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In großer Sorge um die Heimat

In großer Sorge um die Heimat

Der Regenwald und die kleinbäuerliche Landwirtschaft in Brasilien sind in Gefahr.
Foto: Danilo Kammers / pixabay

Brasiliens rechtspopulistischer Präsident Jair Bolsonaro ist in der Kritik. Sein Umgang mit der Corona-Pandemie ist allzu sorglos, er will indigene Gebiete für die wirtschaftliche Ausbeutung freigeben, Behördenvertreter, die gegen illegale Holzfäller vorgehen, werden entlassen oder bedroht. Dasselbe gilt für Wissenschaftler, die den Raubbau am Amazonas-Regenwald kritisieren und mit Daten untermauern.

Zu ihnen zählt Agrarsoziologe Prof. Antonio Andrioli, der seine Ämter als Regierungsberater für Lebensmittelsicherheit und Vizepräsident der Universität UFFS im Süden Brasiliens verloren hat. Der Deutsch-Brasilianische Verein Rhein-Neckar Entre Águas (siehe unten) hatte ihn im Februar zu einem Vortrag eingeladen. Auf portugiesisch sprach er im Institut für Übersetzen und Dolmetschen der Universität Heidelberg über „Agrobusiness und die Zerstörung des Amazonas-Regenwalds“. Angehende Dolmetscherinnen übersetzten den Vortrag ins Deutsche.

Die Lage für Indigene, Landlose und Kleinbauern sei bedrohlich, die Entwicklung in Südbrasilien hin zu mehr Unabhängigkeit und gesunder Ernährung gefährdet. Antonio Andrioli zeichnete ein düsteres Bild der Lage in dem südamerikanischen Land. Brasilien bezeichnete er als „Weltmeister beim Pestizideinsatz“. Eine Milliarde Kilogramm pro Jahr, umgerechnet 7 Kilogramm pro Hektar, würden auf den oft riesigen Ländereien ausgebracht. In den vergangenen fünf Jahren sei die Menge um 25 Prozent gestiegen. EU-Grenzwerte würden um ein Vielfaches überschritten, täglich im Schnitt zehn Vergiftungen durch Pestizide registriert. Ein Teil der Ackergifte, die Chemiekonzerne wie Bayer-Monsanto nach Brasilien exportieren, sei in Europa verboten.

Die Soja-Anbaufläche in Brasilien sei so groß wie Deutschland. Ganze Landstriche mit genveränderten Sojapflanzen, die resistent gegen Glyphosat sind, werden flächendeckend mit dem Totalherbizid besprüht, berichtete er. Ein großer Teil gehe als Sojaschrot an deutsche Schweine- und Geflügelmäster.

Von dem Freihandelsabkommen der EU mit Mercosur (Gemeinsamer Markt Südamerikas) erwarte Brasilien eine weitere Öffnung des EU-Markts für Agrarprodukte. Neben Rind- und Geflügelfleisch gehe es vor allem um Bioethanol, das dem Benzin beigemischt wird und in Brasilien aus Zuckerrohr gewonnen wird. Die kleinbäuerlich strukturierte Landwirtschaft in Brasilien sieht der Agrarexperte durch hohe Zollkontingente für die europäische Milchindustrie gefährdet.
„In dem Abkommen gibt es keinen Mechanismus, der uns helfen könnte, dass sich die Regierung an vereinbarte Sozial- und Umweltstandards hält“, betonte Andrioli. Es werde noch mehr Regenwald gerodet und Land ausgebeutet. Bei Distanzen von über 10 000 Kilometern seien Transportkosten und CO2-Ausstoß hoch. Das Handelsabkommen verstärkt durch die zunehmende internationale Konkurrenz auch die soziale Ungleichheit, ist Andrioli überzeugt. Lohndumping und Arbeitslosigkeit seien die Folge.

Bolsonaro wolle jetzt auch noch Erdöl und Erdgas in den indigenen Gebieten des Amazonas fördern. 2019 habe die Entwaldung bereits um 90 Prozent zugenommen, eine weitere Rodung des größten Regenwaldgebietes der Erde könne gravierende Folgen für das Weltklima haben.

Mitveranstalter waren die Menschenrechtsorganisation FIAN International, die sich für das Recht auf Nahrung engagiert sowie der Arbeitskreis "Solidarität mit Brasilianischen Gewerkschaften" im DGB, Region Nordbaden, Mannheim. Im Arbeitskreis geht es auch um gegenseitige Unterstützung und Interessenvertretung gegenüber global agierenden Unternehmen.

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Der Deutsch-Brasilianische Verein Rhein-Neckar Entre Águas existiert offiziell seit Dezember, die Gründer und Mitglieder des Vorstandes sind aber schon seit einem Jahr aktiv und haben schon mehrere Projekte durchgeführt. Angesprochen werden überwiegend Brasilianerinnen und Brasilianer, die in der Rhein-Neckar-Region leben, sich austauschen, interessante Veranstaltungen erleben, Leute treffen und Spaß haben wollen, aber auch alle, die sich für Brasilien und seine Sprache und Kultur interessieren. Bei den politischen Vorträgen wollen sich viele über die Situation des Landes informieren. Im Vorstand engagiert sich auch die brasilianische Journalistin Silvia Bittencourt. Sie sagt: „Die politische Entwicklung in Brasilien ist nicht nur ein wichtiges Thema für uns - sie hat uns auch stark motiviert, den Verein zu gründen. Während in Brasilien Kunst, Kultur, Bildung und Umwelt durch die Regierung angegriffen werden, wollen wir mit unserem Verein ein Zeichen für Vielfalt, Toleranz und Respekt setzen. Mit unserem Chor, mit Konzerten, Workshops und Ausstellungen wollen wir die brasilianische Kultur fördern und viele Leute vereinigen. Dabei arbeiten wir auch mit anderen Institutionen zusammen (IÜD - Uni Heidelberg, Festival Latino, Festival Mais Amor Por Favor).“

Weitere Infos über den Verein und sein Programm gibt es auf der Website www.veabrasil.org