Ist ihre Gemeinde im Dschungel Perus durch Rohstoffförderung aktuell gefährdet?
Momentan glücklicherweise nicht, weil wir durch Protest einige Projekte stoppen konnten. Es gab Ambitionen mit der Firma Odebrecht aus Brasilien, Wasserstaudämme zur Energiegewinnung zu bauen, doch wir haben so lange protestiert, bis das Projekt schlussendlich im Jahr 2014 fallen gelassen wurde. Bis heute hat sich kein anderes Unternehmen an das Projekt getraut, theoretisch wäre das aber durchaus denkbar. Wir haben Glück, dass wir internationale Aufmerksamkeit für unseren Protest und die renommierte Auszeichnung Goldman Environmental Preis erhalten haben. Denn das führt wahrscheinlich dazu, dass es sich Unternehmen sehr gut überlegen, in unserer Region aktiv zu werden. Allerdings gibt es viele andere Bedrohungen für meine Gemeinde, die uns zu schaffen machen.
Zur Person
In der Selva Central (zentraler Dschungel) ist die Gemeinde der Asháninka besonders durch Überfälle von Personen gefährdet, die Kokapflanzen anbauen. Manchmal helfen diese Leute Menschenhändlern, die in der Region sehr aktiv sind. Aber auch Menschen, die illegalerweise mit Holz handeln, bedrohen uns. Die Genossen und Anführer unserer Gemeinde werden erpresst und bedroht. Ich selbst wurde auch mehrere Male erpresst.
Was tut der peruanische Staat, um das indigene Volk der Asháninka zu schützen?
Viel zu wenig. Und das prangern wir an. Unsere Regierung sollte sich endlich für unsere Sicherheit einsetzen. Wir hoffen, dass wir durch die Aufmerksamkeit der deutschen Zivilgesellschaft Rückhalt für unsere Forderungen gegenüber unserer Regierung bekommen.
Inwiefern waren Mitglieder ihrer Gemeinde persönlich durch Bedrohungen betroffen und gab es auch schon Verletzte?
Ein Genosse, der die illegale Abholzung in unseren Wäldern vehement anklagte, auch gegenüber unserer Regierung, wurde im Jahr 2014 ermordet. Zudem wurden in diesem Jahr vier Indigene von Menschenhändlern ermordet. Deswegen haben wir in unserer Gemeinde große Angst vor Angriffen, zumal unsere Region vom Staat als »unsicher« deklariert wurde.
Wie wirkt sich die Einstufung ihrer Region als »unsicher« auf ihr Leben aus?
Auf der Grundlage dieser Kategorie entsendet die Regierung Militär in unsere Region. Allerdings fühlen wir uns durch die Militärs nicht geschützt. Wir halten ihre Eingriffe nicht für effektiv. Denn trotz der anwesenden Militärs kommen Menschen ums Leben. Wir wissen schlussendlich nicht, ob die Menschenhändler oder die Militärs selbst dafür verantwortlich sind. Außerdem sehen wir nicht, dass irgendetwas getan würde, um den Menschenhandel einzuschränken.
Was heißt das für das tagtägliche Leben in ihrer Gemeinde?
Wir sehen sehr oft Hubschrauber, mit welchen Menschenhändler über unsere Häuser hinweg fliegen. Oftmals hören wir diese schon um sechs Uhr morgens, dazu kommen Hubschrauber des Militärs. Hierdurch gibt es ein allgemeines Gefühl von Unsicherheit in den Gemeinden. Viele Menschen trauen sich nicht mehr, der Jagd nachzugehen, besonders in den jungen Generationen ist das ein Problem. Des Weiteren machen die Militärs in unserem Territorium Kontrollen. Allerdings machen sie das, ohne mit uns zu kooperieren. Wir haben unsere eigenen Wachen, Gemeindemitglieder, die Patrouille laufen.
Gab es negative Zusammenstöße mit dem Militär?
Ja, im Juli dieses Jahres kontrollierten Militäreinheiten ein Gebiet, in welchem gerade zehn Asháninka-Mitglieder patrouillierten. Die Militärs hielten sie irrtümlicherweise für Menschen, die illegalerweise mit Holz handelten und folgten ihnen. Die Wachen erklärten, dass sie zu unserer Gemeinde gehörten, doch das Militär hielt sie fest. Die Militärs konfrontierten sie mit Vorwürfen und ließen sie fast 48 Stunden nicht gehen. Zwei von den Asháninkas wurden mitgenommen und mit Fotos konfrontiert, gefragt, ob sie die abgebildeten Personen kennen würden. Sie wurden noch länger festgehalten, konnten jedoch fliehen und kamen in die Gemeinschaft zurück.
Gibt es häufiger solche Vorfälle?
Ja, auch in eine andere Gemeinde kamen Militärs, ohne sich vorher anzukündigen, und durchsuchten die Häuser. Sie warfen den Bewohnern vor, Waffen zu besitzen und durchsuchten jedes Haus. Die Kinder haben seither Angst, dass die Militärs zu jedem Zeitpunkt kommen könnten, und ihre Eltern festhalten. Sie fürchten sich besonders, weil sie meist noch nicht so gut Spanisch sprechen und gar nicht verstehen, was vor sich geht.
Was haben Sie nach den negativen Erfahrungen mit dem Militär gemacht?
Wir haben versucht, mit dem zuständigen Einsatzleiter und dem Befehlshaber zu sprechen und erklärt, dass es nicht mehr zu solchen Vorfällen kommen darf. Es gab sehr viele Spannungen. Das Ergebnis war leider, dass wir uns nicht gehört fühlten und nicht in das Militär vertrauen.
Inwieweit schränkt die Militärpräsenz das alltägliche Leben in der Gemeinde ein?
Aufgrund der Präsenz des Militärs können wir nicht mehr in alle Gebiete unseres Territoriums. In einer Gemeinde kam es vor, dass die Gemeindemitglieder von Militärs nicht zu ihren Anbauflächen gelassen wurden. Tatsächlich agieren in dieser Region illegale Holzhändler. Doch anstelle gezielt gegen diese vorzugehen, lässt man sie gewähren und verweigert den Gemeinden Zutritt zu ihren Flächen. Wir erleben, dass das Militär an unbekannte Personen Erlaubnisse erteilt, in unsere Regionen vorzudringen, ohne zu fragen, was diese Personen dort wollen. Wir werden also überhaupt nicht geschützt.
Was werfen Sie dem Militär vor?
Zunächst einmal, dass wir nicht transparent über die Einsätze informiert werden. Wir vermuten, dass das Militär mit Menschenhändlern kooperiert. Wir fühlen uns durch das Militär genauso bedroht wie durch die Menschenhändler. Zudem denken wir, dass das Militär viel zu schnell und leichtsinnig Erlaubnisse erteilt, den Dschungel zu betreten. Wir haben erlebt, wie Kokain-Händler Zutrittsbefugnisse bekommen, während wir schikaniert werden.
Was sagen Militärvertreter zu diesen Vorwürfen?
Sie schmettern sie einfach ab und behaupten, nicht gewusst zu haben, dass diese Personen gefährlich sind.
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