Der Bühnenbildner und Künstler Philipp Fürhofer lebt nach einer Herztransplantation nur noch für das, was ihm wichtig ist. Ein Interview
Philipp Fürhofer ist erfolgreicher Bühnenbildner und Bildender Künstler. Der 1982 in Augsburg geborene Künstler hat Werke für zahlreiche internationale Ausstellungen und Bühnen geschaffen. Während seines Studiums erkrankte er lebensgefährlich am Herzen – ein Gespräch über Gott, die Welt und das Universum.
Herr Fürhofer, Sie mussten sich mit 24 Jahren einer achtstündigen Herz- Teiltransplantation unterziehen. War Ihnen der Herzfehler zuvor bekannt oder traf es Sie unvorbereitet?
Philipp Fürhofer: Ich wusste meine ersten 22 Jahre nichts von dem Defekt, der bei einem regulären Check entdeckt wurde. Was zunächst noch unter Kontrolle schien, hat sich dann doch rasch verschlimmert. Ich sagte mir: Wenn ich das hier u?berlebe, werde ich mich nur noch mit dem beschäftigen, was mir wirklich wichtig ist. Das Leben kann viel zu kurz sein für Kompromisse.
Und was ist Ihnen wirklich wichtig?
Es sind die drei immer gleichen Grundfragen, bis heute: Wie geht es meinem Körper? Was tue ich, womit will ich mich wirklich beschäftigen? Und wen liebe ich, wer ist mir nah? Mitten im Kunststudium mit all den typischen Sinnkrisen habe mir dann selbst versprochen: Ich werde Künstler, ganz egal, was die anderen sagen.
Das klingt sehr bodenständig für einen so jungen Menschen.
Wenn man mit dem Unausweichlichen seiner Sterblichkeit konfrontiert wird, lernt man zu unterscheiden. Man bekommt eine Übersicht darüber, wie fatal sich ein Leben ändern kann. Aber ich schwebe nicht als Erlöster durch die Welt. Nach der völligen Genesung begann mein Körper das im Krankenhaus Erlebte rasch zu verdrängen. Der Kopf wollte schnell wieder zurück ins Atelier. Ein ganz natürlicher Prozess. Ich bin nicht vorsichtiger geworden, aber bewusster. Ich will im Leben schöpfen und schöpferisch arbeiten.
Als Künstler verarbeiten Sie diese frühe existenzielle Erfahrung unter anderem in hochformatigen ,Leuchtkästen‘ aus Acrylglas und arrangieren Schläuche und Kabel darin – eine Reminiszenz an die Zeit im Krankenbett?
Eine Inspiration für diese verkabelten Lichtobjekte war sicherlich die Technik des Röntgenbildkastens. Mich faszinierten aber immer auch andere Aspekte daran, etwa das Bühnenhafte dieser beleuchteten Innenwelten. Die Durchlässigkeit meines Lebens und Abhängigkeit von technischen Apparaturen, Schläuchen und Kabeln, die uns teilweise ersetzen, wurden mein Thema. Es geht nicht ums Privatistische, sondern eher ums Generelle. Ein Zustand von uns allen, die wir heute in gewisser Weise Avatare werden, Beteiligte an künstlichen Prozessen und Kreisläufen.
In der Kunst haben Sie dann also einen persönlichen sowie beruflichen Ausdruck gefunden...
Schon früher, aber über das Medizinische habe ich erst über zehn Jahre später explizit gesprochen, als ich dafür endlich eine adäquate Form der thematisch sichtbaren Umsetzung gefunden hatte. Ausschlaggebend war auch der kanadische Kurator Thierry-Maxime Loriot, für den ich zwei Ausstellungsräume für „Couturissime“, eine Schau über den französischen Designer Thierry Mugler entwarf. Thierry-Maxime ist der Herausgeber meiner Monografie „(Dis) Illusions“, die 2020 erschien und für die er die Einführung schrieb. Auch er hatte früher eine schwere Herzerkrankung und ich erzählte ihm, wie wichtig der leider erst kürzlich verstorbene französische Philosoph Jean-Luc Nancy damals für mich war, der seine Herztransplantation in einem Essay „Der Eindringling“ („L‘Intrus“) aufarbeitete. Er beschreibt darin seine Erfahrungen, wenn ein fremdes Organ das eigene kranke Herz ersetzt, aber auch, wie es sozusagen in Kopf und Denken eindringt. Dieser Text war sehr inspirierend für mich. Am Ende hat Thierry-Maxime ihn einfach kontaktiert und Nancy schrieb schließlich das Vorwort für unser Buch. Das hat mich sehr berührt.
Da schließt sich der Kreis. Wann haben Sie angefangen, sich mit Kunst zu beschäftigen?
Schon als Kind. Die „Augsburger Puppenkiste“ war meine erste Theatererfahrung. Mit meinen Eltern besuchte ich häufig die Hypo-Kunsthalle München, ich sah zum ersten Mal Ausstellungen von Munch, Bonnard oder Corinth im Haus der Kunst. Meine solide Klavierausbildung im Benediktinergymnasium in Augsburg nützt mir bis heute in der Beschäftigung mit Opern. Etwa diesen Sommer in Bayreuth, wo ich quasi ohne Probenzeit allein an der Partitur meine eigene Bühneninstallation aus wechselnden Lichtzuständen passend zur fünfstündigen Musik von „Parsifal“ abstimmen musste. Das Religiöse war auch ästhetisch prägend für mich, die sinnlich-barocke Üppigkeit katholischer Kirchen oder deren Kirchenfenster.
Apropos Kirche: Bezeichnen Sie sich als gläubig? Nicht im Sinne einer Kirche, aber die Kunst ist spirituell. Im Unterschied zur Kirche gibt es da aber keinen Erklärer, es bleibt mehr Raum für eigene Gedanken. Etwa bei einer Bach-Fuge kann doch eh jeder alleine hören, wie es nach oben drängt ins Universelle.
In Ihren großflächigen bildlichen Kompositionen, die demnächst in der Galerie Judin in Berlin oder im Frankfurter Städel zu sehen sind, verbinden Sie auf überraschende Art Motive aus der Natur mit technischen Elementen.
Mich interessiert die Brüchigkeit unserer Zeit, die Endlichkeit des Körpers genauso wie ganzer ökologischen Systeme, verdrängt vom Glauben an ewiges Wachstum, alterslose Jugend und digitale Unsterblichkeit. Ich versuche in diesem unlösbaren Spannungsfeld durch die Malerei einen Weg zu finden, der ist nicht planbar, aber überraschend. Vielleicht eine ähnliche Art Kreativität wie in der wissenschaftlichen Forschung, vielleicht unsere einzige Chance. Statt uns immer weiter zu entkoppeln sollten wieder mehr verbunden sein. Mit der Natur. Oder mit uns selbst.
Auch das Herz spielt eine wiederkehrende Rolle in Ihren Werken.
Autobiographisches ist ein Schlüssel von vielen zur Kunst, für Künstler wie Betrachter. Ein Werk muss aber auch ohne diesen Kontext wirken können. Jeder hat schließlich ein Herz, ein baugleiches Organ, das im Röntgenbild nichts mehr über Geschlecht oder Herkunft preisgibt und uns alle auf die reine Biologie zurückwirft. Das Bild bleibt gleichermaßen konkret wie offen.
Herr Fürhofer, vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Franziska Horn
Info: www.philippfuerhofer.de/