Zum Großjubiläum 30 Jahre Mauerfall bemüht das ZDF-Epos "Preis der Freiheit" eine Familienaufstellung – mit tollen Schauspielerinnen wie Barbara Auer und Nadja Uhl. Leider gerät der Dreiteiler dennoch zu konventionell. Von Peter Luley
"Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich an jedes Detail richtig erinnere", raunt die Erzählerstimme aus dem Off, "aber wer tut das schon?". Sie gehört dem Ostberliner Hochschulabsolventen Markus Welsch (Jonathan Berlin), der eine Stelle in der Kommerziellen Koordinierung, kurz: KoKo, angetreten hat – dem Schattenreich des legendären DDR-Devisenbeschaffers Alexander Schalck-Golodkowski.
Nun, am 8. Dezember 1989, wird er Zeuge, wie "Bonzen raus" skandierende Demonstranten sich anschicken, das Haus zu stürmen. "Das war der Anfang vom Ende", sinniert Welsch, während die Mitarbeiter Goldbarren verladen, "oder war diese Nacht nur das Ende vom Anfang?"
KoKo-Karrieristin und Bücherwurm
Mit solchen pseudo-tiefsinnigen Kommentaren wird der Zuschauer in "Preis der Freiheit" öfter mal an die Hand genommen; zum engsten Protagonistenkreis gehört der junge Erzähler allerdings nicht. Ins Zentrum ihres dreimal 100-minütigen TV-Dramas, das nach der knalligen Eröffnung tief Luft holt und in den Sommer 1987 zurückspringt, hat die Produzentin und Ideengeberin Gabriela Sperl drei äußerst unterschiedliche Schwestern gestellt: die zynische KoKo-Karrieristin Margot (Barbara Auer), die sozial engagierte Buchhändlerin Lotte (Nadja Uhl) und die offiziell tödlich verunglückte Silvia (Nicolette Krebitz), die mit neuer Identität als Ina Winter vom Westen aus an den innerdeutschen Beziehungen arbeitet.
Starke Frauenfiguren, könnte man sagen, oder auch: lauter Stellvertretercharaktere für bestimmte gesellschaftliche Gruppen.
Anhand dieser Familiengeschichte, zu der auch Margots Mann Paul (Joachim Król), ein gutherziger Kombinatsleiter, und die über allem thronende Matriarchin Oma Else (Angela Winkler) gehören, werden die letzten Jahre der dem Untergang geweihten DDR aufgeblättert – einmal mehr.
Wer sich "Preis der Freiheit" anschaut, erkennt unweigerlich, dass auch in der TV-Fiktion schon mehrere runde Jahrestage des Mauerfalls begangen wurden. Vor zehn Jahren rief das ARD-Drama "Jenseits der Mauer" die Agonie des Stasi-Staats mit einer Familientragödie in Erinnerung; 2015 verarbeitete Gabriela Sperl die deutsche Teilung in der Dorfchronik "Tannbach". Dann sind die Serien "Weissensee" und "Deutschland 83" bzw. "Deutschland 86" gelaufen. Zuletzt probierte sich die ARD mit dem wackeligen Spionagedrama "Wendezeit" an dem Thema.
Mangelnde Detailtreue ist weniger das Problem der aktuellen, hauptsächlich in Tschechien gedrehten Wendezeit-Verarbeitung des ZDF. Eher schon, dass man die surreal vertäfelten Wände mit den Honecker-Porträts, die Duschen in der Küche und die typischen Speisegaststätten einmal zu oft gesehen hat – routiniert untermalt mit den Hits der Zeit von den Eurythmics, David Bowie und Genesis, die damals mit ihren Open-Air-Konzerten vor dem Reichstagsgebäude Krawalle im Osten auslösten.
Sogar das zur meistgespielten Wendefolklore zählende Günter-Schabowski-Zitat ("Nach meiner Kenntnis ist das sofort, unverzüglich") lässt der 1985 in der Schweiz geborene Regisseur Michael Krummenacher ("Acht Tage") noch mal zu Ehren kommen.
Beklemmende Gegenwartsbezüge
Weil Barbara Auer, die schon 1995 in Frank Beyers "Nikolaikirche" dabei war, Nadja Uhl und
Nicolette Krebitz (erstmals vor der Kamera vereint!) tolle Schauspielerinnen sind und ihnen ebenbürtige männliche Kollegen an die Seite gestellt wurden, entfaltet "Preis der Freiheit" zunächst trotz allem einen Sog. Da sind der superbe Oliver Masucci als Margots engster KoKo-Mitarbeiter Ilja Schneider, der subtil-verschlagene Godehard Giese als ihr Stasi-Gegenspieler Norbert Krimling – und natürlich Thomas Thieme, der in einigen wenigen Auftritten Schalck-Golodkowski gibt.
Wie Margot im KoKo-Auftrag DDR-Häftlinge für harte D-Mark in den Westen verkauft, wie Lotte Mitglied der oppositionellen Bewegung Umweltbibliothek wird und einen Giftmüllskandal aufdecken hilft ("Bitteres aus Bitterfeld") – das trägt schon über eine weite Strecke. Und wenn Lottes 16-jähriger Sohn nach einer Festnahme wegen Rowdytums seinen Hass auf "den roten Drecksstaat" in einer Neonazigang auslebt, lassen sich sogar beklemmende Gegenwartsbezüge zur Verwurzelung rechtsradikalen Gedankenguts in Ostdeutschland herstellen.
Spätestens ab Teil zwei aber beschleicht den Zuschauer das Gefühl, das meiste des Erzählten bereits verstanden zu haben. Auch wenn man den Machern nicht vorwerfen kann, ein glattes Jubel-Epos geschaffen zu haben, so sind Inhalt und Inszenierung zu konventionell, um "Preis der Freiheit" als echtes Fernseh-Highlight einzustufen. Es ist doch eher: Einheitsbrei.
"Preis der Freiheit", Montag, Dienstag, Mittwoch, jeweils 20.15 Uhr, ZDF (und bereits jetzt in der Mediathek). Ergänzende Doku am Montag, 21.55 Uhr
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