Sacha Baron Cohen, britischer Komiker und Schauspieler mit jüdischen Eltern, stand schon immer für das Kontroverse. Durch seine zahlreichen Alter Egos wie Ali G., Brüno oder Dikator Aladeen brachte Cohen stets heikle gesellschaftliche Themen zur Sprache - und sprang seinen Zuschauern mit dem nackten Arsch ins Gesicht. Ob Rassismus, Homophobie oder andere menschenverachtende Umstände: Cohen legte immer den salzigen Zeigefinger in offene Wunden. 2006 kam dann der große Skandal: Ein britischer Schauspieler tingelt als kasachischer Reporter verkleidet mit gebrochenem Englisch und frauen- und schwulenfeindlicher Grundeinstellung durch die USA und konfrontiert ahnungslose Menschen auf der Straße mit ihrem verzerrten Spiegelbild. Cohen verpackt das Ganze als Mockumentary, ein Schein-Dokumentationsfilm. Jedoch ist sein Humor umstritten: Ohne jedes Schamgefühl reißt der Brite einen rassistischen Spruch nach dem anderen, beleidigt öffentlich Homosexuelle und spaziert im Teufelskostüm mitsamt langer Nase und Geldsack bewaffnet in eine Synagoge. Doch diese Derbheit und diese schonungslose Provokation sind genau das, was Cohen dem Zuschauer zeigen will. Denn Rassisten und Homophobe schonen ihre Opfer genauso wenig.
Was 2006 noch für Empörung und Aufschreie sorgte, wirkt jedoch 2020 wieder ganz anders. In Zeiten, in denen Populisten ungestört über Soziale Medien ihre Parolen streuen können und Menschen tagtäglich mit Fake News in Berührung kommen, erscheint Cohens Herangehensweise etwas altbacken. Wie soll man etwas parodieren und übertreiben, wenn die Realität schon nicht mehr an Absurdität zu übertreffen ist? BORAT: SUBSEQUENT MOVIEFILM versucht es trotzdem und kann deshalb nur scheitern. Der Mockumentary-Stil bleibt fast komplett auf der Strecke, dafür ist Borat selbst nach 14 Jahren noch zu populär. Mit diesem Umstand spielt er jedoch gekonnt und wechselt von einem Kostüm zum nächsten. Ein Großteil seines Humors basiert wie gewohnt auf derben und niveaulosen Provokationen, ob verkleidet in der Synagoge oder beim Fruchtbarkeitstanz seiner mit Regelblut verschmierten Tochter bei einem Tanzball der High Society. Die Grundgeschichte ist nur zweckdienlich vorhanden, was jedoch durch den insgesamt dreimal wechselnden Filmtitel immer für einen Schmunzler sorgt. Der Film lässt sich in zwei Hälften aufteilen: In der ersten geht Borat seinen gewohnten Vorlieben nach, indem er z.B. bei einem verdutzten Eisenwarenhändler einen passenden Wohnkäfig für seine Tochter sucht. Was zuerst frauenverachtend erscheint, bekommt durch seine Anspielungen auf eingesperrte mexikanische Kinder eine ganz andere Dimension. Ein Highlight dieser Phase ist definitiv Maria Bakalova. Die bulgarische Schauspielerin spielt Borats vernachlässigte Tochter Tutar, die nach einem Zwischenfall mit dem Schimpansen-Geschenk für Michael Pence als Ersatzpräsent herhalten soll. Ihr Traum: Sie will auch in einem goldenen Käfig leben wie ihr Vorbild Melania Trump. Und diese Grundeinstellung lebt sie mit Bravour. Nicht selten stiehlt sie so ihrem Vater die Show, wenn sie beispielsweise begeistert vor einem Frauenclub von ihrer ersten Masturbation auf der örtlichen Toilette berichtet und alle Frauen aufruft, es ihr gleich zu tun. Bis hierhin bietet die Fortsetzung jedoch nichts Neues. Erst in der zweiten Hälfte dreht der Brite richtig auf und setzt unerwartet direkte politische Spitzen. Verkleidet als Trump stürmt er mit seiner geschulterten Tochter eine Veranstaltung der Republikaner und bietet sie Pence als Geschenk an (angeblich hat Cohen fünf Stunden auf der Toilette verbracht, um Pences Auftritt abzuwarten). Seine Kritik an der Trump-Regierung versteckt er nie und lässt auch die umstrittene Corona-Politik der USA nicht unverschont.
Ein Großteil der Komödie wurde unter Corona-Bedingungen gedreht, was einen merklichen Bruch im Film darstellt. Cohen wird hier noch direkter, greift die kursierenden Fake News um Ursprünge der Pandemie auf und beruft sich auf seine vertrauenswürdigste Quelle: Facebook. Als Borat sich bei zwei republikanischen Hinterwäldlern einnistet und deren verquere Weltanschauung zwischen Demokraten, die nach Kinderblut dürsten und einem Virus, das man ganz einfach mit einer Pfanne erschlagen kann, entlarvt, ertappt man sich beim dezenten Kopfschütteln. Erst recht, als Cohen aka Country Steve auf einer Anti-Corona-Demo auftritt und sein Publikum zum Mitsingen absurd populistischer und rassistischer Refrains animiert. Den wohl umstrittensten Höhepunkt des Films bildet die Sequenz mit Rudy Giuliani, Ex-Bürgermeister von New York und Vertrauter von Trump. Die Interview-Szene mit der inzwischen emanzipierten und journalistisch tätigen Tutar dürfte die Meinungen der Zuschauer wohl spalten, da Giuliani hier augenscheinlich als übergriffiger Schleimbolzen dargestellt wird. Ob er wirklich nur sein Hemd wieder in die Hose gesteckt oder doch nach etwas anderem gegriffen hat, überlässt Cohen ganz der Fantasie des Zuschauers. Fakt ist: Borat kann nach 14 Jahren immer noch polarisieren, auch wenn die Zähne stumpfer geworden sind.