Thaiboxen im Dschungel oder Schwimmtraining vom Profi: Das Sporthotel Thanyapura auf Phuket ist ein Retreat für Athleten und Amateure abseits der thailändischen Touristenströme. Hier erreicht man die Form seines Lebens.
(von Franziska Horn, 05.01.2023)
Los, schlag zu! Fester! Jetzt ein Kick mit dem Knie! Höher! Noch fünfmal", ruft „A" in den Boxring, „eine rechte Gerade!" Trotz Jetlag geben die fünf deutschen Frauen alles. Mit bandagierten Handgelenken und wattierten Boxhandschuhen hauen sie sich den elfstündigen Flug von Frankfurt nach Phuket regelrecht aus den steifen Gelenken. Die Rolle des Boxsacks übernimmt Trainer Vorapong Sriphet und gibt eine mobile Zielscheibe ab. Weil sein Name noch schwieriger auszusprechen ist als das koordinierte Losprügeln, nennt er sich „A" . Barfuß steht er im Ring, federt und fängt elegant die Hiebe seiner Eleven ab.
Doch einfach draufhauen, damit ist es nicht getan bei der uralten Kampfkunst Muay Thai. Thaiboxen ist Nationalsport und lebt von Technik und Konzentration, von Koordination, Körperspannung und Schnelligkeit. Von Fähigkeiten also, die man, ermattet vom Langstreckenflug, nicht parat hat. Trotzdem wirken die Bewegungsabläufe, das Anstrengen in der dreißig Grad heißen und tropisch feuchten Luft befreiend, fast wie eine Katharsis, und, ja, das Schwitzen, es soll ein Leitmotiv werden bei diesem asiatischen Retreat im Thanyapura Resort. „Kickboxen ist ein guter Sport für Frauen", sagt A. „Es funktioniert über Balance, Rhythmus und Choreographie, weniger über Kraft." Deswegen schließen sich hier in Thailand und auch in Deutschland immer mehr Frauen dem Sport an. Nach einer Stunde kämpfen, kicken, kloppen leuchten die hochroten Köpfe der Boxschülerinnen im reizvollen Kontrast zum Grün des Dschungels auf den nahen Nationalparkshügeln.
Die Welt, in der es alles gibt
Später durchdringen die letzten Sonnenstrahlen die hochgetürmten Monsunwolken über dem Dschungel. Beim abendlichen Barbecue im Freien zucken die Blitze und ergeben ein grandioses Lichttheater, Fledermäuse schwirren über den Köpfen, bevor ein mächtiges Gewitter ausbricht und in schweren Monsunregen übergeht. Es gießt und schüttet und donnert. Als es nachlässt, heben die Frösche im Teich des Garden Wings mit den schicken Hotelsuiten zu ihrem steten Dauerton an, die weißen Frangipaniblüten verströmen einen intensiven Duft.
Das Thanyapura Health and Sports Resort in Phuket zählt zu den ambitioniertesten Sporthotels Asiens. Profisportler aus 63 Nationen kommen meist im Winter hierher, um sich für die Olympischen Spiele oder andere Wettbewerbe fit zu machen, Amateure profitieren von diesem Know-how und erhalten ein persönlich abgestimmtes Ernährungs-, Trainings- und Mentalprogramm. Zu den gefragtesten Disziplinen gehören Schwimmen, Triathlon, Tennis, Rennrad, Fußball, Wellness, Yoga und natürlich der Kampfsport Muay Thai. Der Heimvorteil: Groß aufwärmen muss man sich hier vor dem Trainieren nicht, denn mit beständigen Temperaturen um die dreißig Grad Celsius ist es ohnehin immer warm.
Herzstück ist das Schwimmbecken
Thanyapura, das bedeutet in Thaisprache: die Welt, in der es alles gibt. Läufern bietet sie eine 500-Meter-Tartanbahn und Strecken im nahen Nationalpark, Ballsportlern einen Rugby- und Footballplatz, Yoga- und Fitnessfans finden Übungsklassen für alle Könnerstufen. Das Herzstück aber ist das azurblau leuchtende Olympia-Schwimmbecken unter turmhohen Palmen, einziges FINA-Becken Südostasiens, statt Chlor wird geruchloses Ozon eingesetzt. Ein 25-Meter-Trainingspool flankiert das größere Becken. Vor den Startblöcken wartet schon Schwimmtrainerin Grace Zhang, 32 Jahre alt. Grace stammt aus Singapur, hat zwei Kinder und arbeitet auch gern mit ihnen. „Als ich klein war, hatte ich große Angst vor dem Wasser. Aber ich konnte sie überwinden und bin später als Studentin drei Jahre lang nationale Rennen geschwommen im offenen Meer.“ Dann lässt Grace die Schüler vorschwimmen, Brust und auch das vermaledeite Kraulen, gibt praktische Ratschläge zum Atmen und zur Lage, zu Gleitphase und Technik. Und siehe da – auf einmal klappt es mit dem Kraulen.
