Franziska Horn

Autorin. Freie Journalistin, München

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Artikel

Philipps Traum

Mit der thailändischen Regenwaldschule Yaowawit hat der deutsche Hotelmanager Philipp Graf von Hardenberg ein Herzensprojekt realisiert. Inzwischen gilt das ganzheitliche Dschungeldorf als Vorreiter für Südostasien.


Ein afrikanisches Sprichwort lautet: „Man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen“. Ein Motto, das für den deutschen Hotelmanager und Unternehmer Philipp Graf von Harden- berg mehr ist als ein Spruch. So ist sei- ne thailändische Regenwaldschule Yaowawit auch mehr als ein Dorf: Das ganzheitliche Internat mit Schule und Lodge ist ein lebensfähiges Beispiel, das zeigt, wie sich der Kreislauf der Armut durch ein soziales Gefüge und vor allem durch Bildung durchbrechen lässt.

Weitab touristischer Trampelpfade liegt das schulische Charity-Projekt in Kapong in der Provinz Phang Nga, rund 135 Kilometer von Phuket entfernt. In eineinhalb Stunden Autofahrt geht es anfangs über flaches Land, vorbei an Kautschukplantagen, Palmenhainen, kleinen Hütten, vorbei am Hanuman-Tempel mit seinen herumturnenden Affen mitten hinein ins Bergland mit dem immergrünen Dschungel, über dem manchmal Monsunwolken hängen.

Übernachtungsgäste aus aller Welt sind stets willkommen hier in den Gästehäusern mit ihren 14 großzügigen Zimmern und den robusten Bambusbetten. Morgens um 8.30 Uhr treffen die Besucher auf eine Schar meditierender Kinder auf dem großen Vorplatz, im Schneidersitz hockend, gestaffelt nach Körpergrößen, von Kindern bis Teenager. Dann führt Managerin Yan die Besucher durch die Lobby, zeigt die offene Küche, Schule, Schlafsäle, ein Theater mit Aula, den Spielplatz.

Die große Not nach dem Tsunami 2004 war es, die Gründer Philipp Graf von Hardenberg handeln ließ: „Mir ging es da- rum, verwaiste Kinder aufzufangen. Und darum, langfristig zu helfen“, sagt er. Das Dschungeldorf ist ein Herzensprojekt: „Wir nehmen Kinder aus unterprivilegierten Familien auf. Oft kann man schon nach wenigen Monaten beobachten, wie die Kinder mental wachsen“. Ehefrau Christiane von Hardenberg trägt das Projekt mit je- der Faser mit. Sie erzählt: „Die Mutter eines der kleinen Mädchen war erotische Tänzerin in Bangkok und ließ ihre Tochter auf der Bühne auftreten“. Den Fortgang dieser Geschichte kann man sich vorstellen – wäre nicht Yaowawit dazwischengekommen. Prostitution gehört zu den großen sozialen Problemen Thailands.

Von mehreren Gründungspartnern unterstützt, weihte Prinzessin Maha Chakri Sirindhorn 2006 das Internat ein. Betreut wird das Projekt von 45 Mitarbeitern: Lehrer, Köche, Angestellte und Volontäre. Es soll ein Zuhause sein für die rund 140 Kinder zwischen vier und 18 Jahren – und eine Schule fürs Leben. Parallel zum Unterricht erhalten die Kinder eine praktische berufsvorbereitende Ausbildung mit lebensnahen Aufgaben, sei es landwirt- schaftlicher oder touristischer Prägung. Und weil Hardenberg auf eine Karriere in der Luxushotellerie zurück blickt, kann er den Zöglingen beste Kontakte zur Verfügung stellen, um beispielsweise Praktika beim Kooperationspartner Mariott zu machen.

