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Jan Böhmermann,ein Hitlergruß in vollgepisster Jogginghose und ein Fotograf,dessen Ruf im Shitstorm untergeht

Von Georg Elser am 29. Januar 2015 um 21:35 Uhr

Die Rollen sind ungleich verteilt: Auf der einen Seite ein bekannter Moderator, von manchen als Zukunftshoffnung der deutschen Fernsehunterhaltung gepriesen, der mit seiner Comedysendung vom Nischenprogramm gerade erst ins Zweite Deutsche Fernsehen aufgestiegen ist. Auf der anderen ein Fotograf, dessen Name bisher nur wenigen bekannt gewesen sein dürfte, dem aber dafür vor mehr als 20 Jahren ein Foto gelang, das wiederum jeder kennt und um die Welt ging. Willkommen bei Jan Böhmermann, 33, gegen Martin Langer, 58.

Der eine ist eine echte Größe in sozialen Netzwerken, mit 135.000 Fans bei Facebook und 159.000 Followern, die bei Twitter seine Nachrichten abonniert haben. Der andere hat bei Twitter nicht einmal einen account. Beide liegen nun seit mehr als einer Woche im Clinch.

Der Hergang

Stein des Anstoßes war ein Tweet von Böhmermann vom 21. Januar:

Das strittige Foto zeigt Zuschauer während der rechtsextremen Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen im August 1992. In einem Beitrag auf Facebook schildert Böhmermann die Details: Er habe das Foto im August 2014 über die Bildersuche bei Google gefunden, herunter- und bei Twitter wieder neu hochgeladen und dabei auch den Fotografen genannt. Dass es sich dabei möglicherweise um ein lizenz- und kostenpflichtiges Bild handeln könnte, mag der Medienprofi nicht gewusst haben. Sechs Monate später folgte eine Abmahnung für das unerlaubte Publizieren eines Fotos, inklusive Unterlassungserklärung.

„Ich zahle und unterlasse natürlich – unter der Bedingung der genaueren und öffentlichen Betrachtung dieser merkwürdigen Abmahnung“, so die Reaktion des Fernsehmoderators. Anschließend rundet Böhmermann den Betrag großzügig auf (genau genommen waren es 906,50 Euro), wittert einen Promi-Malus und macht sich per Facebook über „Lochprämie, Tackergebühr, Digitalimmigrantaufschlag, Empörungsprämie und Büropauschale“ lustig.

Der Fotograf

Der Fotograf hat jetzt reagiert und einen Gastbeitrag in der Fotocommunity kwerfeldein veröffentlicht. Darin betont Langer, dass sein Foto wegen „seiner besonderen Symbolkraft“ immer wieder angefragt und gekauft werde. Er verlange natürlich eine Bezahlung, schließlich habe er 1992 „in fünf sehr langen Tagen und Nächten meinen Kopf hingehalten“, während „in Rostock ein Mob tobte, Steine flogen, scharfe Schüsse fielen“. Dabei würde er sich nicht nur wegen des Geldes gegen unerlaubte Veröffentlichungen juristisch zur Wehr setzen, sondern auch, um die „Kontrolle über den inhaltlichen Zusammenhang“ bewahren zu können.

Durch die Aktivitäten von Böhmermann sei ein wahrer Shitstorm über ihn hereingebrochen: "Ich habe nichts falsch gemacht, bin aber der Arsch. Auf Twitter, auf Facebook, im halben Internet bin ich die „Kapitalistendrecksau“". Selbst seine 14-jährige Tochter "werde in der Schule inzwischen blöd angelabert".

Den ganzen Streit empfindet er inzwischen nur noch „als schäbig, kränkend und respektlos“.

Das Urheberrechtsproblem

Dabei geht es im Kern um ein Problem, welches ebenso stark wächst, wie die Nutzung von sozialen Netzwerken zunimmt: Wer heute auf Facebook und Twitter für seine Beiträge einfach Bilder verwendet, die irgendwo aus dem Netz herauskopiert wurden, verwendet dabei möglicherweise urheberrechtlich geschützte Werke und hat somit rechtlich gesehen ein großes Problem.

Der Experte Leonhard Dobusch plädiert daher für eine pauschalvergütete Ausnahmeregelung für soziale Netzwerke, weil es „im Rahmen der gewöhnlichen Nutzung ihrer Dienste ständig – und unvermeidbar – zur nicht-autorisierten Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte kommt.“

Kritiker monieren, dass dadurch ein Mehraufwand an Bürokratie entstünde, den nur große Anbieter bewältigen könnten. Wie auch immer eine zukünftige Lösung aussehen mag: Unstrittig ist, dass das Urheberrecht angesichts der alles durchdringenden Digitalisierung dringend reformbedürftig ist.

Böhmermann hat seinen Teil dazu beigetragen, diese Diskussion öffentlich neu zu beleben. In der Zwischenzeit hat er nachgelegt und mit seinem Fernsehkollegen William Cohn eine eigene Version des Fotos veröffentlicht:

Dank der vielen Anhänger in den sozialen Netzwerken wird sich auch dieses Werk sicherlich rasend schnell im Internet verbreiten.

Dass man mit einer großen Fanbasis jedoch auch eine soziale Verantwortung trägt und Privatleute allein durch die Nennung des vollen Namens in große Schwierigkeiten bringen kann, scheint in diesem Fall keine Rolle zu spielen. Worte des Bedauerns sind von Böhmermann bisher jedenfalls nicht überliefert.

Update 30.01.2015: Böhmermann hat sich in einem Beitrag auf Facebook entschuldigt und eingeräumt, dass die Veröffentlichung des Namens des abmahnenden Fotografen bei Twitter „unverhältnismäßig“ gewesen sei.

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