Es dämmert über dem Mittelmeer nördlich von Libyen, als das Rettungsschiff auf ein grünes Schlauchboot zusteuert. Das Boot wiegt sich unter dem Gewicht der 63 Menschen, die in ihm sitzen, sanft in den Wellen, so als würde es jedem Widerstand ganz leicht nachgeben. Es ist für eine sichere Überfahrt von Nordafrika nach Europa nicht geeignet. An Bord der Sea-Eye 4 sind die Insassen des Schlauchbootes am Abend des 16. Dezembers 2022 wieder in Sicherheit.
Nachrichtenmeldungen wie diese - "NGO rettet soundsoviele Menschen aus Seenot" - sind zur Normalität geworden. Sie sind genauso Teil des Status quo wie die Tatsache, dass die Europäische Union die Such- und Rettungseinsätze auf dem Mittelmeer nicht übernehmen will. Doch nun stecken die Seenotrettungsorganisationen in einer tiefen Krise: Ihnen geht das Geld aus.