Eine Massenunterkunft in Bayern. Für die Politik ist sie ein Erfolgsmodell, für Boluwatife, 15, und seine Geschwister hat sie ihr Leben zerstört.
Kindern gehört die Welt, heißt es. Die Welt von Boluwatife besteht aus zwei Zimmern. Der 15-Jährige teilt sie sich mit seinen Eltern und seinen vier Geschwistern. Bis vor Kurzem hatten sie sogar nur einen Raum. Boluwatife zeigt den Ort, an dem er mit seiner Familie lebt, auf dem Smartphone seiner Eltern, scrollt mit dem Daumen durch ein digitales Fotoalbum: "Hier wachen wir morgens auf, dann essen wir, hängen rum und schlafen. Eigentlich tun wir nichts. Außer warten, seit zwölf Monaten."
Die Aufnahmen zeigen einen Raum mit tiefer Decke. Ein brauner Pappkarton, Trolleys und ein Gitterbett reihen sich an der Wand aneinander, darauf verteilt liegen Klamotten, Tüten, Tücher. Gegenüber stehen Stockbetten mit handbreiten Schaumstoffmatten als Matratze. Hier schlafen seine Mutter, die beiden Schwestern und die beiden Brüder. Boluwatifes Vater und er wohnen im Zimmer nebenan.
Die Räume, in denen Boluwatife und seine Familie leben, sind für Besucher tabu. Familie K. lebt in einem eingezäunten Containerdorf am Rand eines Industriegebiets von Ingolstadt. Betreten dürfen die Unterkunft nur Personen, die eine Erlaubnis des zuständigen Regierungsbezirks haben. Journalisten dürfen nur zu offiziellen Presseterminen rein. Wenn man sich mit den K.s unterhalten will, muss man sich deshalb draußen treffen. Es ist allerdings nicht einfach, einen passenden Ort zu finden. Es gibt keine Bänke und das nächste Café ist 25 Gehminuten entfernt.
Boluwatife sitzt auf einem Gasrohr, während er mit dem Smartphone das Tor zu seiner Welt öffnet. Vor ihm stehen haushohe Bäume, hinter ihm liegen Bahngleise und eine Ackerfläche. Seine Schwestern, zehn und sechs Jahre alt, turnen auf der Gasleitung herum. Der zweijährige Bruder greift nach Beeren an einem vertrockneten Strauch. Die Mutter, 39, hockt im Gras. Ein Baby, erst vor vier Monaten zur Welt gekommen, hängt in ein Handtuch geschlungen auf ihrem Rücken.
Die meiste Zeit verbringe die Familie in den zwei Räumen ihres Containers, sagt Boluwatife. Eigentlich soll man die K.s nicht kennenlernen. Die Familie aus Nigeria soll sich nicht integrieren. Das ist im "Masterplan Migration" von Bundesinnenminister Horst Seehofer nicht vorgesehen.
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