Wie klingt die Schreibmaschine Valentine von 1968? Wie ein Wecker von Max Bill? Dank einer App und einer Ausstellung in München kann man Originalgeräusche von Designobjekten nachhören.
TEXT • FRANZISKA HORN
Es ist eine o(h)riginelle Idee – und doch so naheliegend: Zum statischen Schaustück verdammt, dümpeln Exponate in den weltweiten Designsammlungen stumm vor sich hin. Wie aber tönt ein Siemens-Tischtelefon mit Kurbelinduktor aus dem Jahr 1900, wie ein VW Käfer von Designer Ferdinand Porsche von 1936 – im Gegensatz zu einem Tatra von 1937, designt von Hans Lewinka? Wie klingt ein Dyson-Staubsauger, wie die berühmte Schreibmaschine Valentine von Sottsass aus dem Jahr 1968? Wie ratterten, rasselten und klackerten die elektrischen oder mechanischen Geräte der Wirtschaftswunderjahre, wie prägten sie phonetisch das Grundrauschen ihrer Zeit – und wie macht sich im Kontrast dazu der akustische Tönekanon des Digitalisierungszeitalters? Charakteristischer Sound • „Wie können und Funktion unserer Objekte erfahrbar machen fragte sich Angelika Nollert, Direktorin der Neuen Sammlung, die zur Pinakothek der Moderne München gehört – mit rund 100.000 Objekten wohl die größte Designsammlung der Welt. Zusammen mit dem Stuttgarter Sounddesigner Florian Clemens Käppler von der Agentur Klangerfinder GmbH entwickelte Nollert eine Idee: "Die meisten Objekte machen sich im Alltag über integrale, charakteristische Geräusche bemerkbar, die wir eher unterbewusst oder soagra als Störgeräusch wahrnehmen. Erst wenn die funktionalen Geräusche plötzlich anders klingen oder ganz fehlen, merken wir oft, dass ein Gerät kaputt ist. Das zeigt, Töne sind fast so wichtig wie das Objekt selbst und eng mit ihrer Funktion verbunden.“ Zudem vermitteln die Funktionsgeräusche Informationen: „Die Dauer des Surrens einer Telefon-Fingerlochscheibe sagt etwas über die angewählte Nummer aus und codiert sie auf diese Weise“, erklärt Nollert, die die Tonspuren von 49 Objekten in einer eigens errichteten Klangkabine aufnehmen ließ, manche davon mit bis zu fünf einzelnen Tonspuren. So erlaubt die App „Sound Design“ Museumsbesuchern per Smartphone sowie auch zu Hause über die betreffende Website die charakteristischen Töne aufzunehmen und akustisch in die Vergangenheit zu reisen. Wer mag, kann die Retro-Töne von "Sound of Design" sogar für's eigene Smartphone runterladen. (...) Käppler lacht und sagt: „Ich bin nicht sehr klingeltonaffin, sondern setze da mehr auf Klangökologie. Heißt: Ich halte mein Handy meist stumm und checke die Textnachrichten. Doch gerade in der Produkthaftigkeit der heutigen Welt mit all dem Gedudel und Geklingel geht es darum, für Töne zu sensibilisieren, sich ihre Wirkung bewusst zu machen. Das ist Auftrag und Sinn von App und Ausstellung.“ Käppler, Jahrgang 1969, weiß: „Akustische Signale sind für uns mindestens so elementar wie visuelle.“ Er selbst interessierte sich schon früh für die Wirkung der Klänge, studierte Filmkomposition sowie Jazz- und Popularmusik am Berklee College of Music in Boston, bevor er Schallplattenverträge unterschrieb, mit Bands und internationalen Showstars auf Tournee ging und als Artdirector sowie Klangkünstler für Musik, Film, Events, Museen und Werbung arbeitete. Aus seinem Atelier stammt unter anderem das tieffrequente Soundlogo mit dem bekannten Herzschlagmotiv für die Automarke Audi. „Erst seit rund 25 Jahren werden Funktionsgeräusche überhaupt in den Designprozess einbezogen“, sagt er. Zudem absolvierte der für seine Audioproduktionen mehrfach preisgekrönte Sounddesigner den Masterstudiengang Master of Fine Arts in New Media an der Donau-Universität Krems, bevor er 2009 den Studiengang Musikdesign an der FH Trossingen mitbegründete, den er seitdem leitet.(...)
„Sound of Design“, noch bis zum 2. 2. 2022 in der Neuen Sammlung der Münchner Pinakothek der Moderne. Die Web-App selbst muss nicht heruntergeladen werden, sie kann einfach unter www.sound-of-design.de im Browser aufgerufen werden.