Gerd Blank

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Bose NC 700 im Test: Geräuschlos in die Zukunft

Anfang Design und... Sound und Noise... Akku App Sprachassistent... Preis / Leistung Fazit Kommentare Guter Sound Starke und variable Geräuschunterdrückung Bequemer Sitz und gute Verarbeitung Die bewährte ANC-Technik von Bose kommt in einem modernes Gewand. Der Test verrät, ob das Modell NC 700 mehr ist, als ein optisches Update. Keine Highres-Codecs Akku / Laufzeit mittelmäßig App-Registrierung notwendig ab 379,00 Euro Anzeige Neueste Artikel Ein Jahr Apple Homepod - lohnt sich der Kauf noch? Ratgeber: Drohnen mit GPS und Gimbal für perfekte Videos Vileda VR 102 im Test: Staubsauger-Roboter für 130 € Mehr

Bisher erkannte man einen Bose-Kopfhörer auf den ersten Blick: Das klassische Design hat sich viele Jahre kaum verändert. Warum auch, schließlich galten die ANC-Headsets - vor allem bei Geschäftsreisenden - als das Maß aller Dinge. Der Neuzugang in der Bose-Familie spricht eine komplett andere Designsprache. Geschwungene Linien bestimmen das Gesamtbild. Der aus Edelstahl hergestellte Kopfbügel verjüngt sich elegant nach unten - und endet übergangslos in einem Stab, der gleichzeitig als variable Halterung für die Ohrhörer dient. Die Ohrhörer lassen sich an der flexiblen Aufhängung ganz geschmeidig und mit wenig Druck verschieben, wodurch der gerade einmal 250 g leichte Bose NC 700 bei ganz unterschiedlichen Kopfgrößen passt. An der Innenseite des Bügels befindet sich ein Polster aus Silikon. In der Hand irritiert es ein wenig, dass dieses Polster relativ dünn ist und sich die Verbindung zum Kunststoffbügel sehr kantig anfühlt. Auf dem Kopf fühlt sich der Bügel dagegen wie ein Haarreif an und ist selbst bei längerem Tragen kaum wahrnehmbar. Leider lassen sich die Bügel nicht klein zusammenklappen. Für den Transport können die Ohrpolster allerdings in eine Richtung um 90 Grad gedreht werden, wodurch sich der Kopfhörer zumindest ganz flach macht.

Die Ohrhörer des Over-Ear-Kopfhörers sind leicht oval. Von der Rückseite des Gehäuses schwingt sich die Form leicht zu den dünnen, aber bequemen Polstern aus Kunstleder. An der rechten hinteren Kante befinden sich zwei Tasten. Die obere dient als Powerbutton und zur Aktivierung der Bluetooth-Funktion, die untere ruft den Sprachassistenten auf oder stellt während eines Telefonats das Mikrofon stumm. Auf der hinteren linken Seite wiederum befindet sich die Taste für die Geräuschunterdrückung. Bei jedem Tastendruck verändert sich die Stärke, voreingestellt sind die Stufen aus, mittel und voll. Per App können eigene Favoriten festgelegt werden, ein kurze Wischen nach vorne ruft den nächsten Titel auf, entsprechend führt ein Wischen in die andere Richtung zum vorigen Titel. Und wie sollte es anders sein: Die Lautstärke wird durch ein Wischen nach oben oder unten reguliert.

Die Verarbeitung des Kopfhörers ist exzellent, die gewählten Material fühlen sich hochwertig an und sehen auch so aus. Im Gegensatz zum hauseigenen Quietcomfort 35 II (Testbericht) sind die Bedienelemente dezent in das Gehäuse integriert. Das Design ein mutiger Schritt für Bose, doch der Spagat zwischen klassisch-edel und moderne ist geglückt.

Den Bose NC 700 gibt es in den Farben Schwarz und Silber. Der ANC-Kopfhörer kommt mit einer farblich passenden Transporttasche aus Kunstleder, einem 50 cm kurzem USB-C-Ladekabel und einem gut einem Meter langem Audiokabel.

Äußerlich hat der NC 700 keine Ähnlichkeit mit dem Quietcomfort 35II, akustisch dafür jede Menge. Der Kopfhörer beherrscht wie sein Cousin die Bluetooth-Codecs SBC und AAC, AptX kann auch er leider nicht. Der Sound ist allerdings auch beim neuen Familienmitglied größtenteils erfreulich. Starten wir mit Paul McCartney. Der nimmermüde Brite veröffentlichte kürzlich mit „Egypt Station" sein jüngstes Album. Das Intro „Opening Station" entführt akustisch in die Wartehalle eines Bahnhofs. Die Bose NC 700 stellen jedes Geräusch so perfekt dar, als wäre man selbst vor Ort. Dann setzt der Frauenchor ein - und die Bahnhofshalle verwandelt sich in einen Konzertsaal. Wenn dann im Song „I Don't Know" das Piano einsetzt, wird sogar der Anschlag inklusive Nachhall wunderbar hörbar. Dann ein Strich über die Saiten der Gitarre - und da ist plötzlich die Stimme von McCartney, ganz klar, perfekt abgemischt und ganz nah in allen Facetten. Kaum zu glauben, dass der Vater (oder Opa) des Pop inzwischen 77 Jahre alt ist.

