Franziska Horn

Autorin. Freie Journalistin, München

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Im Land des Schnees

Schon mal von Guksi, Lavvu und Goahti gehört? Drei Beispiele für die traditionelle Bau- und Lebensweise der Samen in Nordskandinavien.

02.12.2023

von Franziska Horn

Falls Sie einmal durch Nordnorwegen streifen und dabei auf Rentierherden der heimischen Samen treffen, hier ein kleiner Rat für den arktischen Knigge: Fragen Sie einen Samen niemals, wieviele Rentiere er besitzt. Oder möchten Sie Fremden Auskunft darüber geben, wieviele Euro Sie auf dem Konto haben? Eben. Genießen Sie einfach das epische Bild riesiger Herden in der weiten weißen Tundra, denn noch gibt es sie. Auch wenn die Besitzer ihren Tieren heute per Schneemobil folgen. Viele Mitglieder des indigenen Volkes, das in Ländern wie Schweden, Finnland, Norwegen und Russland lebt, halten die angestammten Traditionen hoch.

Das traditionelle Zelt der Samen heißt Lavuu. Es erinnert an das Tipi der nordamerikanischen Stämme, ist aber niedriger und stabiler gebaut. Hierfür werden mehrere gerade Holzstangen in diversen Konstellationen aneinander gelegt, so dass sie ein Stativ bilden, welches eine Haut aus Leder, Stoff oder Holz trägt. Im Gegensatz dazu besteht ein Goahti aus gebogenen Stangen, sein „Grundriss“ beschreibt nicht zwingend einen Kreis wie beim Lavvu, sondern kann länglich geformt sein kann. Ein Goahti, auch Kote genannt, wird mit Torf, Holz oder Stoff verkleidet. Der Vorteil eines Lavvu ist jedoch, dass es leichter ab- und aufzubauen und daher mobiler ist.

Die Wohntraditionen der früher halbnomadischen Samen inspirierten das norwegische Architekturbüro Stein Halvorsen beim Bau des bekannten Samen-Parlaments in Karasjok in Nordnorwegen. Zum Fluß Karasjohka und damit zur Grenze nach Finnland sind es fünf Kilometer, zudem gehört die Region zu den kältesten Norwegens. 1996 gewannen Stein Halvorsen und Christian Sundby aus Oslo den Architekturwettbewerb für den Bau des Sami-Parlaments, den die norwegische Regierung ausgelobt hatte. Die Vorgabe: Dass sich das Objekt an der traditionellen Bauweise der Samen orientieren sollte. „69,3 Grad Nord“ lautete das Motto des Bauprojekts, das König Harald V. im November 2000 eröffnete.

Der zweistöckige Bau des „Sameting“ wurde als Bogen in einem Halbkreis angelegt, der an den runden Grundriss eines Zelts erinnert. An einem Ende des Halbrunds führt eine Brücke zum kegelförmig hoch aufragenden Anbau, in dem der Plenarsaal liegt. Diese baulichen Zitate in Form des Halbrunds und des Spitzbaus verweisen auf das heimische Lavvu mit seiner typischen Erscheinungsform. Die Aufgabe des norwegischen Sami-Parlaments: Sprache, Kultur und soziales Leben des Volks zu sichern und weiter zu entwickeln. So enthält die integrierte Bibliothek rund 45.000 Bücher und Zeitschriften in samischer Sprache. Interessant: Von jedem in Norwegen herausgegebenen Buch, das in seiner Gesamtheit oder in wesentlichen Teilen in einer samischen Sprache verfasst ist, muss eine Kopie an die Einrichtung gesendet werden.Die mit sibirischem Lärchenholz verkleidete Fassade nimmt mit dem Verwittern einen zunehmenden Grauton an, der sich gut in die Landschaft mit ihren Kiefernwäldern einfügt. Das Projekt überzeugte vielfach und gewann mehrere Preise, zum Beispiel 2001 den Architekturpreis der norwegischen Regierung für traditionelle Architektur, 2002 den Nordnorwegischen Architekturpreis.

Darauf könnte man mit einer Guksi anstoßen, so heißt das samische Trinkgefäß, das mit einem Lederband am Gürtel getragen und lebenslang behalten wird. „Duodji“ lautet das traditionelle Handwerk und Kunsthandwerk der Samen übrigens. Die typische Tasse ist buchstäblich aus besonderem Holz geschnitzt: Man verwendet die besonders harten Maserknollen, die ein Birkenstamm nach einer Verletzung seiner Rinde bildet. Grob in Form gebracht und getrocknet, erweist sich das Holzstück als enorm widerstandsfähig gegen Risse und Sprünge. Eine Guksi wird lediglich mit klarem Wasser ausgespült und mit einem Tuch getrocknet – und als ganz persönliches Gefäß gehütet und bewahrt, bis heute. Auch in Schweden oder Finnland findet man diese Tasse, wo sie Kuksa heißen.


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