MOPOP: Spricht da wirklich John Lydon? John Lydon: Ja! Und er ist hässlich und fett.
Das trifft sich gut, ich bin schön und schlank. Dann sind Sie alles, was ich jemals sein wollte.
Sonntag werden Sie 60. Unglaublich, dass sie das geschafft haben, oder? Ach, echt? Danke, dass Sie mich erinnern. Eigentlich werde ich 21. Ich feiere meinen Geburtstag auch nicht, so oft 21 zu werden ist irgendwann langweilig. Ach nee, 21 Zentimeter Umfang hat ja mein Hals. (lacht)
Jetzt aber mal Spaß beiseite... Jawohl. 60 ist echt eine Leistung. Als ich volljährig wurde, habe ich mich wie ein alter Mann gefühlt. Ich hatte ja schon viel mit den Sex Pistols erlebt. Da dachte ich: Jetzt wirst du erwachsen, ernsthaft und weise. Aber das ist bis heute ausgeblieben. Angst vor dem Alter habe ich nicht. Ich bin generell furchtlos. Mir tut nur weh, dass so viele schon gegangen sind: Sid Vicious, Joe Strummer, Lemmy Kilmister, David Bowie... Eigentlich brauche ich sie im Diesseits als moralischen Kompass. Ich vermisse sie schrecklich.
Sie haben echt schon viel erlebt. Fühlt sich ihr da Körper nicht schon älter an? Nein, gar nicht. Ich erlaube mir nicht, faul zu sein. Dann holt mich das Alter nicht ein. Mein ganzes Leben ist ein Rennen gegen die Faulheit. Wenn man sie abhängt, ist alles gut. Mein Ziel ist es, solange wie möglich zu überleben, was zu erreichen und Belohnungen dafür zu bekommen. Und dabei geht's nicht um Besitz, sondern um Zufriedenheit. Dafür, dass ich als ein Problemkind geboren wurde, das oft krank war - Meningitis, Skoliose, Sehprobleme und der ganze Mist -, habe ich alles sehr gut hinbekommen.
Ist Ihre Seele schon alt? Mein Vater sagte immer: Schon als du geboren wurdest, warst du 40. Als kleiner Junge lag ich drei Monate im Koma, hatte mein Gedächtnis verloren und war ein Jahr im Krankenhaus. Ich habe nicht geweint, immer nur gestarrt. Komisch war ich also schon immer. Ich brauche keine Aufmerksamkeit, dafür bin ich aber aufmerksam gegenüber anderen. Für einen Popstar ist das kontraproduktiv! (lacht) Deswegen war das Popstar-Ideal auch nie etwas für mich. Die Sex Pistols wurden da einfach so reingeschmissen. Jede Über-Aufmerksamkeit für eine Person oder Gruppe ist ein riesiger Fake und tut niemandem gut - auch nicht dir selbst.
Aber Rebellion und Aufstand sind immer noch etwas für Sie? Mit Aufständen kann ich nichts anfangen, die rufen Gewalt hervor. Gewalt ist dumm, sinnlos und unproduktiv, denn sie verursacht noch mehr Feindlichkeiten. Rebellion ist mein liebstes Hobby und ich habe sie in meine Karriere integriert. Sowas wie mal ausruhen gibt's bei mir nicht. Meine ständige Rebellion verursacht, dass ich immer noch denken kann, Musik mache und kreativ bin.
Wollen Sie auf der Bühne sterben? Sowas will man von einem Punkrocker hören, nichtwahr? Aber nein, um Gottes willen, am liebsten will ich gar nicht sterben - auch wenn ich irgendwann muss. Und wenn's soweit ist, bin ich lieber bei meinen Liebsten und nicht auf der Bühne. Oder ich falle von einer Klippe, während ich total glücklich bin. Das wäre ein schöner, schneller Tod. Andererseits könnte ich über ein langes Leiden auch wieder Songs schreiben. Solange es dabei nicht um Selbstmitleid geht. Das ist das schlimmste, was es gibt! Und dass man sich selbst nicht zu ernst nimmt.
Haben Sie Angst vor Krankheiten und dem Tod? Da ich mein ganzes Leben krank war, nicht. Irgendwann gab's mal einen Tag, an dem ich kein einziges Wehwehchen hatte. Da wusste ich gar nicht, was ich mit mir anfangen soll. Das fühlte sich falsch an. Ich bin da wirklich sehr abgehärtet. Es ist eigentlich auch ein Wunder, dass ich Sänger geworden bin. Ich war ein ganz normaler Mann der Arbeiterklasse mit Problemen. Normalerweise werden die kriminell oder drogensüchtig.
Jetzt lassen Sie uns mal übers Musikbusiness reden. Die Abkürzung PiL bedeutet ja auch „Public Image Ltd.", das steht für eine Firma. War Musik immer Business für Sie? Das Musikbusiness hat mich immer angepisst. Dass PiL wie ein Unternehmen rüberkommt, ist reinste Ironie.Normalerweise werden die kriminell oder drogensüchtig.
Ihr aktuelles Album heißt „What The World Needs Now ...". Ist das eine Anlehnung an den berühmten Popsong? Nein, eigentlich nicht. Das sollte eine offene Frage sein. Aber der Song geht ja weiter mit „ ... is love, sweet love" - da ist was dran! Im Moment hat doch nahezu jedes Land Gewaltprobleme, alle haben Angst und Vorurteile. Meine Band lehnt sich dagegen auf! Genauso wie die Sex Pistols. Das allerwichtigste ist Offenheit.
Mögen Sie Punkrock noch? Klar! Das sind meine Wurzeln und ich habe ihn auch mit erfunden. Was ich nur nicht mag, ist, dass viele Bands aus Punkrock Business, Fake und Klischees gemacht haben. Green Day zum Beispiel, denen geht's doch nur darum, mit Punk Geld zu machen. Andererseits darf ich mir auch nicht ewig die Ideale des Punk zurückwünschen. Dann wäre ich nämlich doch ein alter Mann, der der guten alten Zeit hinterhertrauert. Die Jugend ist die Zukunft und alles verändert sich.
Freuen Sie sich schon auf Ihren Auftritt mit PiL im Mai in Hamburg? Sehr! Zuletzt waren wir 1986 in Hamburg, glaube ich. Das kommt auch daher, weil die Veranstalter oft unsicher waren, ob ich denn wirklich auftauche. (lacht) Hamburg ist toll! Es ist schließlich das Zuhause der Beatles. Ohne Hamburg wären aus ihnen wahrscheinlich nicht die Beatles geworden, dessen ist sich jeder in England bewusst.
Der Song „Anger Is An Energy" von PiL sagt viel über sie aus. Worüber ärgern Sie sich am meisten? Über schlechte Politiker.
Sie leben schon lange in Los Angeles und sind bei der Wahl stimmberechtigt. Gehen Sie zurück in Ihr Heimatland England, falls Donald Trump Präsident wird? Nein, das ist ja dann die Realität und das muss ich akzeptieren. Aber ich kann nur sagen: Wählt nicht Donald Trump! Er ist ein Verräter, Fiesling, Egoist, Separatist und unfassbar hässlich. Wobei: Damit imitiert er auch ein bisschen Johnny Rotten!
PiL in der Markthalle: 12.5., 20 Uhr, 44 Euro