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Chronique

Auf ein Wort: Feiern

Wann feiern wir? Am Feierabend? An Feiertagen? In den Ferien? Bei festlichen Anlässen? Auf Feten und Festivals? Wenn wir Fez machen? Wenn wir uns als Fans versammeln und umherziehen? Wenn wir uns möglichst fanatisch geben oder gar aus Fanatismus anderen nach dem Leben trachten? Dem Sinn der Worte nach sind Menschen zu jeder der genannten Zeiten feierlich gestimmt. Demnach scheint man auf extrem verschiedene Weisen feiern zu können.

Die übrigen Zeiten sind jedenfalls mit Profanem ausgefüllt, das heißt mit Dingen und Aktivitäten im Vorfeld dessen, was die alten Römer "fanum" nannten. Sie meinten damit die Stätte eines "fas". Wer hier an Faselei oder Gefasel denkt, liegt gar nicht so verkehrt, wenngleich sich eine wortgeschichtliche Verwandtschaft des deutschen Verbs "faseln" mit dem lateinischen Substantiv "fas" nicht nachweisen lässt. Eine Sinnverwandtschaft besteht allemal; denn unter einem "fas" war anfangs ein Spruch zu verstehen, der mehr und mehr den Charakter des Spruchs einer Gottheit annahm. Der Spruch einer Gottheit pflegt für derart maßgebend gehalten zu werden, dass man sich von ihm beseelen, begeistern, enthusiasmieren lässt. Das griechische Wort "enthousiasmós" bedeutet Gottesbegeisterung, freier übersetzt: Durchdrungenheit von Heiligem.

Wo und wenn wir feiern, sind wir ganz bei dem, was uns heilig ist. Jeder Tag, an dem sich mein Geburtstag jährt, ist mir immerhin heilig genug, um ihn als Urlaubstag zu begehen, sofern er nicht ohnedies auf einen arbeitsfreien Tag fällt. Mein Arbeitsplatz ist mir dafür als Ort und meine Angestelltentätigkeit als Handlung zu profan. Eine feierlichere Stimmung als an ganz gewöhnlichen Feierabenden ist mir persönlich bei dieser Gelegenheit kein großes Bedürfnis. Die Muße tut's.

Damit liegt mein Geburtstagsbrauch wohl ganz an einem Ende der Feier-Skala, an deren anderem sich der "Heilige Krieg" fanatisierter Volksmassen befinden dürfte. Irgendwo dazwischen besuchen Gläubige Gottesdienste, gehen junge Leute in Discos zum Abtanzen, sorgen Schlachtenbummler in Sportarenen für eindrucksvolle Geräuschkulissen, nehmen Vergnügungsreisende dieses oder jenes touristische Arrangement wahr, engagieren sich unermüdliche Aktive ehrenamtlich, kurz: leben allzu gewöhnliche Sorgen Fliehende ihre mannigfaltig geartete Feierlaune aus.

Im Ganzen scheint die Frage unentschieden zu sein, ob das Feiern so etwas wie ein notwendiges Anhängsel ist, wodurch die Zumutungen eines aufgezwungenen und daher falschen Lebens leichter zu ertragen sind, oder ob das Feiern die eigentliche Bestimmung des Menschen ist, von der er sich am besten durch nichts ablenken und zumal durch keine Zwangsjacke abhalten lässt. Müsste nicht jede profane Situation und Kommunikation von vornherein gemieden werden, die das Feiern zu unterbrechen droht? Ebenso wie jedes vorgebliche Feiern, das in einem "heiligen" Namen bloß eine verbrämte oder faselnd legitimierte Nötigung darstellt?


HINWEISE

Friedrich Hölderlin: Wie wenn am Feiertage ...

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Josef Pieper: Muße und Kult

Theodor W. Adorno: Es gibt kein richtiges Leben im falschen

Johann Gottlieb Fichte: Die Bestimmung des Menschen