Deutlich jünger ist Susan Wong. „Vincent", der neue Ballade der chinesisch-australischen Sängerin, klingt mit den Bose NC 700 perfekt - vielleicht sogar ein wenig zu perfekt. Jeder Fehler der Aufnahme wird hier kompromisslos enttarnt. Zum Beispiel lässt sich in den ruhigen Passagen sehr gut erkennen, an welchen Stellen die Tonspur von Susan Wong geschnitten wurden, noch bevor der Hall ihrer Stimme komplett verklungen ist. Das passiert nun mal, wenn Musik für Streamingdienste mit Standard-Codecs und günstige Kopfhörer produziert wird.

Aber lassen wir ein wenig Bass an die die Bose. „I Love Myself" von Ciara beginnt mit ein paar Takten von der Bass-Trommel. Der Sound ist nicht so allumfassend wie bei den Sony WH-1000XM3 (Testbericht), dennoch relativ dominant und gut zu orten. Das dezente Auftreten steht den Kopfhörern hier sehr gut, schafft es doch Raum für die Stimmen von Ciara und dem Gastsänger Macklemore. Die Höhen sind dagegen leicht schrill - was nicht nur an den Backround-Stimmen liegt. Und die Mitten wirken ein wenig fahrig.

Also weiter in der Playlist. Auf seiner neuen EP „Woodkid For Nicolas Ghesquière - Louis Vuitton Works One" veröffentlicht der französische Ausnahmekünstler Yoann Lemoine, seine Kompositionen für das Modellabel. Eine wunderbare Klangreise, mit den Bose Kopfhörern taucht man tief in den Sound ein, als säße man bei einer der Haut-Couture-Shows in der ersten Reihe. Allerdings gilt hier wie dort: Effekt geht vor Substanz. Der Sound wirkt kühl, fast klinisch und aseptisch - so wie es zu einer Modenschau passt. Den Mitten gelingt es nicht, Wärme ins sonst perfekte Klangerlebnis zu geben. Aber wahrscheinlich ist das vom Künstler so gewollt.

Der Bose NC 700 ist soundtechnisch ein passender Kopfhörer des Zeitgeists: Bloß keine Fehler machen und niemanden auf die Füße treten, vornehme Zurückhaltung bei gutem Aussehen ist Trumpf. Alles klingt rund, warm und sehr ordentlich. Insgesamt bildet der Kopfhörer einen Sound ohne Ecken und Kanten, der so nett ist wie ein Kellner im Restaurant - dessen Gesicht man aber vergisst, sobald man das Lokal verlassen hat.

Dafür hat der Kopfhörer einen spielentscheidenden Trumpf im Ärmel: Eine Geräuschreduzierung in Bestform. In der ANC-Disziplin zeigt Bose eindrucksvoll, was es kann. Im Vergleich zum Quietcomfort 35 II legt das Unternehmen sogar noch eine Schippe drauf. Straßenlärm ist kaum zu hören, Bürogeräusche werden ebenfalls deutlich reduziert. Der NC 700 beherrscht dabei weit mehr, als nur die ANC-Funktion an- und auszuschalten. Elf Stärkegrade stehen zur Verfügung, von denen sich drei per App auf die entsprechende Taste festlegen lassen. Die Bandbreite reicht dabei stufenweise von einer vollen Abschirmung (0) bis zur kompletten Abschaltung des Features (10).

Insgesamt acht Mikrofone sorgen dafür, dass die Umgebungsgeräusche erkannt und dann optimal herausgefiltert werden. Vier der Mikrofone sorgen zudem dafür, dass die Geräuschunterdrückung auch bei Sprachbefehlen und vor allem bei Telefonaten zum Tragen kommt. Das Ergebnis erfreut auch die Ohren des Gesprächspartners, da so auch weniger störender Lärm durch die Leitung geschickt wird. Entsprechend gut klingen die Telefonate auf beiden Seiten. Ganz klar: Um einen vergleichbar guten ANC-Effekt zu finden, wird man lange suchen müssen - wenn man denn einen findet.

