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Eine philosophische Trump-Analyse: Hoffnungslose Zeiten? - SPIEGEL ONLINE - Kultur

Szene in Kalifornien

Wie kaum ein anderer US-Präsident hat Donald Trump den Ehrgeiz und die Recherchen von Journalisten und Publizisten beflügelt. Psychologen schrieben Texte über seinen Narzissmus, das Trump-Enthüllungsbuch "Fear" von Bob Woodward wurde so schnell verkauft wie nur wenige Bücher zuvor. Und die " New York Times" konnte mit Artikeln über Trumps Präsidentschaft ihre Auflagen steigern. Das Phänomen hat sogar einen Namen: Trump Bump.

Nun, mehr als zwei Jahre nach Trumps Wahlsieg und inspiriert davon, ist "Königreich der Angst" der Emotionsphilosophin Martha Nussbaum erschienen. Gefühle sind Nussbaums Thema, in mehr als 20 Büchern hat sie sich damit auseinandergesetzt und immer wieder dafür plädiert, dass die US-Amerikaner Kontakt mit ihren Emotionen aufnehmen - zum besseren Verständnis ihres politischen Selbst und als eine Art Bürgerpflicht.

"Königreich der Angst" will nun ein Buch sein für die dunklen Zeiten stagnierender Löhne, sinkender Lebensstandards und der Furcht vorm Ende des US-amerikanischen Traums. Folgt man Nussbaum, ist Trumps Sieg ein Triumph der Angst über die Hoffnung, die noch mit Barack Obama verbunden war. Leider liegt wenig Originelles in dieser Beobachtung.

Philosophin Martha Nussbaum

Heute muss das Angstgefühl, bei dem sich auch Nussbaum bedient, für alles Mögliche herhalten: als Resultat der Flüchtlingskrise oder als Erklärung für den Populismus. Die Angst scheint die dominante Emotion zu sein.

Liegen die Ursprünge des Trumpismus im Gefühl der Angst? Hatten wir früher weniger Angst? Leben wir in einem Zeitalter der Angst? Das sind gute Fragen, nur haben sich schon viele andere an ihnen abgearbeitet. Was kann Nussbaums Analyse der gegenwärtigen Angstlandschaft und den zahlreichen Publikationen seit Trumps Amtseinführung noch hinzufügen?

Zu Beginn stellt sie gleich selbst die Frage, warum man sich in diesen unsicheren Zeiten an einen Philosophen wenden sollte. Wie häufig in ihren Büchern beginnt Nussbaum mit ihrer eigenen Erfahrungswelt: "Ich war mir dessen bewusst, dass meine Angst nicht ausgewogen oder unparteiisch war - also war ich selbst ein Teil des Problems, das mir Sorgen bereitete."

Die Angst der Linksliberalen

Autokratien würden auf der Basis dieses Gefühls herrschen. Nicht nur die Trump-Wähler hätten Angst, sondern auch die Linksliberalen. Zu viele von Nussbaums Studenten, Kollegen und Freunden seien davon überzeugt, dass ihr Land vor dem Kollaps stehe.

Nussbaum arbeitet mit Beispielen aus Literatur und Politik, nur stellenweise nimmt sie Bezug auf Trump und dessen frauenfeindliche Äußerungen. Der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf des Jahres 2016, so schreibt Nussbaum, sei ein Anlass, um über "die emotionalen Kräfte nachzudenken, die die Demokratie in der Gegenwart und in früheren Epochen destabilisieren beziehungsweise destabilisierten" - eine Art Aufhänger. Tatsächlich hat Angstpolitik in den USA eine gewisse Tradition.

Trumps Skript ist so gesehen nicht neu - und so eben auch nicht Nussbaums Analyse: Historiker haben darüber geschrieben, wie Unsicherheiten und abstrakte Risiken zu Angst und Bedrohung politisch instrumentalisiert wurden und werden. Politische Stimmungsfänger schlagen Kapital aus den Ängsten, nicht nur in den USA, erklärte schon der Philosoph Zygmunt Bauman.

Nussbaum bemüht Psychoanalytiker, Psychologen, Philologen, die alten Griechen oder den moderneren Kant, um die Angst und ihre toxische Wirkung in Verbindung mit anderen Gefühlen wie Zorn, Ekel oder Neid zu bestimmen. Sie zeigt, wie Unsicherheitsgefühle, die etwa auch ein Verlangen nach mehr Gerechtigkeit hervorrufen könnten, zerstörerisch wirken: "Die giftige Sorte der Angst hingegen gibt der Vergeltung und Rache Raum, und sie wählt oft Redeweisen der Abwertung und der Erniedrigung."

Um dieser destruktiven Panik zu entkommen, bricht Nussbaum die Angst bis zu ihren Ursprüngen herunter. Es ist die erste Emotion im Leben eines Menschen, ein Produkt des kindlichen Narzissmus. Angst ist monarchisch, schreibt Nussbaum. Sigmund Freud, der Vater der Psychoanalyse, nannte das herrische Baby, dass andere dazu bringt, seine Gebote zu befolgen, deshalb "Seine Majestät".

Die Autorin überlegt, wie Kleinkinder den Narzissmus der Angst überwinden und wo eine Nation ansetzen muss, wenn sie ihre Kinder zu einem guten Leben befähigen will. "Wir müssen auf den Wunsch verzichten, andere zu versklaven, indem wir Fürsorge, guten Willen und die Anerkennung von Grenzen an die Stelle kindlicher Aggression setzen."

Nussbaum erinnert wie in früheren Büchern daran, dass Hoffnung nicht nur ein Gefühl, sondern auch eine Wahl, eine Handlung ist - ähnlich wie schon die Intellektuelle Rebecca Solnit in ihrem Buch "Hoffnung in der Dunkelheit" gegen Globalisierungsangst und Terror anschrieb und zeigte, dass sich politisches Engagement lohnen kann. Nussbaums Plädoyer an die Praktiken der Hoffnung, an Fürsorge und Solidarität liest sich somit durchaus nobel. Aber der intellektuellen Auseinandersetzung mit Trump fügt sie wenig Neues hinzu.

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