Alle Jahre wieder werden wir zu einem Land voller Botaniker und Historiker – und das von uns selbst weitestgehend unbemerkt. Denn dass in den so leicht dahingesungenen Zeilen vom Tannenbaum, dessen grüne Blätter wir preisen und Ganzjahresgrünheit loben, schon jede Menge geschichtsträchtiges Wissen um die Herkunft der Tradition vom Weihnachtsbaum steckt, ist wohl den wenigsten Sängern bewusst.
Die Geschichte beginnt mit einem winzigkleinen Samen, nicht größer als ein Sesamkorn. Hieraus erwächst, was später nicht nur die Deutschen, sondern längst Menschen auf aller Welt in weihnachtliche Stimmung versetzt. Acht bis zwölf Jahre benötigt beispielsweise eine Nordmanntanne, um zu dem prächtigen Baum zu gedeihen, unter den wir Geschenke, Krippenspiele und gelegentlich uns selbst zum Festtag legen. Seinen Ursprung hat das Brauchtum wie so vieles vermeintlich christlich Etablierte in Heidentum und Antike: Ein immergrüner Baum, der nicht wie die Laubbäume der Welt im Winter seine Blätter abwirft, sondern auch in den trüben Wintertagen für Frische und Farbe sorgt, das zeugt den Menschen aller Kulturen seit Urzeiten als Symbol für Lebenskraft, und so holten sich bereits die alten Ägypter, Hebräer und auch Chinesen die Gesundheit ins Haus, indem sie dieses mit immergrünen Pflanzen, Kränzen und Girlanden schmückten. Zudem sollte der ins nordische Haus gehängte Tannenzweig bösen Geistern das Eindringen und Einnisten erschweren sowie Hoffnung auf die Wiederkehr des Frühlings geben – wichtig für eine Kultur, deren Existenz auf Gedeih und Verderb vom Rhythmus der Jahreszeiten abhängt. Nadelhölzer oder Koniferen, also „Zapfenträger“, eint bis auf wenige laubwerfende Ausnahmen die Fähigkeit, die Blattporen bei trockener oder kalter Witterung zu schließen, anstatt die Blätter loszuwerden, um so den Baum vor Erfrierung oder Austrocknung zu schützen.
Schon im Mittelalter war es üblich, zu bestimmten Festtagen ganze Bäume zu schmücken. Noch heute findet man diese Tradition beispielsweise im Maibaum wieder. Außerdem interessant: Weil bis zur Lithurgiereform durch das Zweite Vatikanische Konzil Anfang der 1960er Jahre der 24. Dezember Gedenktag an Adam und Eva war, behängte man im Brauchtum einen Paradiesbaum mit Äpfeln als Zeichen für den Sündenfall und die Befreiung des Menschen durch die Erbsünde durch Jesus Christus. Noch heute schmückt der Apfel den Weihnachtsbaum – ganz schnörkellos erkennbar oder als rotglänzende Christbaumkugel. All diese parallelen Traditionen und Entwicklungen führen schließlich ins 16. Jahrhundert und das evangelische Straßburg, in dessen Münster die Verwendung des ersten Christbaumes 1539 urkundlich belegt ist. Über literarische Erwähnungen wie von Goethe oder E. T. A. Hoffmanns „Nussknacker“ findet der Weihnachtsbaum langsam aber sicher in die Haushalte erst der Reichen, dann der Protestanten und schließlich die der Bürger Deutschlands und Österreichs – um von hier aus in einer Art frühzeitlichen Globalisierungsfeldzug sich über aller Herren Länder zu verstreuen: Ausgewanderte Deutsche bringen ihre Bräuche mit, Königinnengatten führen den Baum nach England ein, Matrosen verschleppen ihn nach Nordamerika, und die teils überschwängliche Abholzung von Nadelbäumen sorgt damals wie heute schon für nicht allzugroße Begeisterung. Jedoch: Der Weihnachtsbaum ist unaufhaltsam, und 1982 beugt sich selbst der katholischste aller Ort dem protestantisch-heidnischen Brauchtum und hisst auf dem Petersplatz die weihnachtliche Flagge.
Neben dem sündigen Apfel gehören zum Baumschmuck neben politisch bedingten Geschmacklosigkeiten wie kleinen Panzern und Soldaten im ersten bis zu Hakenkreuzen im zweiten Weltkrieg ab dem späten 19. Jahrhundert das berühmte Lametta, dem Opa Hoppenstedt mit seinem ebenfalls berühmtem Satz „Früher war mehr Lametta!“ gewissermaßen den Tod vorausgesagt hat, stellte doch vor wenigen Jahren erst die letzte deutsche Lametta-Fabrik im mittelfränkischen Roth ihre Produktion ein und beendete damit eine lange Ära. Dafür findet sich vermehrt eine andere Angewohnheit wieder, die meist mehr als Kuriosum goutiert als ernsthaft hinterfragt wird, und so hängen auch in deutschen Wohnzimmern mittlerweile Essiggurken an der Tanne: Wer in den USA den grün getarnten „Christmas Pickle“ als erstes entdeckt, dem steht ein Extrageschenk zu. Ob diese Tradition tatsächlich in den USA erfunden oder mitsamt der Bäume aus Deutschland dorthin exportiert worden ist, ist unklar.