Bose hat dem Kopfhörer außerdem ein ganz besonderes Klang-Schmankerl spendiert: Augmented-Reality-Sound. Im Prinzip heißt das nichts anderes, als das Sensoren Kopfbewegungen registrieren und den abgespielten Sound entsprechend akustisch darstellen. Ein paar Bose-Apps haben entsprechende Soundbeispiele an Bord, um diese Funktion zu testen. In Verbindung mit einer entsprechenden VR-Brille und passenden Inhalten wird die freie Bewegung in einer virtuellen Welt so auch akustisch untermalt. Eine nette Spielerei, allerdings ohne großen Mehrwert. Bisher gibt es kaum Material, dass sich dauerhaft in die Gehörgänge schleichen wird. Und auch eigene Musik wird bisher nicht entsprechend aufbereitet. Da aber andere Hersteller wie Sony ebenfalls auf einen 360-Grad-Sound setzen, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis mehr interaktive Sounds zur Verfügung stehen.

Laut Bose hält der nicht wechselbare Akku mit eingeschalteter Geräuschunterdrückung bis zu 20 Stunden durch - natürlich abhängig von Lautstärke und Noise Canceling. Bei jedem Einschalten verrät eine nette Stimme, wie viele Stunden Laufzeit noch maximal übrig sind. Allerdings ist dies nur ein geschätzter Wert, in der Praxis kommt der Akku häufig schneller an seine Grenzen. Im Test ging dem Kopfhörer direkt am Ende der Staffel „The Boys" der Saft aus - obwohl die Ansage großspurig von einer 17-stündigen Restzeit sprach. Allerdings lief die Geräuschunterdrückung dabei volle Pulle - schließlich sollte Niemand bei der Comic-Verfilmung stören. 15 Minuten am Strom bringt dem Akku bis zu 3,5 Stunden Betriebsdauer, eine volle Ladung dauert etwa 2,5 Stunden.

Sowohl für iOS als auch für Android gibt es mit „Bose Music" ein App, mit der sich zum Beispiel die ANC-Stärke festlegen lässt. Unverständlich ist es allerdings, dass man vor der Nutzung eine Bose-ID erstellen muss. Nach der Registrierung lässt sich zum Beispiel der Sprachassistent oder ein bevorzugter Musikdienst festlegen. Hat man dies erledigt, kann man die App ruhig wieder löschen, denn benötigt wird sie dann nicht mehr.

Ob Siri, Google Assistant oder Amazon Alexa: Wie schon der Bose Quietcomfort 35II versteht sich der NC 700 mit allen relevanten Sprachassistenten. Per App wird der passende Dienst ausgewählt, die untere Taste an der rechten Hörmuschel aktiviert den Service.

Der UVP des Bose NC 700 liegt bei 399 Euro. Im Vergleich mit den anderen getesteten Modellen liegt der Preis am oberen Ende. Ein hoher Preis, sicher, aber mit Blick auf verwendete Materialen, Soundqualität und ANC-Leistung nicht unanständig hoch. Wem das Design und 360-Grad-Sound allerdings nicht so wichtig sind, kann beruhigt zum inzwischen deutlich günstigeren Quietcomfort greifen, da der Funktionsumfang und die Leistung absolut vergleichbar sind.

Schwarz

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Der Bose NC 700 ist der gelungene Versuch, einem Klassiker zu modernisieren. Äußerlich erinnert nichts mehr an die Trutschigkeit der anderen ANC-Modelle der US-Amerikaner. Der Neuzugang ist optisch ein großer Fortschritt, ohne dabei seine edle Gene zu verleugnen. Im Inneren sind die Upgrades dagegen fast zu vernachlässigen. Aber warum auch nicht? Schon der Quietcomfort erhielt fast die Bestnote - der NC 700 hat diese nun durch das verbesserte ANC redlich verdient.

Dennoch gibt es ein paar Details, die uns nicht so gefallen haben. Der Kopfhörer lässt sich durch den starren Kopfbügel nicht klein zusammenfalten, sondern lediglich flach in die Tasche stecken. Der Sound ist sehr gut, aber nicht brillant - was man in dieser Preisklasse eigentlich erwarten darf. Dass man sich für die Nutzung der Begleit-App registrieren muss, ist ärgerlich - vor allem, weil man damit nur die Justierung der Geräuschabschirmung sinnvoll damit nutzen kann.Der Akku hält nur unter optimalen Bedingungen die versprochenen 20 Stunden durch. Eine externe Stromquelle sollte auf Langstreckenflügen greifbar sein. Doch das sind Peanuts, denn insgesamt ist der neue Bose-Kopfhörer in der ANC-Disziplin nahezu konkurrenzlos. Die Geräuschabschirmung sucht ihres gleichen - auch wenn man dafür einen hohen Preis zahlen muss.

Permalink: https://techstage.de/-4485045

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