Der Thüringer Gabor Schablitzki tourt unter dem Alias Robag Wruhme als DJ und Produzent durch Clubs und über Festivals auf der ganzen Welt. Wir stellen den Musiker, der seiner Heimat immer treu geblieben ist, vor.
Gabor Schablitzki sitzt im Dachgeschoss seines Hauses in Bad Berka. Im Hintergrund rauscht leise ein Ventilator, draußen hat es 36 Grad. Ein bisschen müde sei er ja schon, sagt der Musiker und lächelt. Am Abend zuvor stand ein DJ-Gig am westlichen Ende der Bundesrepublik an.
Kaum ein anderer hat die lokale Techno-Szene so geprägt wie er: Der Thüringer DJ und Produzent für elektronische Musik Gabor Schablitzki alias Robag Wruhme. Seine ersten Schritte macht er im legendären Kassablanca in Jena, machte sich gemeinsam mit Sören Bodner als Duo Wighnomy Brothers einen Namen und später auf Solo-Pfaden als Robag Wruhme. Als Teenager hat der Thüringer die Techno-Revolution zur Wende miterlebt. Mit seinem Album "Thora Vukk" schließlich wird er 2011 international bekannt. Seine Musik ist so verletzlich wie clubtauglich, immer melancholisch, aber auch stets lebensbejahend.
Gabor Schablitzki ist zum Zeitpunkt der Wende etwa 15 Jahre alt. Schon damals ist er fasziniert von der Energie der Fragmente elektronischer Musik, die über die Mauer schwappen.
Bevor die Mauer fällt, saugt er das Wenige auf, das DT64, das Jugendprogramm des DDR-Rundfunks, zu bieten hat: Er erinnert sich etwa ans Depeche-Mode-Konzert in Berlin, dessen Übertragung er auf Kassette aufnimmt, um die Lieder wieder und wieder zu hören. "Als die Mauer fiel, lag einem das ganze Repertoire an Musik zu Füßen. Da habe ich gut losgelegt und viel Geld für viel Musik ausgegeben", erinnert sich der Musiker.
Robag Wruhme wächst in Apolda auf, später zieht es ihn nach Jena. Den Ort, in dem auch die Anfänge seiner Karriere liegen. Im Kassablanca, einem soziokulturellen Zentrum in der Saale-Stadt, absolviert Gabor Schablitzki seinen Zivildienst und wird Teil einer Bewegung, die in den folgenden Jahren ein maßgebliches Standbein der elektronischen Musikszene in Deutschland werden soll. Er beteiligt sich am bekannten Jenaer Label "Freude am Tanzen" und wird Mitgründer des Plattenladens Fatplastics. Ende der Neunziger werden Gabor Schablitzki und Sören Bodner als Wighnomy Brothers Resident-DJs im Kassablanca. "In dieser Zeit hat sich viel ergeben", sagt der Musiker.
Viel unterwegs ist Robag Wruhme damals auch in Leipzig. Vor allem in der Distillery – dem ältesten und wohl legendärsten Techno-Club Ostdeutschlands. "Die Distillery war der erste Club, der uns – damals, als ich noch mit Sören Bodner als Wighnomy Brothers aufgelegt habe – die Möglichkeit gegeben hat, regelmäßig aufzulegen." In Leipzigs legendärer Diskothek sei eine wichtige Basis seiner Karriere gelegt worden, sagt der Thüringer.
Robag Wruhmes Musik: Melancholisch und tanzbar
Robag Wruhme legt als DJ auf, komponiert aber auch selbst Musik – und die klingt, auch wenn sie tanzbar ist, feinfühlig und nachdenklich. Diese Kombination macht auch die unverwechselbare Handschrift des Robag Wruhme aus. Den Prozess des Musikmachens beschreibt der Künstler als einen nahezu tiefenpsychologischen: "Ich bin froh, dass ich das Medium Musik für mich gefunden habe. Hätte ich das nicht, dann hätte ich jetzt gesundheitliche Probleme. So verarbeite ich, was in meinem Kopf vorgeht." 2011 erscheint auf DJ Kozes Label Pampa Records Robag Wruhmes Album "Thora Vukk". Der Nachfolger "Venq Tolep" lässt bis 2019 zwar einige Jahre auf sich warten, hält aber, was ein Robag-Wruhme-Album verspricht: melodisch-träumerischen House mit Tiefgang. Im Sommer 2021 gründet der Musiker auch sein eigenes Label Tulpa Ovi, auf dem im Juli dieses Jahres die vierte EP veröffentlicht wurde.
Sein Dasein als DJ sieht der 48-Jährige ganz pragmatisch: "Ein DJ ist in erster Linie ein Dienstleister. Das Kreative findet da meiner Meinung nach gar nicht so richtig statt. Das einzige, das kreativ ist, ist die Auswahl der Musik, um damit einen Spannungsbogen zu kreieren, der sich dann eben auf der Tanzfläche widerspiegelt", sagt der Künstler. Das zeigt einmal mehr, wie sehr sich Gabor Schablitzki von anderen DJs mit Star-Allüren unterscheidet.
Welttourneen mit Thüringer Home-Base
Auch seiner Heimat Thüringen hat der Musiker nie den Rücken gekehrt, obwohl er weltweit durch Clubs und über Festivals tourt und an einem Wochenende auch mal zwischen mehreren Metropolen unterwegs ist. "Ich liebe die Energie, aber ich könnte mir nicht vorstellen, in einer so großen Stadt zu leben. Es ist immer wieder schön, nach Thüringen zurückzukommen, obwohl ich mir das Leben dadurch schwer mache." Aber die beschwerlichen Reisen mit mehreren Umstiegen, sagt der Musiker, nehme er gerne in Kauf.
Egal, ob er in vertrauten Läden wie der Leipziger Distillery oder in Clubs in New York oder Tel Aviv spielt – auch Lampenfieber hat der Musiker noch immer. Nur die Aufregung sei eine andere, sagt er. "Wenn ich in Leipzig spiele, dann weiß ich: Das wird ein sehr guter Abend, weil es meine Heimat ist." Auf der anderen Seite sei die Aufregung auch größer, weil Fans und Freunde im Publikum sind, die darauf hinfiebern, dass der Musiker abliefert. "Aber die Erwartungshaltung, die macht mich oftmals kirre", sagt Schablitzki und schmunzelt. An Orten, an denen er noch nie zuvor war, werde hingegen weniger erwartet – und somit sei auch er viel ruhiger.
Auch der Treibstoff des Musikers ist noch derselbe wie damals nach der Wende, als er sich durch all die neuen, aufregenden Schallplatten wühlte. "Ich produziere schon seit 30 Jahren Musik und kann es immer noch nicht fassen, dass die Energie, die durch diese Musik entsteht, mich immer weiter antreibt."