
Das Architektenteam rund um den Garberhof, von links: Lisa Flick, Florian Hugger, Alexandra Weippert und Thomas Rampp. Foto: Juli Eberle
Hütten und Hotels, Menschen und Marken – Florian Hugger vom Münchner Architektenbüro Lang Hugger Rampp denkt weit über urbane Baukunst hinaus
von Franziska Horn
Es geht darum, die Quintessenz
aus seinen Erfahrungen und
Leidenschaften zu ziehen und
zu entwickeln“, sagt Florian
Hugger. Zusammen mit Thomas
Rampp und Werner Lang führt Hugger
das 2006 gegründete gemeinsame Architekturbüro
mit Sitz in der Münchner Domagkstraße.
Eine von diesen Leidenschaften
ist das Zeichnen, damit erfasst,
interpretiert und porträtiert Hugger Landschaften,
Orte und Bauten.
Das Zeichnen als roter Faden zieht sich
durch Huggers Laufbahn. Geboren 1973 in
Garmisch, machte er sein 1999 Architektur-
Diplom an der TU München. Doch in der
Baukrise der folgenden Jahre sperrten ein
Drittel der bayerischen Architekten zu. „Es
gab einen Umbruch. Weil ich möglichst
angstfrei arbeiten und doch schöne Dinge
machen wollte, habe ich einerseits selbstständig
gearbeitet, parallel an der Technischen
Universität Müchen unterrichtet.“
Beruflich kristallisierte sich dabei ein
Schwerpunkt heraus: der Hang zum Bauen
am Hang.
Dazu kommt: „Wir haben im Laufe Jahre rund 30 Studentenexkursionen zum
Thema alpine Architektur durchgeführt.“
Derzeit beenden Lang Hugger Ramp ein
sehr besonderes Projekt: die Sanierung des
alten Schutzhauses Tschafon auf 1727 Meter
Höhe, das bei Tiers im Weltnaturerbe der
Dolomiten Südtirols liegt. Die von Familie
Lunger geführte Hütte eröffnet neu im Mai
2023. Wo es möglich war, blieb Altes erhalten:
Eine angejahrte Schindelfassade wurde
ins Innere verlegt, wo teils mit Kerzen beleuchtet
wird – auch weil es wenige Steckdosen
gibt. Der Region geschuldet, finden
sich im Interior lokale Materialien wie Loden
und Wolle – und einige Zeichnungen
von Hugger an der Hüttenwand. Die Zimmer
wurden saniert und neu konzipiert, das
Wesen des Orts erhalten. Natürlich kennt
Hugger das besondere Spannungsfeld und
die häufige Diskrepanz zwischen moderner
Architektur und dem Wunsch, alte Bauten
zu retten. Er sagt: „Wir sind für modernes
Bauen und verstehen uns nicht als Traditionalisten.
In diesem Sinne wollen wir aufräumen
und beruhigen. Berge sind ein Sehnsuchtsort“,
meint Hugger und erzählt vom
tradtionellen Leben der Wirtin Bernadette Lunger, die unzählige Essen am Holzherd
kochte. Am heimischen Bürostandort in
München arbeiten 35 bis 40 Mitarbeiter,
mit der eigenen Partneragentur „Ediund-
Sepp“ kommen noch einmal 20 Kollegen
hinzu. Ein Architekturbüro mit eigener Gestaltungsagentur?
Es begann in kleinen
Schritten: „Ich habe anfangs Visitenkarten
gesetzt, auch für Auftraggeber, um deren
Auftritt gedanklich weiterzuführen und zu
ergänzen.“ Heute entwickeln „EdiundSepp“
Marken und Konzepte an der Schnittstelle
zum Marketing, alles unter einem Dach,
oder besser: unter zwei, denn die Unternehmensbereiche
nehmen zwei benachbarte
Hallen ein. Eine Bürogemeinschaft, ein
open space, den Hugger und Rampp in Personalunion
für beide Sparten leiten. Dritter
im Bunde ist Werner Lang, Professor für
Nachhaltiges Bauen an der TU, der später
zum Büro hinzukam. Interessant ist: „Der
Aufschwung des Architektenbüros kam mit
der Agentur“, erzählt Hugger. So gelingt ein
durchdeklinierter Auftritt aus einem Guss,
mit Architektur und Interior-Design, Logo,
Branding, Communication – ein Beispiel ist
der Münchner Friseursalon Hutter Mayer
mit seinem metallisch-„goldblond“ schimmernden
Tresen.
