Franziska Horn

Autorin. Freie Journalistin, München

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Artikel

MANHATTANS METAMORPHOSEN

Der Umbau des Art-Déco-Towers „One Wall Street“ im Financial District gilt
 als größte Office-to-Condo-Konvertierung der Stadtgeschichte

Er zählt zu den bekanntesten Real-Estate-Entwicklern von New York und ist schon seit den 1960er Jahren aktiv: Bis Ende 2022 will Immobilienmagnat Harry Macklowe, Jahrgang 1937, mit seinem Unternehmen Macklowe Proporties ein richtungsweisendes Projekt in Lower Manhattan fertigstellen. Der Name des Objekts: „One Wall Street“ (OWS), benannt nach seiner Adresse am Beginn der Wall Street im Herzen des Financial Districts. Das Objekt, das einen gesamten Block einnimmt, ist aus mehreren Gründen beachtlich: Es gilt als größtes Office-to-Condo-Projekt („condo“ bedeutet Eigentumswohnung) in der Geschichte New Yorks – ein Rekord also. Gleichzeitig steht es symbolisch für eine ganze Reihe vergleichbarer Projekte, deren kommerzielle Nutzflächen derzeit in Wohnraum umgewandelt werden. „Die New Yorker holen sich ihre Stadt zurück“, heißt es im Big Apple. Eine Entwicklung, die mit den Anschlägen an 9/11 begann und durch die Finanzkrise 2008 noch verstärkt wurde. Seitdem ziehen sich immer mehr Banken, Büros und Firmen aus FiDi, dem Financial District, zurück – gegenläufig also zum Mega-Trend der letzten Dekaden, welcher die inneren City-Lagen der Welt mit Gewerbeflächen überschwemmte und diese sukzessive einander anglich, mit den immer selben globalisierten Marken und Labels. Austauschbar. Wer mit Insidern wie dem New Yorker Architekturhistoriker Tom Mellins durch die Schluchten von Manhattan

zieht, erfährt: In der hochkonzentrierten Skyscraper-City ist es generell einfacher, ein Gebäude abzureißen und neu hochzuziehen, als es aufwändig zu sanieren. Und weil Bauflächen hier per se Mangelware sind, wurden und werden viele Grundstücke

mehrfach bebaut. Das gilt auch für One Wall Street, das auf drei Vorgängerimmobilien am selben Standort zurückschaut. Doch anders als viele seiner Nachbarn steht der 1931 von Ralph T. Walker erbaute Art-Déco- Tower seit 2001 unter Denkmalschutz – ein Glücksfall: Er gilt als „Landmark“, als Wahrzeichen also. Walker selbst war von der New York Times als „Architekt des Jahrhunderts“ bezeichnet worden. Er lebte von 1889 bis 1973 und errichtete in New York vergleichbare Art-Déco-Bauten wie das Verizon Building oder das Western Union Building. Frank Lloyd Wright, Amerikas wohl berühmtester Architekt, sagte einmal über Ralph T. Walker: „The only other honest architect in America.“ Von 1928 bis 1931, drei Jahre Bauzeit also, benötigte Walker für das ursprünglich für die Irving Trust Company geplante Gebäude, das heute unter „One Wall Street“ firmiert. 50 Etagen nahm der 199 Meter hohe Art-Déco-Tower ein. In den 1960er-Jahren wurde ein stilistisch passender, 28-stöckiger Annex an der Südseite des Turms angefügt. Markant ist vor allem die Materialität des Bau-Komplexes mit seiner massiven Fassade aus Kalkstein, die sich gemäß der „1916 Zoning Resolution“ nach oben hin verjüngt: Diese Stadtbauverordnung verlangte, dass sich Hochhausbauten mit steigender Zahl der Stockwerke mittels diverser „setbacks“ sozusagen verdünnisieren. „Wedding-Cake-Style“, dem Aufbau einer Hochzeitstorte gleich, nennt Tom Mellins diesen Bautyp mit seinen Rückstufungen. Die Resolution verstand sich als direkte Antwort auf das kurz zuvor fertig gestellte, monumental-klotzige Equitable Building am Broadway, das so breite Schatten warf, dass es die Straßen verdunkelte. Drum also jene Resolution, die verlangte, dass künftig Luft und Sonnenstrahlen bis auf den Boden der Häuserschluchten reichten. Nach genau diesen Vorgaben wurde übrigens auch das Empire State Building (1931) und das Chrysler Building (1930) mit den für diese Zeit so typischen Rückstufungen in der Fassade erbaut. Trotzdem stand das weit weniger um Aufmerksamkeit heischende Irving Trust Building – OWS also – lange im sinnbildlichen Schatten seiner berühmten Zeitgenossen und fand erst spät seine architektonische Anerkennung. Der von Walker verwendete Kalkstein galt in den 1930er-Jahren im Vergleich zum damals üblichen Ziegelstein übrigens als recht teuer. Eine Preziose ist ebenso der zehn Meter hohe „Red Room“ im Eingangsbereich des Wolkenkratzers: ein Farb-Flash in Form eines rot-goldenen Mosaiks in 3-D. Seit Macklowes aufwendiger, eine Million Dollar teuren Renovierung ist er nun wieder der Öffentlichkeit zugänglich. Harry Macklowe hatte den inzwischen in BNY Mellon Building umbenannten Bau im Jahr 2014 für 585 Millionen erstanden, mit Hilfe eines Kredits der Deutschen Bank in Höhe von 750 Millionen Euro. 2018 begann seine Firma

Macklowe Properties mit Umbau und Renovierung und beauftragte SLCE Architects

damit. Dabei ließ Bauherr Harry Macklowe, persönlich in sämtliche Bauphasen sowie in gestalterische Details involviert, das Nebengebäude auf 36 Stockwerke erhöhen,

womit es von 119 Metern auf 151 Meter anwuchs, zudem fügte er 16.200 Quadratmeter

Gewerbeflächen am Fuß des Gebäudes an. Insgesamt 566 Wohneinheiten entstanden im Rahmen des Umbaus, 47 davon verfügen über private Terrassen, die eben jenen berühmten Rückstufungen geschuldet sind. 304 der Wohnungen sind als Studios angelegt, also multifunktionelle Ein-Raum- Wohnungen, dazu kommen One-Bedroom  .... (....) 

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