Franziska Horn

Autorin. Freie Journalistin, München

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Artikel

Lernen, Erinnern, Gedenken

Nach mehrjährigen Um- und Erweiterungsarbeiten wurde die Dokumentation Obersalzberg bei Berchtesgaden im Herbst 2023 wieder eröffnet

04.11.2023

von Franziska Horn 


Nun ist es fertig, das Großprojekt: Ende September wurde der neue, über 30 Millionen teure Erweiterungsbauder „Dokumentation Obersalzberg“ eröffnet, auch das Bestandsgebäudes des Museums Obersalzberg wurde in diesem Rahmen umgebaut. Schon 2017 war die Grundsteinlegung für den neuen Baukörper erfolgt, sechs Jahre später öffnete nun der neue Trakt seine Tore. Wer das seit 1999 bestehende Museum, das die Geschichte des Obersalzbergs in Zeiten des Nationalsozialismus dokumentierte, in den Jahren und Monaten vor seiner Schließung besuchte, traf auf dicht gedrängte Masse der Museumsgäste aus aller Welt: Pro Jahr reisten um die 170.000 Besucher hierher nach Berchtesgaden, insgesamt an die drei Millionen, um das bedeutsame Museum in direkter Nachbarschaft zu Hitlers berüchtigtem Berghof zu besichtigen. Der Berghof, eine Schaltzentrale des Bösen – von diesem NS-Bau finden sich nur noch wenige überwucherte Mauerreste im Wald.

Um dem großen Interesse des internationalen Besucherstroms gerecht zu werden, plante man also einen neuen Erweiterungsbau als zweiten Baukörper, dazu den Umbau des bestehenden Gebäudes.

Für den Neubau hatte man 2014 einen internationalen Wettbewerb ausgeschriebenen,

den das Vorarlberger Architekturbüro Aicher ZT GmbH zusammen mit dem Überlinger Freiraumplanungsbüro Planstatt Senner gewann. Dafür hatte man anfangs rund 20 Millionen Euro veranschlagt, später beliefen sich die Kosten auf über 30 Millionen Euro.

Auf der Website von Austria Architects ist über den Entwurf von Aicher ZT nachzulesen:

„Besonders der sensible Umgang mit dem geschichtsträchtigen Ort überzeugte

das Komitee. Die Entmystifizierung des Obersalzberges sei ein wichtiger Aspekt des Wettbewerbes gewesen. (...) Der Entwurf sieht eine subtile, fließende Verbindung von Architektur und Landschaft vor. Die sichtbaren Außenwände sind monolithisch aus gestocktem Sichtbeton vorgesehen. Der Zuschlagstoff aus Untersberger Marmor schafft eine Verbindung zu den historischen Natursteinwänden, die das Gelände prägen. (…) Aufgrund des großen Besucherandranges und der dringend benötigten Räume für Forschung und Seminare soll die Ausstellungsfläche des Dokumentationszentrums von derzeit 300 Quadratmeter auf 1200 Quadratmeter erweitert werden.“

Der nun eröffnete Erweiterungsbau zeigt nach außen nur die Eingangsfassade mit den Sichtbetonscheiben, während sein Baukörper unterirdisch in den steilen Berghang des Obersalzbergs verlegt wurde.

Dafür schnitt man 18 Meter tief ins Gelände ein, schüttete das Erdreich hernach wieder auf und begrünte es. Das Interieur zeigt nun auf über 1000 Quadratmetern die neue multimediale Dauerausstellung „Idyll und Verbrechen“, konzipiert vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin. Diese thematisiert die Aspekte Verfolgung, Krieg und Massenmord, setzt sich kritisch mit der Historie des Orts auseinander und dekonstruiert die Propagandabildwelten: Der Obersalzberg war Hitlers Rückzugsort und zweiter Regierungssitz, hier hielt der Diktator Hof, schrieb den zweiten Teil von „Mein Kampf“, empfing Staatsgäste wie Benito „Il Duce“ Mussolini, Premierminister Chamberlain oder den Duke of Windsor nebst Gattin Wallis Simpson. Ein Viertel seiner Regierungszeit verbrachte Hitler hier in alpenländischer Kulisse. Parallel zur Dauerausstellung wird es Wechselausstellungen geben. Den Besucher empfängt ein großzügiger Eingangs- und Garderobenbereich, vom zentralen Foyer aus erschließen sich Ausstellungsflächen als

auch die historische Bunkeranlage, die schon zuvor (in Teilen) besichtigt werden

konnte. Der Gang durch die finsteren Gänge veranschaulicht Wahn und Wirken der NS-Schergen auf ganz unmittelbare Weise. Das bisherige, noch immer bestehende

Dokumentationsgebäude wurde zu einem Seminar- und Bildungszentrum mit Bibliothek umgebaut. Ursprünglich sollte das Projekt 2020 fertig werden, doch Probleme während der Ausführung bewirkten Mehrkosten und Verzögerungen, hinzu kamen die Lieferengpässe der Pandemie.

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