„Auch das Corporate Design der TU
München haben wir entwickelt. Als Agentur
vermarkten wir uns aber nicht selbst. Und
konzentrieren uns vor allem auf digitale Bereiche.“
Ganz analog bleibt Hugger allerdings,
wenn er zeichnet, mit Stift und Papier.
Er unterrichtet Zeichnen als Dozent
und bringt zusammen mit Thomas Rampp
alle zehn Jahre ein Buch mit gesammelten
Skizzen heraus. „Zwei Zeichnen“ heißt das
Langzeitprojekt.
Es entspricht der Entwurfsmethode des
Architekten, sämtliche Skizzen zuerst per
Hand anzulegen. Der Grund klingt einleuchtend:
„Man hat einen anderen Duktus
im Handentwurf, denn die Hand macht nie
genau das, was man will. Dazu ist Papier
auch recht geduldig. Im zweiten Schritt
übersetzen wir den Entwurf ins Dreidimensionale,
das macht den Arbeitsprozess
schneller.“ Vom Zeichnen und grafischen
Entwerfen ist es nicht mehr
weit zur Signaletik, eine weitere Spezialisierung
des Büros. Der Begriff
steht für Wegführung und grafische
Beschilderung zur Orientierung im
Raum und ist neben der funktionellen
Komponente ein visueller Aspekt der
„Marke im Raum“. Zeichnen, Skizzieren,
Entwerfen – „ja, das ist mein
Lebensmotto: Ich habe einen wirklichen
Gestaltungsdrang, da bin ich
Triebtäter! Wir wollen gestalten und
entwerfen ausschließlich Räume oder
Orte, an die wir selbst gern hinfahren
möchten.“ Zum jüngst aufgefrischten
Garberhof in Mals im Vinschgau zum
Beispiel, ein weiteres ambitioniertes
Projekt im Portfolio. Vom Standort
des Vier-Sterne-Superior-Hotels
oberhalb von Glurns, Südtirol, schaut
man weit ins Münstertal hinein. Büropartner
Thomas Rampp kennt diesen
Blick genau, er fuhr schon als
Kind auf den Garberhof in die Sommerfrische.
Der Kontakt zur Hotelbesitzerfamilie
Pobitzer blieb über die
Jahre. Im Rahmen der Renovierung
blieb der alte Bestand des Hofs erhalten.
Die Fassade wurde komplett
überarbeitet, ein Außen-und Innenpool
zugefügt, zwei Chalets gebaut, 17 Suiten
und Zimmer bekamen ein Makeover. Das
Ergebnis? Erscheint als Symphonie aus Glas
und Holz, hell, licht und klar, außen wie innen
gehalten in einer Palette sanfter Naturtöne.
Somit scheint der neue alte Garberhof
ganz aktuellen Trends zu entsprechen. Doch
wer genauer hinschaut, sieht: Der Trend zur
Naturnähe steht für ein sehr altes Prinzip. Die
Natur – man könnte sie als eines der Fundamente
bezeichnen, auf die Hugger baut. Denn
vom Geburtsort Garmisch ging die Familie für
einige Jahre hoch in den Norden. In ein Land,
das Synonym für hervorragendes Design und
unverfälschte Natur gleichzeitig ist: Finnland.
Von der zweiten bis zur sechsten Klasse besuchte
Hugger in Helsinki die Schule, lernte
Langlaufen und Lappland kennen, bestaunte
Sakralbauten und Mökki-Hütten, Ebenen
und Einfachheit. Er wollte ungern wieder
weg. „Der Naturbezug und die Erdung wirken
bis heute auf die Formensprache meiner Arbeit“,
sagt er. „Klarheit, Einfachheit, Stille und
Merkmalsarmut empfinde ich als wesentlich.
Auch das nordische Maßhalten, als Ethikfrage
in Bezug auf Materialien betrachtet, ist tief in
meine Gestaltung eingeflossen.“ Ressourcenschonend
und funktionell: Auch „Das Lacanto“,
die Mensa der TUM in Weihenstephan,
erscheint als artverwandte Komposition aus
Holz und Glas. Was Hugger als USP seines
Büros sieht, als Alleinstellungsmerkmal?
„Wenn es schwierig und komplex wird, das ist
unser Ding“, kontert der Architekt und verweist
auf sein Faible fürs Tüfteln. Raffiniert
einfach, zugleich hochkomplex, so kommt
auch der 2020 fertiggestellte Arnulfsteg daher:
Die filigran gespannte Fußgänger- und
Fahrradbrücke nahe des Münchner Hauptbahnhofs
erstreckt sich 240 Meter weit über
37 Gleise. Pate standen hier venezianische
Brücken. Denn neben nordischen Weiten ist
die „Serenissima“ die zweite große Inspirationsquelle
des Architekten.
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