Das (kirchliche) Bauen ist der Evangelischen Stiftung Pflege Schönau (ESPS) quasi in die „Wiege" gelegt. Spielt die Investition in Erbbaurechte und Wohnimmobilien in der Stiftung schon seit Stiftungsgeschehen eine Rolle? Wenn nicht, seit wann ist die Stiftung in diesen Bereichen aktiv? Acker und Forstflächen gehören seit Auflösung des Klosters Schönau 1560, dem Ursprung der Stiftung, zum Vermögensportfolio. Aus dem Acker sind Erbbaurechte entstanden, die die Stiftung seit den 1950-er Jahren ausgibt. Das Erbbaurecht insgesamt ist älter, es feiert dieses Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Heute hält die Stiftung rund 13.000 Erbbaurechtsverträge mit unterschiedlichen Laufzeiten, verteilt auf verschiedene Nutzungsarten wie zum Beispiel Wohnen, Gewerbe oder Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG). Mit diesem Geschäftsbereich verdient die Stiftung derzeit am meisten Geld. Die Grundstücke im Erbbaurecht zu vergeben und sie nicht veräußert zu haben, erweist sich jetzt als kluge Entscheidung, berücksichtigt man die Steigerung der Bodenwerte der letzten Jahrzehnte. Schöne Wertreserven für die Zukunft.
In Wohnimmobilien wurde Anfang des letzten Jahrhunderets investiert. Nach Restrukturierung haben wir derzeit einen Bestand von ca. 800 Wohneinheiten, der in den nächsten Jahren kontinuierlich ausgebaut werden soll.
Die Stiftung profitiert in hohem Maße von ihrem Vermögen in Form von Forst, Grund und Immobilien. Viele Stiftungen schauen - auch mit Blick weiter anhaltende Niedrig- bzw. Nullzinsphase - voller Bewunderung auf ihre Stiftung. Zugleich steigen die Immobilienpreise in Deutschland - nicht nur in den Großstädten - ins unermessliche. Sind Immobilien für Stiftungen noch das richtige Investment? Forst und landwirtschaftliche Pachtflächen sind mit einer durchschnittlichen Rendite von einem Prozent die weniger starken Geschäftsbereiche. Verglichen mit den Risiken dieser Bereiche ist dies keine adäquate Rentabilität.
Ich vertrete die Auffassung, dass es nicht „das richtige" Investment gibt. Jede Stiftung, jeder Investor muss je nach Risikoneigung, Marktzugang, Liquiditätsbedarf, Kompetenz, Know-how etc. entscheiden, wo und wie investiert wird. Immobilien sind je nach Strukturierung des Portfolios komplexe Investments, die man verstehen und steuern können muss. Wenn das gegeben ist und man das richtige Timing erwischt hat, wird man viel Freude haben.
Das Thema wohnen ist - nicht zuletzt durch die Berliner Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen" - in aller Munde. Welche Verantwortung haben - gerade Stiftungen - als Vermieter und Verpachter von Wohnraum? Stiftungen sind Teil der Gesellschaft und haben die Pflicht, extremen Positionen ausgleichend entgegenzutreten und Lösungen zu finden, die dem Gemeinwohl dienen. Die Berliner Initiative verstößt gegen alles, was ich persönlich für schützenswert halte.
Stiftungen können nicht die weißen Ritter sein. Stiftungen können aber im Rahmen ihrer Vermögensallokation mit etwas Augenmaß einen Beitrag leisten, ohne zwangsläufig auf Rendite zu verzichten. Beispielsweise mit der Vermietung an bonitätsschwächere Bevölkerungsgruppen, die oft durch Bewerber mit besseren Bonitäten verdrängt werden. Ich denke da an die alleinerziehende Mutter und die Krankenschwester. Wenn es mit dem Stiftungszweck kompatibel ist, kann die Miete abgesenkt werden oder auch Fördermittel in Anspruch genommen werden.
Was können Immobilienkonzerne von den Erfahrungen Ihrer Stiftung lernen? Vielleicht kann man die Frage auch andersherum stellen. Was können Stiftungen von den Immobilienkonzernen lernen?
Der Vorteil von Stiftungen liegt sicherlich darin, nicht primär den Aktienkurs und das Ergebnis im Blick zu haben. Die Planungszeiträume sind sehr viel langfristiger. Auf der anderen Seite können Stiftungen von Immobilienunternehmen lernen, Immobilien marktorientierter zu bewirtschaften.
Auf dem Deutschen StiftungsTag veranstalten Sie in ihrer Funktion als Arbeitskreisleiter Immobilien gemeinsam mit dem Arbeitskreis Soziales einen Wohnungsgipfel. Welcher Impuls soll von dem Gipfel ausgehen? Hier hilft, glaube ich, eine realistische Selbsteinschätzung. Ich würde mir natürlich wünschen, dass seitens des Bundesverbandes eine deutliche und wahrnehmbare Aussage käme, den Kräften des Marktes mehr zu vertrauen und bei der Vergabe von Baufeldern stärker auf soziale Nebeneffekte zu achten.
Mir persönlich würde es sehr gefallen, wenn Stiftungen beziehungsweise deren Vertreter dem Populismus entschieden entgegentreten würden. Wir befinden uns aus meiner Perspektive in einer Situation, in der Partikularinteressen übermächtig sind: Wir benötigen dringend bezahlbaren Wohnraum (30 bis 40 Prozent vom Netto). Statt alle Kräfte darauf zu bündeln, diesen zu schaffen, sorgen wir uns in urbanen Räumen um den Erhalt von Nischen für bestimmte Tierarten, kämpfen mit überbordenden Bauvorschriften und mit Kommunen, die meistbietend ihre Grundstücke veräußern. Etwas mehr Priorisierung würde helfen.
Welche Rolle können Stiftungen bei der Lösung des aktuellen Wohnungsproblems spielen? Und welche neuen Formen bzw. neue Initiativen finden Sie aktuell interessant? Stiftungen können im Rahmen ihrer Möglichkeiten natürlich einen Beitrag leisten, zum Beispiel über Kooperationen oder Joint Ventures.
Spannend finde ich die Art von Konzepten, bei denen neben dem Bedarf an Wohnraum auch an einen gesellschaftlichen Mehrwert gedacht wird. Dies beginnt bei integrierten Mobilitätslösungen, Angebote, die Quartiersgemeinschaft fördern, ein Mieter- und Wohnungsmix, der den Bedarfen der Gesellschaft entgegenkommt. Stichworte sind da Cluster-Wohnungen, Förderung der Inklusion, etc. Das entwickelt sich nicht von allein, sondern muss aktiv begleitet werden. Dafür gibt es Spezialisten, die allerdings auch Geld kosten. Aber alles hat seinen Preis.