Franziska Horn

Autorin. Freie Journalistin, München

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Artikel

Das deutsch-schwedische Tandem

Ein skandinavischer Gestalter macht es vor: So fördert man weiblichen Design-Nachwuchs

von Franziska Horn 


Pragmatisch, kreativ, formschön:

Design aus den nordischen

Ländern zählt zum

besten der Welt. Der etablierte

Designer Alexander Lervik

aus Stockholm macht darüber hinaus mit

einem Mentorenprojekt auf sich aufmerksam,

das Schule machen wird.

„Plus1“, so der Name, will gezielt den

weiblichen Nachwuchs fördern und mit

renommierten Produzenten der Branche

vernetzen. Es war ein Vortrag im Rahmen

der Ausstellung „Female Traces” 2020 im

Möbeldesignmuseum Stockholm, der

Lervik nachdenklich stimmte. Der Vortrag

thematisierte diese Frage: Warum

gibt es so viele Studentinnen an Designschulen,

wenn am Ende nur wenige Frauen

als Profis in der Branche ankommen?

„Weil die Industrie noch immer von Männern

bestimmt wird“, so gab sich Lervik

eine Erklärung.

Ein Blick ins Museum zeigte: Unter

mehr als 300 präsentierten Designern

waren nur 60 Frauen, rund 20 Prozent

also. „76 Prozent der aktiven professionellen

Möbelgestalter sind Männer“,

heißt es im begleitenden Austellungstext.

„Diese Anteile haben mich überrascht.

Ich wusste nicht, dass es solch große Unterschiede

zwischen Männern und Frauen

gibt“, sagt Lervik. Und hatte eine Idee:

„Ich möchte meine Position als etablierter

Designer nutzen, um eine Absolventin zu

einer Kooperation einzuladen und ihr so

die Türen zu öffnen“. Alljährlich will sein

Projekt „Plus1“ eine Studentin im Tandem

in die Praxis begleiten, in Kooperation

mit jeweils wechselnden Herstellern

oder Auftraggebern.

Im Rahmen seiner Aufgabe als Prüfer

des renommierten Stockholmer Beckmans

College of Design bewertete Lervik

studentische Abschlussarbeiten. Eine davon

war ihm im Jahr 2019 besonders aufgefallen:

die deutsch-schwedische Jungdesignerin

Anna Herrmann, die zwei

Jahre an der Fachhochschule Aachen studierte,

bevor sie nach Stockholm wechselte.

Gedacht, getan: Lervik half, Herrmanns

Bachelorarbeit – die Wandleuchte

„Juno“ – vom Hersteller Noon produzieren

zu lassen. Und für den Möbelhersteller

Johanson aus Markaryd entwickelte

das Duo einen Polstersessel, der im September

2022 auf der Stockholm Design

Week präsentiert wurde.

Als erstes stechen die weichen Linien

und Rundungen des „Poodle Armchair“

ins Auge, die nicht zufällig an die Silhouette

eines frisch ondulierten Pudels erinnern.

„Auf der Suche nach einer Frisur für

meinen Hund bin ich im Internet auf das

Porträt eines Rassepudels gestoßen. Er

inspirierte mich zu diesem Modell“, erzählt

Anna Herrmann, Jahrgang 1994, die

auch schon Modelle für Labels wie Ikea

oder Gärsnäs gestaltete. Der originelle

Entwurf kommt an: „Der ,Poodle Armchair‘

ist ein Konzeptstuhl, der um einen

Stuhl erweitert wird, der Launch ist für

Februar 2023 geplant“, berichtet Herrmann.

Pressestimmen sagen: „Ein Modell,

das so selbstsicher wie wohldefiniert

und einladend daherkommt“. Wie es lief

mit dem deutsch-schwedischen Tandem?

„Das kooperierende Unternehmen stand

anfangs schnell fest. Alles andere war offen

während der Pandemie“, erzählt Herrmann,

die inzwischen ein eigenes Studio

in München gegründet hat (weitere Informationen

unter herrmann-anna.com).

„Ich bin analytisch an die Aufgabe herangegangen,

habe erste Skizzen entworfen,

diese haben wir später gemeinsam weiterentwickelt.

Die Zusammenarbeit mit Alexander

war von Anfang an auf Augenhöhe.

Später hat er sich dann immer mehr

aus dem Prozess herausgehalten, damit

ich eine Beziehung zum Unternehmen

aufbauen kann. Dort reagierte man anfangs

etwas verhalten, war aber später

wirklich überzeugt, es gab gutes Feedback!“

Bei allem versteht sich das Designtandem

nicht wie ein typisches Mentoren-

Mentee-Gespann. Es zeigte sich: Die

Konstellation ist eine Win-Win-Situation.

Lervik sagt: „Zusammenarbeiten wie

diese sind für beide Seiten inspirierend,

man verbessert sich durch den gegenseitigen

Einfluss. Es war spannend für mich,

mit jemandem aus einer anderen Generation

zu arbeiten, das hilft auch mir in meiner

Karriere.“ Bleibt zu wünschen, dass

das kreative Erfolgsduo viele Nachahmer

findet.



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