Nicht zum ersten Mal macht Janinah Burnett etwas, das es vorher noch nicht gab.
Nach New York kommt die Opernsängerin, um in „La Boheme on Broadway" zu singen - einem Musical, das die Opernwelt entsetzt. „Das fand ich gerade gut", sagt sie heute. „Denn es fordert die Öffentlichkeit heraus."
Ihrer Karriere hat der Schritt nicht geschadet: Berlin, Rom, Lissabon - und natürlich Metropolitan Opera New York. Dort arbeitet sie im Moment als Zweitbesetzung bei „Manon". Parallel dazu überschreitet sie wieder Grenzen: Die Skandale um Polizisten, die Schwarze umbringen, haben Janinah Burnett dazu bewegt, statt eines klassischen Konzertabends eine Mischung aus Gesang und Spoken Word Poetry zu erschaffen - und dafür an den Schreibtisch zu wechseln.
Im Interview erzählt sie,was hinter „I, Too Sing America: An Artistic Tribute to Victims of Police Brutality" steckt, was es schwierig machen kann, über Rassismus zu sprechen, und welche Kraft angesichts gesellschaftlicher Probleme von der Kunst ausgeht.
Ich glaube schon. Ich glaube, viele macht der Gedanke nervös, etwas zu sagen.
Warum das denn?Man will keinen Staub aufwirbeln, nicht als streitbar oder umstritten gelten. Und nicht ruinieren, was man sich aufgebaut hat.
Weil man riskiert, nicht mehr engagiert zu werden?Ja. Das ist aber nur eine Spekulation meinerseits.
Hast du selbst Konsequenzen zu spüren bekommen, halten Veranstalter dich auf Abstand, seit du „I, Too Sing America: An Artistic Tribute to Victims of Police Brutality" aufgeführt hast?Nein, nein. Aber manche meiner Freunde sagen, ich könnte wahrscheinlich ein größeres Publikum anziehen, wenn ich nicht „Polizeigewalt" im Titel hätte. Ich kann mich dafür nicht so recht erwärmen, aber ich verstehe, was sie meinen. Manche Leute bringt es vielleicht aus der Fassung: Wir glauben das nicht, wir wollen nicht glauben, dass das Polizeigewalt ist, und deshalb gehen wir nicht zum Konzert. Es bekäme vielleicht mehr Aufmerksamkeit, wenn ich es „Black History Concert" nennen würde oder so, und wenn das Publikum dann da sitzt, könnte ich ja singen, was ich wolle. So der Rat. Aber das will ich nicht! Alle anderen versuchen doch, das schönzufärben. Das entspricht aber nicht den jetzigen Zeiten, mein Herz jedenfalls sagt etwas anderes.
Wieso hast du das Konzert so aufgebaut, dass man beim Zuhören ganz unterschiedliche Stimmungen erlebt: Zorn, Trauer, Hoffnung, Aufbruchstimmung ... ?Ich weiß nicht, ob das eine kulturelle Frage ist, eine amerikanische Eigenart, aber: Wir laufen vor unseren Gefühlen davon. Man bringt uns von klein auf bei: Nun wein doch nicht. Deshalb solltest du gar nicht traurig sein. Unterdrücke deinen Zorn, das ist ein böses Gefühl. Oder: So etwas solltest du nicht sagen. Obwohl du das aber empfindest. Ich glaube, mit dem wahrhaftigen, authentischen Ausdruck deiner Gefühle kann es zu einer Karthasis kommen, die dich heilt.
Wie kann Musik zu dieser Heilung beitragen?Egal um welche Gefühle es geht: Heilung kann beginnen, wenn du gezwungen bist, diese Gefühle zu fühlen, und zwar in einem Feld, das dabei hilft und Sicherheit gibt. Ich finde, Kunst, die einen herausfordern, bringt einen dazu, etwas zu fühlen. Das Konzert ist für die Menschheit. Denn die Menschheit muss geheilt werden. Die Verbindung untereinander ist zerbrochen, sie muss wieder heilen. Deshalb ist mir Heilung wichtig.
Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen ein Konzert als „Tribute to Victims of Police Brutality" zu konzipieren?Mit Kenneth Overton, dem Bariton aus dem Konzert, wollte ich schon lange ein Rezital zusammen machen. Ursprünglich solltes es ein Kunstlied-Konzert werden. Aber ich fand, wir sollten etwas komplett anderes auf die Beine stellen, etwas, das es noch nie gab, und das all unsere Talente in Anspruch nimmt.
Ich wollte ein Rezital jenseits der Norm, es sollte Spoken Word dabeisein. Zu diesem Zeitpunkt war ich sehr betroffen von dem, was gerade in unserer Gesellschaft passierte: die Polizeigewalt, die jungen Männer, die starben. Das hat uns berührt. Ich fand, als Künstler haben wir die Pflicht, eine Stimme zu sein. Nicht die Stimme aller, das geht nicht, aber wir müssen dem eine Stimme geben, was uns bewegt, und was vielleicht diese jungen Männer anspricht. Ich fragte sogar meine Mutter, welche Künstler und Schriftsteller ich für eine Show verwenden könnte, um Spoken Word dort einzuflechten. Meine Mom sagte: Dich. Das solltest du schreiben, das kannst du doch. Es war irgendwie karthatisch, meine Gedanken und Gefühle auf Papier zu bringen.
Für eine Sängerin liegt die künstlerische Leistung dagegen in der Interpretation dessen, was ein anderer geschaffen hat. Willst du nun auf diese Seite wechseln?Darum geht es bei dem Konzert, ja. Ich singe ja schon lange, aber dieses Jahr merkte ich: Mensch, ich habe eine Menge zu sagen als Künstlerin, ich will mir nicht vorschreiben lassen, dass ich das nicht sagen darf. Selbst machen wollte ich es aber auch, weil die Kunst, die wir sonst machen, in diesem oder jenem Geist entstanden ist. Ich wollte etwas, das sich meine Kollegen ganz anders zu eigen machen würden als sonst, viel persönlicher. Wir hatten schon vorher zusammengearbeitet, aber das waren nur Jobs. Nein, nicht nur Jobs, das ist falsch, aber eben Jobs. Weil wir bei diesem Konzert eine persönliche Bindung an die Kunst haben, kommt auch die Musik anders rüber. Außerdem finde ich, Oper und Musik sind doch eigentlich Gemeinschaftswerke, wir müssen immer einbeziehen, was die anderen Künstler mitbringen. Aber oft läuft das nicht so.
Wie läuft es denn stattdessen?(Die Antwort und den Rest des Interviews gibt's im Original!)