
Studien zeigen, wir sind Opfer der sogenannten egozentrischen Verzerrung. Sprich: Wir schließen unentwegt von uns selbst auf alle anderen. Foto: PxHere, Public Domain
Man kann anderen Menschen nicht in den Kopf gucken. Darum halten wir uns lieber an unseren eigenen. Sprich, wir schließen von uns auf andere, um sie zu verstehen. Wenn wir etwas so sehen, dann sehen die es wahrscheinlich so ähnlich. Dann schenken wir allen "Star Wars"-Socken und wundern uns, dass die darüber nicht halb so begeistert sind wie wir.
"Egozentrische Verzerrung" nennt sich diese Denkfalle, die unter anderem dafür sorgt, dass wir mit unserer Meinung gefühlt immer in der Mehrheit sind (wenn auch in einer sehr schweigenden). Die gleiche Egozentrik sorgt dafür, dass wir uns selbst gern als Messlatte nehmen. So ist alles, was wir wissen, Allgemeinbildung, und alles, was wir nicht wissen, zu speziell.
Außerdem färbt diese Verzerrung, wie wir die Realität sehen: Wer mit dem Auto ins Geschäft fährt, überschätzt deutlich den Anteil der Auto fahrenden Kunden. Am Ende bieten wir unserer Laufkundschaft Parkplätze und verkünden Freunden Neuigkeiten, die außer uns niemandem neu sind.
Kein Wunder, dass es so schwer ist, den Standpunkt der anderen zu sehen, wenn wir so am eigenen kleben. Amerikanische Studien zeigen, wie das gleiche passiert, wenn wir versuchen, andere zu überzeugen. Wenn Demokraten und Republikaner über die „Ehe für alle" schreiben, argumentieren die einen mit Bibelstellen, die anderen mit der Trennung von Staat und Kirche. Damit haben sie beide eine Begründung gefunden, die ihr Gegenüber nicht interessiert.
Die wenigsten passten ihre Argumentation dem Publikum an - obwohl das bei vielen Themen funktionierte! US-Demokraten erwärmten sich für Militärausgaben eher aus Solidaritätsgründen und für eine landesweite Priorisierung englischer Sprache eher zum Schutz vor Diskriminierung.
Republikaner packte man eher mit persönlicher Freiheit und außerdem Sauberkeit und Ordnung. Um öffentliche Gesundheitsversorgung sorgten sie sich eher aus hygienischen Gründen - und um die Umwelt, wenn man sie verdreckt. Ekel und Moral liegen im Gehirn ohnehin dicht zusammen.
Das alles wirkt - bis zu einem gewissen Grad. Kilometertiefe politische Gräben überwindet man nicht einfach „mit diesem einfachen Trick". Aber es lohnt sich, ihn im Kopf zu behalten, wenn wir überlegen, ob wir unsere Umweltkampagne mit einer klebrigen Ölkatastrophe bebildern oder einem adrett abgeholzten Wald.
Deutschlands Konservative fanden Umweltbotschaften überzeugender, wenn sie sich weniger auf wolkige Zukunftsprognosen fokussieren als auf die Vergangenheit, die wir gerade verlieren. Nämlich täglich bis zu 200 Arten. Ein Fakt, bei dem uns allen mulmig wird. Was uns zu einem unterschätzten Punkt bringt: dem, was uns eint.
Denn statt auf unserem Standpunkt zu beharren oder uns zu verrenken, rhetorisch den der anderen einzunehmen, können wir uns auch auf die Wertegrundlage begeben, die wir teilen. Auf der Suche nach universellen Werten findet die Sozialpsychologie „Fairness" und „niemandem schaden". Wohingegen sich die Geister bei Loyalität und Tradition eher scheiden.
Auch Neurowissenschaften finden, dass Gerechtigkeitsempfinden und Empathie tief sitzen. So sehr, dass man die beiden gern gegeneinander ausspielt: „Klar würden wir Arbeitslosen gern helfen, aber wäre das gegenüber Niedriglöhnern wirklich fair?" Man kann Werte sehr unterschiedlich interpretieren.
Trotzdem sagt die Statistik: Je eher wir ein Thema als Frage von Leid oder Gerechtigkeit sehen, desto eher erreichen wir gesellschaftlich Konsens. So wie in den USA die Zustimmung zum Abtreibungsverbot stärker sinkt, seit man die leidvollen Folgen sieht. Dagegen befürworten die Ehe für alle - trotz aller Angriffe darauf - aus Gerechtigkeitsgründen immer mehr.