Franziska Horn

Autorin. Freie Journalistin, München

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Artikel

Der Undercover-Stylist

Beim Schlafen an den Wolken kratzen im „One Wall Street“.

VIP-Villen, Appartements, Boote und noch mehr: Innenarchitekt Cyril Vergniol übernimmt Spezialaufträge im Dienste einer illustren Klientel. 

Von Franziska Horn

Es ist ein Bauprojekt, von dem zurzeit ganz Manhattan spricht: Die Umwandlung des Art-déco-Scyscrapers "One Wall Street“ (OWS) von1931 gilt als größte Office-to-Condo-Konvertierung der Stadtgeschichte. Das heißt: Wo früher die Köpfe von Bankern der Irving Trust Company über Aktienkursen rauchten, logieren heute Weltbürger mit hohen Ansprüchen an Ambiente, Komfort und Lage - und mit dem nötigen Kleingeld dafür. 

Die kleinste Einheit der 566 Eigentumswohnungen ist ab rund 1,6 Mio Dollar zu haben, für die teuerste – ein Penthouse in der 54. Etage – muss man etwa 60 Millionen hinlegen. Dazwischen eröffnen Appartements wechselnder Größen verschiedene Ausblicke: zur Freiheitsstatue oder in den Seaport District, zum Hudson River oder bis nach Long Island. Um den Verkauf der illustren Appartements anzukurbeln, ließ Bauunternehmer und Real-Estate-Developer Harry Macklowe, ambitionierter Gegenspieler von Donald Trump, einige Wohnungen als Designertraum einrichten. Hinter solchen „Beispielwohnungen“ steht eine eigene Zunft: das Homestaging. Vollmöblierte und durchkomponierte Wohnlandschaften, die manch fantasielos-überbeschäftigtem Kaufinteressenten den Standort schmackhaft machen sollen. Garniervorschläge also, Köder, Appetizer, Lockmittel oder – wie in diesem Fall – eine Komplettlösung, die auf Wunsch mitsamt Inventar zu erwerben ist. Im Türspalt eines dieser Designerappartements steht Cyril Vergniol, Chef des Innenarchitekturbüros Stylagos aus Paris. Dunkles Shirt, dunkle Hose – Vergniol wirkt auf den ersten Blick eher unprätentiös. Gerade noch hat er am Arrangement einiger Deko-Objekte gefeilt, nun führt er die Besucher in den gediegenen, nach Farbe riechenden Wohnbereich. Ein langgezogenes Sofa fungiert mittig als Sitzgelegenheit, Raumteiler und Buchablage, niedrige Sessel in Cremeweiß verströmen Mid-Century-Flair. Von ihnen aus blickt man auf die offen gestaltete Miele-Küche mit dem imposanten Arbeitsblock. Vergniol sagt: „Ja, eigentlich liegt es in der Natur des Homestaging, verschiedene Geschmacksrichtungen zu vereinen oder zu bedienen. Doch im Grunde mache ich in meiner Arbeit das Gegenteil. Ich versuche, einen starken Ausdruck zu schaffen, ob er nun positiv oder negativ empfunden wird. Statt es jedem recht zu machen und am Ende einen Ort zu haben, der diesen seelenlosen internationalen Hotels ähnelt.“ Dann also lieber stilistisch die Kante zeigen, als Gestalter und Heimausstatter?

Dass Vergniol mit seiner Strategie gut fährt, beweisen zahlreiche Auftragsarbeiten auf fast allen Kontinenten. Zu den wichtigsten Eigenschaften zählt in seinem Job – neben

Stilgefühl, natürlich – ein gerüttelt Maß an Diskretion: Namen, Kunden oder Auftraggeber nennt Vergniol nicht. Nur das verrät er über sich: Aufgewachsen an der Elfenbeinküste in Westafrika, ging er später in Frankreich aufs Internat und machte einen Abschluss an einer Business-School. „Mein Metier habe ich dann als Partner von Alberto Pinto gelernt, der damals eines der wichtigsten Interior-Design-Studios Frankreichs führte. Nach 15 Jahren Zusammenarbeit habe ich 2004 meine Anteile an die Pinto-Familie verkauft, um meine eigene Agentur namens Stylagos in Paris aufzubauen, nur ein paar Schritte vom Élysée-Palast entfernt. Mein erstes Projekt war ein Haus in Seoul, Korea, in Hannam Dong. Danach arbeitete ich an Objekten in Asien, in der Türkei, in den Vereinigten Staaten und auch in Europa.“ Zehn Mitarbeiter hat Stylagos heute, drei weitere inAthen, Griechenland. „Wir haben uns auf private Highend-Residenzen spezialisiert und auch einige Hotels gestaltet, zum Beispiel das Hotel Crillon in Paris, einige Restaurants und auch Boote unserer Klienten. All das natürlich mit hoher Diskretion und Respekt vor der Privatsphäre, man will nicht öffentlich dargestellt werden. Im Internetzeitalter ist Diskretion eine selten gewordene Besonderheit für eine Agentur. Nur im Rahmen von One Wall Street oder öffentlichen Objekten wie Hotels zeigen wir Ausschnitte unserer Arbeit."

Reden wir a den Kern des Tuns. Was den Stil von Stylagos ausmacht? (....) 

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