„Die young as late as possible“ – mit diesem Zitat des Humanisten und Anthropologen Ashley Montagu umschreibt das Resort seine Philosophie und empfiehlt außerdem via Website: „Optimise your life!“ Auch wenn solche Slogans der Instagram-Sprüchekiste entnommen zu sein scheinen, hier im Hause ist das wörtlich gemeint: Zum Verjüngen und Generalüberholen stehen rund achtzig wöchentliche Fitnesskurse zur Wahl, und neben einer eigenen medizinischen Abteilung gehören Mentaltraining, Detox, Yoga und Pilates, Massagen und Meditieren zum Programm. Seit 2014 hat der deutsche Hotelmanager Philip Graf von Hardenberg das Retreat nach einem ganzheitlichen Ansatz geformt, nachdem er zuvor Steven Spielbergs Shoah Foundation in Deutschland aufbaute und die Marke Ritz Carlton im Luxussektor platzierte.
Den Lebensstil langfristig ändern
„Eine Woche bis zehn Tage sollte man sich für einen Aufenthalt schon Zeit nehmen, zum Ankommen, Akklimatisieren und Runterkommen. Auch Konsequenz ist nötig, wenn man sein Ziel erreichen und Erfolge sehen will“, sagt Graf Hardenberg. Seit er eine Krebserkrankung überwand, achtet er noch mehr auf das Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele. „An Anti-Aging glaube ich nicht. Aber an einen gesunden Lebensstil“, sagt er, und es klingt geerdet. „Meditieren hilft, sich Einflüssen von außen zu entziehen, man sollte es früh in der Schule lernen“, sagt Hardenberg, der dreimal die Woche Yoga macht und täglich vierzig Minuten am nahen Strand von Layan straff spazieren geht. „Allein, ohne an etwas zu denken, das ist meine Meditation.“
Wie viel persönliches Engagement tatsächlich hinter Hardenbergs Worten steht, zeigt ein Herzensprojekt, das er zwei Autostunden nördlich bei Kapong mitten im Dschungel realisierte: Nach dem verheerenden Tsunami 2004 initiierte er nicht nur ein Internat, das Waisenkinder auffangen sollte, sondern baute gleich ein ganzes Dorf. Bis heute werden in Yaowawit rund 140 Kinder zwischen vier und achtzehn Jahren mit einem international gültigen schulischen Standard und praktischer Ausbildung auf eine berufliche Karriere und aufs Leben vorbereitet. „Allein das Leben eines einzelnen Menschen zu ändern bewirkt über die Jahre sehr viel“, sagt der Unternehmer, Jahrgang 1958. Er weiß, dass Bildung den Kreislauf der Armut unterbrechen kann.
Übernachtungsgäste sind in der angeschlossenen Lodge von Yaowawit ebenso willkommen wie Sponsoren für die Kinder. „Eine Patenschaft kostet fünfzig Euro pro Monat, die tatsächlichen Kosten pro Kind liegen bei 150 Euro“, sagt Hardenberg, der mit seiner Frau Juliane selbst ein Mädchen aus Yaowawit adoptierte und mit den eigenen Kindern aufzog. Sieht sich Hardenberg als Idealist? „Ich bin Realist“, sagt er. Trotzdem wünscht er sich für die sportinteressierten Gäste, dass die mehr oder weniger bewegungsintensive Auszeit im Thanyapura den Lebensstil langfristig zu ändern vermag. Weil das nur geht, wenn der Kopf mitmacht, stützen Ayurveda-Behandlungen und persönliche Ernährungsberatung das Programm. Letzteres sieht dann so aus: Mann oder Frau stellt sich auf eine Körperanalysewaage mit Elektrodenmessung, die durch Signale die prozentualen Anteile von Wasser, Muskeln oder Fett feststellt.
Spannend wird der Körpercheck, wenn eine Ernährungsberaterin die Zahlenreihen liest. „Den Grundumsatz kann keine Maschine errechnen“, sagt sie. „Dazu gehören Hormonpegel, Blutwerte“, sagt sie. Morgane Quinchon aus Paris ist so eine Beraterin, der man manch unliebsame Wahrheit glatt abkauft. Weil sie die andere Seite kennt: „Als Teenager hatte ich Übergewicht, ging zu einer guten Ärztin, lernte Achtsamkeit, folgte ihrem Plan und verlor zehn Kilo in einem Jahr allein durch das Verstehen meines Körpers.“ Weil sie dem Vorbild folgen wollte, ließ sie sich medizinisch ausbilden. Aber warum muss man zum Abnehmen nach Asien fliegen? „Weil man hier wirklich weit weg ist von zu Hause, sich in einer Art Blase auf sich selbst konzentrieren kann, und das in einem Retreat mit Urlaubsflair, nicht in einem Sanatorium.“
Knallharte Massagetechniken
Dazu passt auch die asiatische Lebensweise, statt drei Hauptmahlzeiten lieber fünfmal am Tag etwas Kleines zu essen. Darauf ist die Ernährung in den eigenen Restaurants DiLite und im veganen DiVine abgestimmt. Schon zum Frühstück gibt es leichte Dinge wie Bananenblütensalat, Obst, Sojamilch, Reisbrei mit Shrimps und Yum Woon Seen, Glasnudelsalat. Zum Dinner locken Vorspeisen wie Somosa, Suppen oder Salate, indische Currys, frische Meeresfrüchte wie Tintenfisch am Spieß oder Fisch im Bananenblatt. „Aktuell ist eine Kochschule in Planung“, erzählt Morgane, denn wer selbst kocht, überschaut, was er isst. Da ist eine wirklich feine Suppe wie eine Tom Kha Gai keine Zauberei, wie ein Blick über die Schultern der lächelnden Köchinnen in der Hotelküche zeigt.
