Franziska Horn

Autorin. Freie Journalistin, München

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Artikel

Edward Hopper: Menschen im Hotel

Das Reisen, zerlegt in Momentaufnahmen, ist Hoppers Lebensthema, hier „Hotel Lobby“ von 1943.

Kein Maler inszenierte das Reisen, die Hotelzimmer und die Menschen darin so eindrucksvoll wie Edward Hopper. Eine Ausstellung spürt einem Lieblingsmotiv des US-Künstlers nach.


Beinah jeder kennt sie: Die Barszene aus „Nighthawks“ zählt zu den berühmtesten Werken des 20. Jahrhunderts. Die verloren wirkenden Nachtschwärmer am Tresen variieren hier einmal mehr Hoppers Leitmotiv vom Unterwegssein und Einsamsein. Lange verkannt, gehört der US-Maler heute zu den meist ausgestellten Künstlern weltweit. Wie sehr uns sein Werk bis heute beschäftigt, belegt die jüngst beendete Schau „Edward Hopper and the American Hotel“ des Virginia Museum of Fine Arts (VMFA) in Richmond, die nun vom 04. Juni bis13. September 2020 im Indianapolis Museum of Art at Newfields gezeigt wird. Der originelle Ansatz der Werkschau: Um das Gefühlsleben von Hoppers Reisenden spürbar zu machen, baute das VMFA das Setting des Gemäldes „Western Motel“ dreidimensional nach. Der Clou: Besucher dürfen darin übernachten. Nachts im Museum auf der Bettkante sitzen wie Hoppers Hauptdarsteller, inmitten eines Werks von Weltruhm – die Fotos der “Hopper Hotel Experience” zeigen, dass nur eines besser ist als ein Original von Hopper. Nämlich in einem echten „Hopper“ zu übernachten. Wer es nicht nach Indianapolis schafft: Der Begleitband zur Ausstellung ist über Amazon bestellbar. Er zeigt über 200 farbige Illustrationen, dazu zwei entnehmbare Reiserouten auf den Spuren des berühmten Malers.

Der reiste mit Ehefrau Josephine „Jo“ Nivison Hopper in den 40er und 50er Jahren vielfach im Auto durch die USA und Mexiko, auch nach Europa. Hotels, Motels und Gästezimmer, Straßen, Leuchttürme und Tankstellen stellte er in den Mittelpunkt seines Schaffens. Fasziniert vom Vorübergehen zeigt er das Hotel als Zwischenstation. Hopper bildet nicht das Ziel der Reise ab, sondern den Weg dahin. Er richtet den Blick auf die unpersönlichen Gästezimmer der Provinz. Auch von Hotelfenstern und Dächern in Mexico malte er Aquarelle, porträtierte ebenso die legendäre Weite des Wilden Westens – aber er stellt diese auch in Frage, zwischen seinen Pinselstrichen. Mit plakativen Flächen inszeniert die Leere und die Menschen darin wie Skizzen eines Traums, atmosphärisch und bühnenhaft ausgeleuchtet wie Film-Stills aus Hollywood. Es sind die Leute von nebenan, die kleinen, beiläufigen, manchmal unbeobachteten Momente des Unterwegsseins, die ihn interessieren. Dabei nutzt er das Licht so suggestiv wie Altmeister Hitchcock, der gerne untergründige Zeichen setzte und regelmäßig in die psychologische Trickkiste griff. Als „Amerikanischer Realismus“ wird Hoppers Stilrichtung heute bezeichnet, vielfach nachgeahmt, vielfach interpretiert. 



Edward Hopper - Biografie: 

„Chronist der Gesellschaft“ – 1882 in New York, geboren, zeichnet Hopper schon als Kind. Frühe Themen: die Boote des Hudson River. Das Faible für maritime Sujets wiederholt sich später in Leuchttürmen und Küstenlandschaften. Er studiert Illustration und Malerei, arbeitet als Illustrator. Doch erst mit 42 kann er von der Malerei leben. Die Architektur ist ein weiteres Leitmotiv, auch das weite Land der USA, der moderne Mensch: Hopper zeigt ihn als Reisenden mitsamt seinen Seelenlandschaften. Lieblingsmodell ist Ehefrau Josephine „Jo“ Verstille Nivison. Beide bereisen die USA und Mexiko im Auto. Als er 1967 mit 84 Jahren in New York stirbt, besitzen seine Werke in den USA und Europa längst den Status von Ikonen der Moderne.


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