet, und es bleibt lediglich acht Prozent des Wertes erhalten.