Wenn dieser Titel auf dem Theaterspielplan steht, horcht Bremen auf: "Die zehn Gebote". Nicht weil die Bremer besonders gläubig wären. Sondern weil Johann Kresnik unter dem Titel zu ihnen gepredigt hat, mit dem soeben haftentlassenen Günther Kaufmann in einer Hauptrolle.
Zehn Jahre ist das her, aber vergessen ist nichts. Nicht die barbusigen Damen, die der regieführende Radaubruder Kresnik in einer Kirche deutsche Fahnen nähen ließ. Nicht die blonde Eva, die ihren nackten Po über flackernden Kerzen darbieten durfte. Und vor allem nicht das Bohei, das die "Bild"-Zeitung deswegen schon vorab veranstaltete. Die Premiere musste vom Bremer Dom in die Friedenskirche verlegt werden.
Nun also wieder "Die Zehn Gebote" in Bremen, aber dieses Mal ganz anders: kein erotisch angehauchter Sakralkitsch, sondern schlichtes Theater, ganz konzentriert, ganz pur. Stilles Erzähltheater, das die Bilder erst im Kopf der Zuschauer entstehen lässt. Und das doch radikaler ist, aggressiver und irritierender als so manche Bühnenbilderschlacht.
Regie führt der Tscheche Dusan David Parizek. Anders als Kresnik assoziiert er nicht frei zu den zehn Geboten, sondern stützt sich auf die Fernsehfilme "Dekalog 1-10", die Krzysztof Kieslowski und Krzysztof Piesiewicz im spätsozialistischen Polen der achtziger Jahren herausgebracht haben. Die Filme sind nicht religiös im engeren Sinne, vor allem aber sind sie nicht moralisch, auch wenn es in ihnen permanent um Moral geht. Es geht um Liebe und Leidenschaft, um Eifersucht und Betrug, um Tod und Trauer, um Egoismus und Gier. Es geht um gewöhnliche Menschen, die in ungewöhnliche Situationen geraten ...