Interview von Franziska Setare Koohestani
Aurel Mertz ist in seiner Arbeit als Comedian eines wichtig: Niemals nach unten treten, nur nach oben.
Foto: Fabian Raabe & FIRST STEPS Award 2021
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Aurel Mertz ist Comedian, Moderator, Schauspieler, Podcaster - und arbeitet schon seit gut acht Jahren in der deutschen Film- und Medienbranche. Seine erste Late Night Show „Boomarama" bekam er 2015, mittlerweile hostet er erfolgreich das funk-Satireformat „Aurel Original" auf Instagram. Seit Februar 2021 hat er einen eigenen wöchentlichen Spotify-Podcast.
Außerdem moderiert er in diesem Jahr den wichtigsten deutschen Nachwuchspreis für Filmschaffende: die First Steps Awards. Besonders für Abschlussfilme von Filmschulen in den deutschsprachigen Ländern ist der Preis wichtig. Er wird in neun Preiskategorien an Regisseur*innen, Produzent*innen, Schauspieler*innen, Kameraleute und Drehbuchautor*innen von kurzen, mittellangen und abendfüllenden Spielfilmen, Dokumentarfilmen und Werbespots vergeben. Die Verleihung findet im Berliner Holzmarkt statt und wird am 21. Juni um 19 Uhr im Livestream der ARD Mediathek übertragen.
Im Videocall mit jetzt hat Aurel Mertz anlässlich der Preisverleihung über Diversität in der deutschen Film- und Medienbranche, Colorblind Casting und Perspektiven für junge BIPoCs (Schwarze, Indigene und People of Color) gesprochen - und darüber, warum er der hitzigen Debatte um die Sendung „Die letzte Instanz" nachträglich auch etwas Positives abgewinnen kann.
Aurel Mertz: Ja, insgesamt hat die Branche sich da wahnsinnig positiv entwickelt. Ich bin ja genau dann eingestiegen, als sie noch extrem ätzend und die Leute intolerant waren. Damals hab ich mich häufiger gefragt: Was ist das eigentlich für ein unreflektierter Laden? Mit der Zeit ist es aber besser geworden. Das Niveau in der Comedy-Szene ist gestiegen, weil da viele Leute neue Perspektiven mit eingebracht haben. Aber auch der Rest der Branche ist deutlich diverser geworden.
„Junge Leute sind hungrig und diese Leidenschaft sieht man"
Früher gab es für junge Talente zwar Sender wie MTV und Viva. Aber ich würde trotzdem sagen: Heute ist es einfacher, in die Branche einzusteigen. Gerade durch Plattformen wie Youtube kannst du als junger Mensch leichter auf dich aufmerksam machen. Zwar ist es schwerer, aus der Masse herauszustechen. Aber ich glaube, dass sich die richtig Guten trotzdem durchsetzen.
Bei Nachwuchspreisen, wie auch den First Steps Awards, fällt auf, wie unterschiedlich die Geschichten sind, die erzählt werden. Es ist sehr cool zu sehen, wenn die verschiedenen Kulturen in unserer Gesellschaft auch in Filmen repräsentiert sind. Und das ist gerade bei Nachwuchsfilmen oft der Fall.
„Ich habe meine komplette Kindheit damit verbracht, Prince von Bel Air zu schauen - und viel später erst verstanden, warum"
Grundsätzlich bin ich ja der Meinung: Bestimmte Menschen waren so viele Jahre unterrepräsentiert, da ist es als Ausgleich wertvoll, wenn diese Menschen jetzt überrepräsentiert sind. Ich hoffe, dass man diesen Ausgleich nicht dauerhaft schaffen muss. Aber ich denke: Je mehr wir auf Diversität achten, desto selbstverständlicher werden irgendwann Rollen für BIPoCs geschaffen. Und desto mehr kommt es dann auch auf Können und Inhaltliches an. Außerdem: Was glaubst du, wie viele BIPoCs keine Perspektive im deutschen Film hatten, weil alle unsere Hits irgendwelche Nazi-Weltkriegsfilme sind? Deshalb kann man da ruhig ein bisschen rotieren. Wie wäre es mal mit einem All-Black-Nazi-Cast? (lacht) Nee, also ich erwarte nicht, dass in jedem Weltkriegsfilm plötzlich BIPoC-Nazis mitspielen.
So kitschig das vielleicht klingt, aber: Ich habe meine komplette Kindheit damit verbracht, Prince von Bel Air zu schauen - und viel später erst verstanden, warum. Nämlich, weil da Leute mitgespielt haben, die aussehen wie ich und meine Familie. Du willst träumen und dich selbst in Rollen vorstellen können. Für junge Menschen mit einer ähnlichen Lebensgeschichte ist das einfach cool zu sehen: Hey, jemand wie ich hat es geschafft! So entstehen Held*innen. Es ist gar nicht mal so lange her, es muss so um 2013 rum gewesen sein, da hab ich den deutschen Fernsehpreis geschaut und festgestellt, dass einfach alle Menschen dort weiß waren. Gerade bei Nachwuchspreisen ist das ganz anders, da gibt es viel mehr Diversität. Das ist so wichtig, weil dadurch mehr BIPoCs ihre Perspektive in der Branche sehen.
„Es ist mein Credo, mit Comedy nicht nach unten zu treten"
Die Tatsache, dass das Video einen Skandal auslösen konnte, kann ich schon positiv sehen: Weil darüber so viel gesprochen wurde, konnten Schwächen im System offengelegt werden. Dadurch hat sich zum Beispiel gezeigt: Es gibt ein Missverständnis darüber, was Satire tun soll. In dem Fall hat ein Comedian Witze über ein sehr mächtiges, staatliches Organ gemacht. Dass das überhaupt stattfinden kann, ist ja schon mal ein gutes Zeichen für unsere Gesellschaft. Ich habe mich die gesamte Zeit über mit dem Sketch wohl gefühlt, weil ich wusste: Es ist mein Credo, mit Comedy nicht nach unten zu treten. Das hatte ich erfüllt. Bei der ganzen Diskussion ist aber leider eins zu kurz gekommen: das eigentliche Thema von rassistischer Polizeigewalt.
„Es bringt nichts, für immer sauer zu sein. Da finde ich es besser, Witze drüber zu machen"
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