Seit Jahren forschen Wissenschaftler nach Möglichkeiten, das Gewicht von Flugzeugen weitreichend zu reduzieren. Im Fokus stehen dabei vor allem die Materialien. Kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (CFK) ersetzen heute bereits zunehmend schwerere Metallbauteile, aber auch neuartige Metallstrukturen sollen künftig für „Erleichterung" sorgen. Daneben haben auch Fluggesellschaften verschiedene Abspeck-Methoden ausgemacht.
Airlines und Flugzeugbauer sind schon lange bemüht, das Gewicht von Flugzeugen zu verringern, um entweder Treibstoff und CO2-Emissionen einsparen oder aber mehr Passagiere befördern zu können. Hierbei haben die Fluggesellschaften unter anderem die Sitze als großes Einsparpotenzial entdeckt. Ein paar Kilo weniger pro Sitz haben bei 200 bis 300 Sitzen pro Flugzeug große Auswirkungen auf den Kerosinverbrauch.
Längst haben die Hersteller darauf reagiert und machen ihre neuen Sitzmodelle immer leichter - bei gleichbleibendem Komfort, versteht sich. Der Markt ist schließlich stark umkämpft. Wogen normale Flugzeugsitze vor ein paar Jahren noch deutlich über 10 Kilogramm, kommen die leichtesten Neuentwicklungen nur noch mit 4 oder 5 Kilogramm daher. Und die dadurch gewonnenen ein bis zwei Tonnen weniger Gewicht pro Flug machen sich beim Treibstoffverbrauch deutlich bemerkbar.
Bei der Suche nach weiteren Einsparmöglichkeiten hatte die Lufthansa vor etwa drei Jahren die Idee, alle losen Teile eines Langstreckenflugzeuges wie Kleiderbügel, Decken, Kissen, Trolleys oder Taschenlampen zu wiegen und sozusagen auf den Prüfstand zu stellen. Was entbehrlich war, wurde entfernt oder durch ein leichteres Pendant ersetzt. Schließlich - so die Berechnung der Airline - senkten bereits 100 Kilogramm weniger Gewicht auf jedem Flug der Lufthansa Passage die Spritkosten um jährlich 2,6 Millionen Euro.
Auch an Essen und Getränken haben Flugzeuge stets eine riesige Last zu tragen. Große Flieger haben bis zu 5 Tonnen Lebensmittel an Bord. Bei diesen selbst lässt sich in der Regel kein Gewicht einsparen, dafür können aber leichtere Bedienwagen, leichtere Verpackungen und leichteres Besteck durchaus für Entlastung sorgen.
Und nicht zuletzt stehen in Sachen Gewichtseinsparungen natürlich die Materialien für den Flugzeugbau im Fokus. Sowohl Boeing als auch Airbus haben mit leichteren Werkstoffen bereits Erfahrung. Die Boeing 787, der sogenannte Dreamliner, besteht zu mehr als 50 Prozent aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK). Dadurch soll die Maschine etwa 20 Prozent leichter als vergleichbare Flugzeuge sein und rund 20 Prozent weniger Kerosin verbrauchen. Und auch Konkurrent Airbus hat seinen A350 zu mehr als der Hälfte aus CFK gebaut.
Doch nun soll Boeing nach eigenen Angaben der große Durchbruch im Leichtbau gelungen sein. Im kalifornischen Malibu (USA) haben Forscher der HRL Laboratories, die der Flugzeugbauer gemeinsam mit dem Automobilkonzern General Motors führt, ein ultraleichtes, aber trotzdem extrem widerstandfähiges Metall entwickelt. Es klingt spektakulär: Das neuartige, gitterförmige Material mit dem Namen Microlattice soll 100-mal leichter als Styropor sein und zu 99,99 Prozent aus Luft bestehen, der Rest ist Nickel. Inspiriert wurden die Wissenschaftler bei der Entwicklung vom Aufbau menschlicher Knochen, die außen fest und innen meist hohl sind. „Der Trick ist, ein Gitter aus winzigen, hohlen und miteinander verbundenen Röhren zu produzieren, das eine 1000-mal dünnere Wandstärke aufweist als ein menschliches Haar", erläutert HRL-Wissenschaftler Dr. Tobias Schaedler.
