Über Jesus darf man Witze machen, über Mohammed nicht. Meint zumindest Pascal Bruckner, den das maßlos ärgert. "Unter den großen Religionen ist es nur der Islam, nur er ganz allein, der sich der Schmach und dem Spott entziehen darf. Warum diese Bevorzugung?", fragt der Romancier und Publizist in seiner im Original bereits 2017 und jetzt auf Deutsch erschienenen Essaysammlung "Der eingebildete Rassismus. Islamophobie und Schuld".
Wer sich davon eine systematische Auseinandersetzung mit dem Begriff "Islamophobie" erwartet, wird enttäuscht. Bruckner will das Konzept nicht lang diskutieren, sondern "madig machen". Seine zwischen 2003 und 2016 verfassten Essays sind ein rhetorischer Rundumschlag, was daran liegt, dass sich der Autor von Feinden umzingelt wähnt: Da wären etwa die Vertreter der Political Correctness, von denen er sich daran gehindert fühlt, "zu sagen, was der Fall ist", antirassistische Aktivistinnen, die ihm statt des Schinkenbaguettes ein Kebab-Sandwich in die Hand drücken wollen, sowie die Theoretiker des Postkolonialismus, die Frankreich durch eine „Flutung mit Fremden“ zum Verschwinden zu bringen trachten.
Bruckner erweist sich als treuer Anhänger Nicolas Sarkozys, unter dessen Präsidentschaft er vom altlinken zum neurechten Publizisten mutierte: Erklären bedeutete für Sarkozy schon so viel wie entschuldigen, und auch Bruckner greift zum rhetorischen Kärcher, wenn jemand wie etwa der Soziologe Éric Fassin die Hintergründe der sexuellen Übergriffe von Köln untersucht. Für Bruckner wird dadurch „der Schrecken der Vergewaltigung bagatellisiert“, bis er nach ein paar Volten bei der Erkenntnis anlangt, die „Fundamentalisten und ihre ‚marxistischen‘ Verbündeten“ wie eben Fassin hätten das Ziel, „die jungen Frauen einzuschüchtern und zu verunglimpfen, die unverschleiert durch die Straßen laufen wollen.“
Ein Strickmuster zieht sich durch Bruckners Tiraden: Er zitiert einzelne Aussagen, die für die moralische Verkommenheit der Linken (oder der westlichen Gesellschaft insgesamt) stehen sollen, spinnt sie ins Groteske weiter und vermengt das Ganze mit seltsamen Zitaten, deren Quellen er hinter Konstruktionen wie „es wird behauptet“ verschleiert. Anschließend beschwert er sich bitterlich, wie ungenießbar dieser Brei doch ist, den er selbst angerührt hat. Wie ein Duracell-Rumpelstilzchen tobt, schimpft und geifert sich Bruckner auf diese Weise durch die Islam-Debatte der letzten Jahrzehnte und verunmöglicht jedes Gespräch.
Angesichts der Dringlichkeit der angesprochenen
Themen ist das schade, doch immerhin ist er konsequent genug, sich am Ende des
Buches selbst zu zerlegen: Brandmarkt er Begriffe wie „Islamphobie“ anfangs aufgrund
der Heterogenität der Muslime als Denkfehler, so schreibt er schließlich, dass
der Islam eben „nicht bloß eine reine Religion ist, sondern ebenfalls auch eine
Lebensart, ein Bekenntnis und das Fundament einer kollektiven Identität“ –
womit die zuvor so wütend in Abrede gestellte Möglichkeit der Diskriminierung von
Muslimen aufgrund ihres Glaubens plötzlich doch gegeben ist. Befindet er
anfangs, die gegen den islamkritischen Michel Houellebecq eingebrachte Klage gebe
„Auskunft darüber, in welch desaströs rückschrittlicher Verfassung wir uns
derzeit befinden“, legt Bruckner beleidigten Muslimen abschließend selbst den Gang
vor den Kadi nahe: „Besser Anzeige erstatten, sich lautstark bemerkbar machen
oder Schadenersatz fordern, als den Apostaten oder den Ungläubigen zu erdolchen
oder niederzuschießen.“ Das ist zwar so banal, dass es schmerzt, doch immerhin
eine tragfähige Erkenntnis.