Dass hinter dem berühmten Lächeln der Thailänder aber auch knallharte Massagetechniken stecken können, offenbart die „Thanyapura Signature Massage“ mit einem Besuch bei Masseuse Tuk. Frei nach dem Motto „Wer entspannt sein will, muss leiden“ knetet und walkt sich die freundliche Tuk durch sämtliche Fett- und Muskelpartien, legt heiße Tücher auf, dehnt und streckt und fährt in langen Bahnen links und rechts der Wirbelsäule entlang.
Gelöst erscheint der Fitnessgast dann zum Mindtraining bei Pierre Gagnon. Pierre war Ökonom, lebte dann im Buddhistenkloster und stammt aus Québec. Er sitzt gelassen auf dem Boden. „Was alle verbindet hier, Profiathleten oder Touristen, sie wollen etwas verändern. Doch passieren die Dinge – oder machen wir sie? Meditation soll das Leben einfacher machen. Es geht ums Wenigermachen, nicht um mehr. Wenn wir glauben, dass es die anderen sind, die Entscheidungen treffen, wird es schwer. Denn wir tun die Dinge!“, sagt er. Dann spricht Pierre über Konflikte, den Kampf mit dem Unbewussten. „Meditieren bringt einen an die Basis des Bewusstseins, deswegen ist es so mächtig. Es ist gut, es täglich rund dreißig Minuten zu integrieren. Wenn du nicht magst, was du tust, lebst du ein ständiges Drama. Für Athleten heißt das, manchmal auch den Schmerz als Teil des Sports zu akzeptieren.“
Beim Yoga passiert es
Ob das auch für Tuks hingebungsvolle Schmerzmassage gilt? Schon ertappt man sich beim gedanklichen Abschweifen. „Finde das Zentrum des Unwohlseins in deinem Hirn“, sagt Pierre in die Stille und: „Man muss eine Erfahrung machen, sie nicht meiden.“Damit sich die neu gewonnene Bedächtigkeit setzt, absolviert man am besten gleich noch eine Yogastunde bei Trainerin Pascha aus Bangkok. „Yoga macht mich zu der, die ich bin“, sagt Pascha. Mit schlichten, aber wirksamen Übungen bringt sie ihre Schülerinnen auf Touren. Ihre deutsche Kollegin Katharina „Kathi“ Schlangenotto übernimmt die Yogastunde am folgenden Tag. Und dann passiert es: Allein Kathis Atemtechniken machen so müde und tiefenentspannt, dass jene Grundhektik, die Großstadtmenschen in sich tragen, verschwindet.
Da bleibt nur noch: Gähnen, bis die Augen tränen und man beinahe mitten in der Stunde einnickt. Coach Kathi macht Hands-on-Unterricht und kennt den Effekt: „Der Parasympathikus ist fürs Entspannen zuständig und lässt sich durch längeres Ausatmen im Verhältnis vier zu sechs aktivieren. Das ist Biologie. Man kann sich allein durch Atmen in andere Bewusstseinsebenen bringen.“ Mit ihrem Mix aus Hatha und Vinyasa Yoga erzielt sie eine so gründliche Wirkung wie sonst nur eine sechsstündige Bergwanderung. Atmen. Ein. Dann aus. Und ein. Manchmal muss man eine weite Reise machen, um scheinbar einfache Dinge zu lernen.
Informationen: Anreise mit Thai Airways, Hin- und Rückflüge gibt es je nach Reisezeit ab 600 Euro. Von Phuket aus benötigt das Taxi 20 Minuten zum Sporthotel Thanyapura, das im Khao Phra Thaeo Nationalpark liegt. Eine Woche im Doppelzimmer de luxe mit Frühstück, Zugang zu allen Sporteinrichtungen und bis zu 80 wöchentlichen Sportkursen kostet ab 567 Euro pro Person, im Einzelzimmer 1043 Euro (www.thanyapura.com).
Zum Original