Microlattice entsteht aus einer 3D-gedruckten Gitterstruktur aus Polymeren, die mit einer extrem dünnen Nickelschicht überzogen wird. Anschließend werden die Polymere ausgewaschen, sodass Hohlröhren aus 100 Nanometer dünnem Nickel verbleiben. Diese können schließlich kombiniert werden, um eine größere Metallmasse zu konstruieren. Eingesetzt werden könnte Microlattice beim Flugzeugbau sowohl in der Inneneinrichtung als auch im Rumpf, weitere denkbare Anwendungsmöglichkeiten betreffen die Raumfahrt und den Automobilbau.
Für Professor Dr.-Ing. Peter Middendorf, Leiter des Instituts für Flugzeugbau an der Universität Stuttgart, ist die Boeing-Meldung keine Sensation: „Gitterstrukturen gibt es in der Forschung schon länger, das ist nichts ganz Neues." Ob sich Microlattice tatsächlich als wichtiger Flugzeugwerkstoff durchsetzt, muss sowieso erst noch bewiesen werden. „Bis neuartige Materialien zur Anwendung gelangen, dauert es ja in der Regel eine Weile." Nach Ansicht Middendorfs werde der Flugzeugbau der Zukunft von einem Materialmix mit Anteilen an CFK-Werkstoffen geprägt sein. „3D-gedruckte metallische Legierungen, hochwertige Aluminium- und Titanlegierungen oder Werkstoffe auf Basis der Nanotechnologie können ebenfalls Teile dieser Werkstoffkombinationen sein. Noch ein bisschen weiter in der Zukunft werden voraussichtlich auch mittragende Verglasungen, sogenannte Transparent Stressed Structures, als Bauteile für Flugzeuge verwendet. Zudem sind Sandwichstrukturen auf dem Vormarsch, da sie weniger Versteifungsmaterialien benötigen."
Neben diesem sogenannten Werkstoffleichtbau sind laut Professor Middendorf der Gestalt- und der Funktionsleichtbau weitere wichtige Leichtbau-Disziplinen. „Beim Gestaltleichtbau machen wir uns Gedanken darüber, was an der Bauweise des Flugzeuges, zum Beispiel an der Rumpfbauweise, verändert werden kann." Die äußere Hülle werde aerodynamisch vorgegeben, aber die Struktur im Innern könne so angepasst werden, dass sie aufgrund einer optimalen Formgebung und Kraftverteilung das geringstmögliche Gewicht aufweist. „Und beim Funktionsleichtbau geht es darum, wie man in die bestehende Struktur weitere Funktionen integrieren kann. Ein bekanntes Beispiel ist etwa der Integraltank in der Flügelstruktur", erklärt der Institutsleiter.
Gewicht einsparen lässt sich aber auch auf herkömmliche Art - beim Körpergewicht -, wie die indische Fluggesellschaft Go Air beweist. Sie stellt inzwischen nur noch schlanke weibliche Flugbegleiter ein, da diese im Durchschnitt zwischen 15 und 20 Kilogramm leichter seien als ihre männlichen Kollegen. Damit spart die Airline angeblich bis zu 384.000 Euro pro Jahr an Kerosinkosten. Auch die Piloten werden in Zukunft wohl weniger Gewicht mit sich herumschleppen. Allerdings ist damit nicht deren Körpergewicht gemeint, sondern die schweren Handbücher, Flug- und Landekarten im Pilotenkoffer. Lassen sich diese Daten digital abrufen, können mehr als 50 Kilogramm eingespart werden. Ähnliche Einsparmöglichkeiten betreffen den Lesestoff an Bord. Passagiere werden künftig wohl bei manchen Fluglinien auf gedruckte Magazine und Zeitungen verzichten müssen, können die Informationen dafür dann aber bequem am Bildschirm abrufen.