05. November 2012
Lizz Wright und Esperanza Spalding beim Jazzhaus-Jubiläum.
Lizz Wright und Esperanza Spalding haben vieles gemeinsam. Beide genossen eine klassische Musikausbildung - die eine als Sängerin, die andere als Instrumentalistin. Beide legten in ihrer noch jungen Karriere bereits vier Soloalben vor. Beide sind attraktive Frauen mit enormer Ausstrahlung und großer Musikalität. Dass es dem Jazzhaus-Vereinsvorsitzenden Herbert Schiffels und dem Geschäftsführer Michael Musiol nun gelang, gleich beide US-Stars für das Konzert zum 25-jährigen Bestehen des Jazzhauses im Freiburger Theater zu verpflichten, war ein besonderes Geburtstagsgeschenk. Und steht exemplarisch für die Programmplanung der letzten Jahre, "für alle musikalische Strömungen offen zu sein", wie Michael Musiol in seiner Ansprache bemerkte. Da ist Platz für konservative Musikerinnen wie Lizz Wright, die stilreinen Blues, Jazz, Folk und Country interpretieren. Esperanza Spalding ist hier viel innovativer und kombiniert wilde Jazzimprovisationen und schräge Harmonien mit groovendem Discopop im Stil der 1970er Jahre.
Die Unterschiedlichkeit der beiden Konzerthälften deutet sich schon im Auftreten der beiden Künstlerinnen an. Lizz Wright kommt barfuß im langen schwarzen Kleid auf die Bühne und beginnt ihr gut einstündiges Set mit dem Gospel "Walk With Me, Lord", zu dem sie die Arme ausbreitet. Ihre Musik klingt so, wie sie auf der Bühne des Freiburger Theaters steht: ernst, geerdet, fokussiert, ohne Schnickschnack.
Esperanza Spaldings Bassläufe hört man, bevor die Musikerin zu sehen ist. Dann hüpft die zierliche Amerikanerin auf glänzenden High Heels im kurzen Kleid um die Ecke und tritt sofort in Kontakt mit dem Publikum. Die Überraschungsmomente ihrer Musik spiegeln sich in der Lebendigkeit ihrer Mimik. Spalding hat was Leichtes, fast Schwereloses, wirkt unbelastet durch die musikalische Tradition. "Ich bin nur ein hübsches Mädchen, das Musik machen will", sagte sie in einem Interview. Solch ein Satz ginge Lizz Wright wohl nie über die Lippen. Die 32-jährige Tochter eines Predigers, die im Gospelchor der väterlichen Gemeinde ihre ersten Erfahrungen als Sängerin machte, ist viel stärker geprägt durch ihre musikalische Sozialisation.
Viele Wright-Songs haben eine spirituelle Dimension. Das letzte Album "Fellowship" (2010), von dem die Sängerin in Freiburg den Titelsong mit großem Atem und dunklem Timbre zelebriert, ist ganz ihren musikalischen Wurzeln gewidmet. Wrights großartige Altstimme unterstützt die Klarheit ihrer Songs. Wenn sie bei der Zugabe nochmals ganz allein auf die Bühne kommt, um das Wiegenlied "Silence" anzustimmen, dann erlebt man eine Essenz ihres ganz direkten, nur mit wenig Vibrato veredelten Stimmklangs. Im eigentlichen Set bietet sie einen musikalischen Querschnitt ihrer Karriere. Bei Neil Youngs "Old Man" aus ihrem Album "Dreaming Wide Awake" (2005) verbindet sich ihre Stimme mit der kraftvollen akustischen Gitarre von Robin Macatangay, Marvin Sewell steuert an der E-Gitarre mit dem Bottleneck immer wieder ein paar Countryklänge bei. "My heart" macht Lizz Wright mit ihrer brillanten Band zur tanzbaren Powernummer, ehe sie mit heiligem Ernst wieder zum melancholischen Grundton, der ihre Musik umgibt, zurückkehrt.
Esperanza Spaldings fulminanter Auftritt erinnert da eher an eine ausgelassene, schräge Party als an einen Gottesdienst. Sie präsentiert mit ihrer kleinen Bigband fast ausschließlich Songs aus dem im März erschienenen Album "Radio Music Society". Die 28-jährige Amerikanerin spielt nicht nur hervorragend Kontrabass und E-Bass, sondern hat auch eine helle, ungemein flexible Sopranstimme. Ganz mühelos verbindet sie virtuoses Scatting mit schnellen Bassläufen - das allein zu sehen und zu hören wie bei der groovende Zugabe ist schon ein Ereignis. Überhaupt ist bei Esperanza Spalding musikalisch ständig Action auf der Bühne, wenn zwei, manches Mal drei Musiker gemeinsam ihre Soli improvisieren und das Ganze durch den Bass und das treibende Schlagzeug (Lyndon Rochelle) am Köcheln gehalten wird. Lange Soli von Saxofon ("I Can't Help it"), Posaune ("Smile Like That") oder Trompete ("Endangered Species") würzen die gegenüber der Studiofassung verlängerten Songs. Man weiß nie, was passiert bei der hochexplosiven musikalischen Mischung. Auch wenn es etwas poppiger wird wie bei "Cinnamon Tree" oder "Crowned & Kissed", kann man sich nicht in die roten Samtsessel des Freiburger Theaters zurücklehnen. Und das ist gut so.
Autor: Georg Rudiger