Sie sind unter uns! Außerirdische Mikroorganismen sind mittels Asteroiden auf der Erde gelandet und infiltrieren über Insekten menschliche Wirte auf dem ganzen Globus. Ihr Ziel: Die Menschheit durch Gehirnwäsche für ihre eigenen sinistren Pläne zu instrumentalisieren. Für die meisten klingt das nach Science-Fiction-Hirngespinsten, jedoch nicht für Malik Khan (Riz Ahmed).
Der ehemalige US-Marine fährt nachts vor dem Haus seiner Ex-Frau vor, nur mit dem Nötigsten und einer Schusswaffe im Gepäck. Sein Ziel: Die beiden Söhne Jay und Bobby auflesen, um sie in einem Schutzcamp am Groom Lake in Nevada in Sicherheit zu bringen. Das erzählt er den beiden verschlafenen Jungs natürlich nicht, sondern verkauft es ihnen als großen Abenteuerausflug. Sie dürfen lange aufbleiben, Süßigkeiten essen und sogar mal mit der Pistole schießen, wenn sie wollen. Doch schon bald ahnt der ältere Jay, dass mehr hinter dem merkwürdigen Verhalten seines Vaters steckt.
Gleich einer ZeitbombeKinder sind immer die Leidtragenden von Scheidungen. In „Encounter" zeichnet Michael Pearce als Hintergrund die Konturen einer zerstörten Soldatenfamilie. Malik kehrte einst traumatisiert aus dem Irak-Krieg zu Frau und Kindern zurück; zunächst schien alles wieder beim Alten zu sein. Doch die Bilder zersprengter Gebäude und darunter begrabener Kinderleichen haben tiefe Wunden hinterlassen; unsichtbar für seine Liebsten. Als seine Übergriffe zunahmen und Malik auf die schiefe Bahn geriet, zog seine Frau die Reißleine und trennte sich von ihm. In den folgenden zwei Jahren vergrub sich der Ex-Soldat in einem Wust aus Geheimakten und Mikrofotografien, schottete sich von der uneinsichtigen Außenwelt ab. Als seine Vorahnung über eine drohende Gefahr von oben zur Gewissheit reift, beschließt er schließlich zu handeln und seine Söhne zu „retten".
Riz Ahmed gleicht in der Rolle einer Zeitbombe. In einem Moment mimt er die liebevolle Vaterfigur, im nächsten platzt der paranoide Gewalttäter aus ihm heraus. Malik versucht seine Labilität zu steuern, doch zehrt der mentale Druck an seinen Kräften. Kameramann Benjamin Kracun fängt diese kurzen Beinahe-Ausraster in Ahmeds Augen geschickt ein, die innere Lunte wird merklich kürzer.
Der Schützling wird zum BeschützerDer Film kreist vor allem um das ambivalente Emotionsgeflecht zwischen dem Vater und seinen Söhnen. Ob Streitigkeiten bei der Radiosenderwahl oder Glücksgefühle beim holprigen Offroad-Fahren: Der Roadtrip legt Schicht für Schicht das empfindliche Zentrum des unfreiwilligen Gespanns frei. Während der siebenjährige Bobby (Aditya Geddada) das Zusammensein mit seinem Erzeuger nicht weiter hinterfragt, ergründet der ältere Bruder Jay (Lucian-River Chauhan) die wahren Beweggründe von Malik. Je selbstbewusster und misstrauischer Jay auftritt, desto fragiler erscheint sein Vater. Traurige Intimität und Erkenntnis stellt sich ein, auch beim Zuschauer. Mehr und mehr verschieben sich die festgeschriebenen Rollen, bis der Schützling schlussendlich zum Beschützer werden muss.
Wo Michael Pearce mit seiner feinfühligen Familienthematik zunehmend mehr Fahrt aufnimmt, tritt er hingegen bei der Rahmenhandlung spürbar auf die Bremse. Die Auflösung der paranormalen Geschehnisse deutet sich bereits zur Filmmitte an und büßt so einiges seiner Mystery-Atmosphäre ein. Trotzdem kann „Encounter" dem Zuschauer einige Zeit erfolgreich vorgaukeln, ein gänzlich anderer Film zu sein - und offenbart sich nicht als fiktionales Hirngespinst, sondern traurige Abbildung der Realität.