„Am schönsten ist die Nordmanntanne“
Kiefern, Fichten, Blautannen – Werner Herrmann kennt sich aus. Für den oberfränkischen Christbaumbetrieb Vogler aus Kunreuth nördlich von Kulmbach verkauft der 57-Jährige am Nürnberger Stadtpark den obligatorischen, duftend-grünen Weihnachtsschmuck. Zwei hat er selbst schon daheim – und jede Menge Tipps für den richtigen Kauf.
Was haben Sie hier?
Im Moment hab ich nur Tannen hier. Es kommen noch Blaufichten, aber Fichten
werde ich gar nicht kriegen – die verkaufen sich schlecht hier.
Wie unterscheiden sich
denn die verschiedenen Bäume?
Tannenbäume streuen weich und sind richtig gut anzufassen, die Blaufichte ist
richtig stachelig und die Fichte ist auch nicht so, da sind die Nadeln kürzer
und etwas härter als bei den Tannenbäumen, und auch stachelig, aber nicht so
sehr.
Geht es dann beim Kauf
darum, dass Kinder oder Haustiere sich nicht so leicht stechen, oder warum
sollte man darauf achten?
Ach ich denke, das ist Geschmackssache. An was stacheliges geht doch ein Kind
eh nicht ran.
Aber die Bäume sehen
ja auch anders aus.
Die Farbvariationen sind verschieden. Die hier haben nicht dieses dunkle Grün,
sondern ist eher blau, deswegen nennt sich das Blaufichte. Es gibt auch
Silberfichten. Die Blaufichten haben einen besseren Geruch, die riecht man
richtig, so ein schöner harziger Geruch. Fichten und Tannen riechen zwar auch,
aber nicht so intensiv. Und die Kiefer ist breitbuschiger und hat ganz lange
Nadeln. Das sind die drei Hauptarten, die wir auch verkaufen.
Welche werden am
öftesten gekauft?
Die Nordmanntanne, weil sie am weichsten ist – und einfach der schönste
Weihnachtsbaum, finde ich. Aber natürlich sind die Geschmäcker verschieden.
Welche Sorte nadelt
denn schneller?
Eigentlich keine. Die gehören in einen Ständer mit Wasser hinein, und dann
nadeln die auch nicht so schnell. Oder Sie haben einen gekauft, der schon
länger geschlagen ist und aus dem Ausland kommt. Zum Beispiel aus Dänemark. Die
werden nämlich geschlagen, eingefroren und dann in Kühlhäuser geliefert. Die
sind auch meistens gespritzt, das empfehle ich nicht. Unsere Bäume auf der eigenen
Plantage im Frankenwald sind unbehandelt, also nicht mit Pestiziden bespritzt.
Wäre das schädlich zu
Hause?
Ja, das kann ausdampfen, in der Wohnung, im Warmen, deswegen machen wir das
nicht.
Woran erkenne ich, ob
der Baum behandelt oder unbehandelt ist?
Das können Sie eigentlich nicht erkennen. Sie müssen die Baumhändler fragen und
sich dann darauf verlassen, dass Sie die Wahrheit gesagt bekommen. Riechen tut
man das nicht.
Worauf muss ich denn
noch achten beim Kauf?
Dass der Baum unten frisch abgeschnitten wird – oder, falls man ihn zeitig
kaufen und daheim lagern will, später zu Hause frisch eine Scheibe vom Stamm
abschneiden, damit der Baum wieder richtig Wasser ziehen kann.
Und wenn ich den Baum
jetzt schon Kaufe und nicht erst auf den letzten Drücker, wie muss ich ihn
aufbewahren?
Am besten im Freien, nicht in der warmen Wohnung, damit er frisch steht. Das
ist das A und O. Dann hält er locker bis Heilig Drei König.
Was darf so ein Baum
denn kosten?
Der Meter kostet bei uns bei der Tanne 20 Euro, bei der Blaufichte und
Kiefer 10, bei der normalen Fichte 6 Euro. Das sind normale Preise. Es gibt
aber auch Händler, die verkaufen beispielsweise alle Bäume für 12,50 Euro – da
bezahlen die kleinen dann die großen mit. Billiger werden sie dann am letzten
Tag, damit sie weggehen. Der Preis sagt über die Qualität des Baumes nichts
aus. Manchmal geht man aber mit dem Preis runter, beispielsweise wenn der Baum
etwas einseitig gewachsen ist. Dann frag ich: Kommt der in eine Ecke? Und dann
spielt das keine Rolle. In so einem Fall geb ich dann einen 1,50 Meter großen
Baum auch für 20 Euro her. Und wir rechnen auch nicht bis zur Spitze, weil die
so unterschiedlich lang sein kann.