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#TrauungFürAlle | Deutscher Evangelischer Kirchentag

Eine kirchliche Trauung. Das ist seit langem der Herzenswunsch von Sarah und Eva. Die Sache hat nur einen Haken: Sie wollen heiraten und nicht die Segnung einer Lebenspartnerschaft. Weil die meisten Kirchen in Deutschland nur diese für gleichgeschlechtliche Paare anbieten, ließen sie sich am Samstag während des Kirchentages trauen.

Es ist kurz vor 11.00 Uhr. Auf dem Vorplatz der Marienkirche drängen Besucher zum Eingang, denn gleich beginnt der Gottesdienst. Inmitten des Getümmels warten zwei Bräute. Es ist ihr Gottesdienst, der gefeiert werden soll. Für die Fragen der Presse nehmen sich die Frauen trotzdem noch Zeit. Dass es Neuland ist, dass Lesben kirchlich heiraten, ist ihnen allzu bewusst. Es sei ihnen deshalb auch wichtig, dass die Hochzeit kein Event wird. "Wir wollen Gottes Segen nach dem Formular der heterosexuellen Ehe. Aber diese Trauung ist auch eine politische Geste. Wir wollen anderen Mut machen, indem wir zeigen, dass christlich und lesbisch zu sein kein Widerspruch ist."

Trauung für alle ist längst nicht überall möglich; in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) seit Juli 2016. Schwule und Lesben können hier die Ehe schließen. Unter dem Motto Berlin.Zukunft.Kirche hatte die EKBO daher hetero- und homosexuelle Paare aufgerufen, sich im Rahmen des Kirchentages trauen zu lassen.

Auf den Hashtag #TrauungFürAlle meldeten sich die promovierte Theologin und die Theologiestudentin. Beide sind begeisterte Kirchentagsgängerinnen. Nach mehr als sechs Jahren Beziehung und drei Jahren Lebenspartnerschaft ist ihnen die kirchliche Trauung wichtig. "Wir leben genauso, wie andere Paare auch. Verantwortung und Verbindlichkeit sind uns genauso wichtig wie Heterosexuellen", sagt Eva.

Mut, Gesicht zu zeigen

Dass ihre Eheschließung auch auf Kritik stößt, ist ihnen bewusst. "Gerade deswegen möchten wir Menschen ermuntern, Gesicht zu zeigen." Vor allem auf den Überraschungsmoment waren die Bräute gespannt: Viele Gäste wussten nicht, dass es sich um die Trauung eines lesbischen Paares handelt.

Die Trauung auf dem Kirchentag sei beispiellos und beispielhaft, betonte Christian Stäblein, Propst der EKBO. Für die Bemerkung, dass die EKBO 2016 die kirchliche Trauung homosexueller Paare beschlossen habe, erhielt der Propst tosenden Beifall. "Der Kern des Evangeliums ist Liebe und Vergebung", erklärte er. Auslegungsprozesse der Bibel sollten sich an diesem Kern orientieren und nicht an dem kulturell bedingten, genauen Wortlaut der Schrift. "Ihre Liebe darf ein Beispiel und soll ein Segen für alle sein."

Bemerkenswert fand Stäblein die Atmosphäre während der Zeremonie. "Es war eine große, aufgeschlossene Kirchentags-Gemeinde dabei. So viele Menschen wünsche ich mir auch für andere Gottesdienste."

Beim Auszug des frisch vermählten Brautpaares klatschten die Gäste Beifall. Einige folgten dem Paar für Kaffee und Kuchen auf den Markt der Köstlichkeiten der EKBO.

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