Abends dann beim thailändischen Barbecue im Sai Thara-Restaurant erklärt die elfjährige Mo das reiche Buffet und verrät: „Mein Lieblingsessen ist Papayasalat. Probier mal!“ Was Mo später werden möchte? „Waitress!“, sagt sie wie aus der Pistole geschossen und delegiert die Getränkewünsche der Gäste professionell an die etwas jüngere Piano weiter. Dann wendet Mo mit den Stäbchen geschickt ein gekochtes Ei in der Brühe des Tischgrills, öffnet es, mischt das halbflüssige Eigelb mit gekochten Nudeln und Sojasauce: „So musst Du das essen!“ Wer Mo und ihren eifrigen Ernst beobachtet, ahnt in ihr eher die künftige Geschäfts- führerin als eine Kellnerin.

Unterhalb der Lodge zeigt Yuppayong Chankhum in Gummistiefeln den schick renovierten Pool, den Stall, vor allem aber die reiche Botanik. Die 43-Jährige ist Bio- gärtnerin und so etwas wie eine Agrar-Koryphäe. Yuppayong pflanzt Kräuter, Sträucher, Bäume und weiß alles über ein gesunden Ökosystem. Sie zeigt auf Bananen, Basilikum und andere Früchte ihrer grünen Oase und sagt über ihre Arbeit: „Ich folge Philipps Traum.“ Auf den rund 25 Hektar Land wird Tee und Tigerbalm produziert, Zitronengras für die eigene Kosmetikserie geschnitten, zu haben in hochklassigen Hotels wie dem nahen Thanyapura Health and Sports Resort, das Hardenberg managt. Auch ein Agrikulturzentrum mit Lerncenter ist in Vorbereitung.

Oben im Dorf steht Volontärin Jule Rheinhard, umringt von Zweitklässlern. Frisch eingetroffen stehen zwei weitere 19-jährige Freiwillige aus Deutschland neben Jule, sie verbringen hier ihr „gap year“. Jule plant, später Lehramt für die Grundschule zu studieren. Ihr persönlicher Tipp für Volontäre? „Anfangs war das Unterrichten etwas chaotisch. Ich musste mir den Respekt bei den Kindern erst erarbeiten und vieles selbst aneignen. Generell sollte man nicht zu viele Erwartungen haben, locker bleiben, auf die Leute und Mitarbeiter zugehen. Mein persönlicher Gewinn? Ist hoch. Ich bin selbstständiger, selbstbewusster, durchsetzungsfähiger geworden, es hat mich auf positive Weise sehr verändert. Ob ich es weiterempfehle? Ja, auf jeden Fall!“ Auf Thailändisch bedeutet Yaowawit übrigens: „Die Jugend lernt“. Wer dort im Regenwalddorf war, weiß: Die ganze Welt kann von Yaowawit lernen. 


GUT ZU WISSEN

Schule Die Yaowawit School & Lodge ist ein staatlich anerkanntes, gemeinnütziges Internat für Kinder sozial schwacher Familien im Süden Thailands.

Übernachten Eine Übernachtung in der Yaowawit Lodge (inkl. Frühstück) kostet ab etwa 40 Euro. Das Einkommen aus den Übernachtungen fließt in das Schulprojekt ein. Im zugehörigen Sai Thara-Restaurant wird thailändische Küche serviert, ein Menü oder Dinner ist für zehn Euro zu haben. Ein Swimmingpool ist vorhanden, dazu sind Ausflüge ins Umland möglich.

Volontariat Das unbezahlte Volontariat in Yaowawit dauert entweder ein Semester (vier bis fünf Monate) oder ein ganzes Jahr. Die Volontäre lernen eine unverfälschte und traditionelle Thai-Kultur kennen und sammeln wertvolle persönliche Erfahrungen im Unterrichten und Koordinieren von Schüler-Projekten. kolping-jgd.de Außerdem werden von der Yaowawit School & Lodge dreimonatige Volontariate angeboten oder sogar kürzere Praktika, für die jedoch Gebühren zu übernehmen sind.

Infos yaowawit.org 



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