Über zu wenig Regen beklagen sich hierzulande allenfalls Landwirte. Tatsächlich leidet Deutschland mit durchschnittlich über 700 Millimetern Niederschlag pro Jahr keinen Wassermangel. Dennoch wird die künstliche Bewässerung für die Landwirtschaft immer wichtiger. In Niedersachsen, wo die Hälfte der deutschen Kartoffeln wächst, werden heute bereits zwölf Prozent aller Äcker beregnet. Nur so könnten Bauern wirtschaftlich überleben, meint Ekkehard Fricke, Beregnungsberater von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen: "Maximal 300 Millimeter Niederschlag bleibt im Boden hängen, ist also Pflanzen verfügbar. Bei reinen Sandböden sind es teilweise nur 60 Millimeter". Viel zu wenig Wasser für anspruchsvolle Kulturen, wie etwa die flach wurzelnden Kartoffeln.
Das Zentrum des Beregnungsfeldbaus in Deutschland ist Nordostniedersachsen. Im Landkreis Uelzen werden 90 Prozent aller Felder künstlich bewässert, denn dort herrschen besonders sandige Böden vor, die kaum Wasser speichern können. "Da braucht die Kartoffel schon nach einer Woche ohne Regen Zusatzwasser", sagt Fricke, der die Landwirte in Sachen Beregnung berät. Auf einem Versuchsacker bei Suderburg erforscht er den Wasserbedarf unterschiedlicher Sorten, um den Bauern Empfehlungen geben zu können: Die Wahl der richtigen Sorte und die optimale Bewässerung entscheidet über den wirtschaftlichen Erfolg.
Höherer Wasserbedarf durch KlimawandelFricke beobachtet, dass das Frühjahr immer öfter trocken ausfällt. Es komme bereits heute vermehrt zu Phasen mit bis zu sechs Wochen Trockenheit. Und dass es hier wochenlang nicht regnet, das dürfte durch den Klimawandel künftig noch häufiger vorkommen. "Die Klimamodelle zeigen eine Verschiebung der Niederschläge aus der Vegetationsperiode im Frühjahr und Sommer in den Winter", sagt Fricke. Gerade dann, wenn die Pflanzen den Regen dringend brauchen, dürfte er künftig also seltener fallen - und der Bedarf an künstlicher Beregnung steigen.
Grundwasser auf die FelderIn der Regel kommt dabei Grundwasser zum Einsatz, das die Landwirte mit Brunnen anzapfen. Über unterirdische Leitungen pumpen sie das Wasser bis zu den Feldern, wo eine Wasseruhr jeden verbrauchten Liter misst. "Der Landwirt hat ein Wasserrecht, also ein definiertes Wasserkontingent, was er nutzen darf für die Zusatzbewässerung", sagt Fricke. Im Durchschnitt beläuft es sich auf etwa 70 bis 80 Millimeter, entsprechend 700 bis 800 Kubikmeter pro Hektar und Jahr.
Maximal 20 Prozent der Grundwasserneubildung dürfen landesweit genutzt werden - als Trinkwasser, Brauchwasser oder auch für die Beregnung. In einigen Regionen mit starker Bewässerung sinken die Grundwasserstände dennoch schon heute. Bei künftig erhöhtem Wasserbedarf dürfte sich dieses Problem verschärfen. Bald könnte das verfügbare Wasser für den steigenden Bewässerungsbedarf nicht mehr reichen.
Abwasser in den WaldDie Landwirtschaftskammer erforscht daher auch, wie sich die Grundwasserneubildung steigern lässt. Gemeinsam mit dem Bewässerungsverband Uelzen hat sie ein Modellprojekt entwickelt, bei dem gereinigtes Abwasser aus einer nahe gelegenen Kläranlage in einen 37 Hektar großen Nadelwald gepumpt um es dort versickern zu lassen. Gezielter Nachschub für die Grundwasserneubildung.
Für das Projekt wurden fast 20 Kilometer Kunststoffleitungen im Wald verlegt. Alle vier Meter befindet sich eine Düse, aus der das Wasser austritt, damit es im Erdreich versickern kann. Auf dem Weg ins Grundwasser in mehr als 20 Metern Tiefe wird es dabei vom Boden gefiltert und somit gereinigt. Das Projekt wird wissenschaftlich intensiv begleitet und hat ehrgeizige Ziele.
"Wir wollen im Idealfall bis zu 370.000 Kubikmeter im Jahr hier in diesem Gebiet versickern", sagt Jörg Martens vom Bewässerungsverband Uelzen. "Zusammen mit einem zweiten Projekt werden wir dann für die beteiligten Landwirte, die an diesem Projekt teilnehmen, 20 Millimeter Beregnungswasser pro Jahr zusätzlich zur Verfügung stellen können, das ist ein erheblicher Beitrag für die Feldberegnung."
Laub- statt NadelwaldDas zweite Projekt setzt auf Versickerung von natürlichem Regenwasser im Wald. Karsten Mohr von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen erforscht, wie stark sich die Grundwasserneubildung durch gezielten Waldumbau erhöhen lässt. Bisher dominieren in Nordostniedersachsen schnell wachsende Nadelbäume, meist Kiefern.
Die ließ die Kammer im Herbst 2012 auf einem Waldstück in der östlichen Lüneburger Heide ernten und überwiegend durch junge Laubbäume ersetzen. Mit dem Modellprojekt auf einer Fläche von 12 Hektar will Mohr erforschen, wie sich die Grundwasserneubildung an diesem Standort unter Laubwald verbessert.
"Unter Laubwald ist die Grundwasserneubildung höher", sagt Mohr, "denn Nadelwald ist im Winter grün und filtert den Regen aus." Dagegen ist Laubwald im Winter kahl und damit durchlässiger. "Wir wollen wissen, inwieweit sich dadurch die Wasserspende an diesem Standort erhöht", sagt Mohr.
Der vermessene WaldDazu hat er drei Vergleichsflächen im Wald mit Messgeräten ausgestattet, mit denen er die Bodenfeuchte in verschiedenen Tiefen ermitteln kann. Bepflanzt wurden sie mit drei verschiedenen Baumarten: dem Nadelbaum Douglasie und zwei Laubbäumen - Roteiche und Hainbuche. So kann Mohr die Versickerung und damit die Grundwasserneubildung, in Abhängigkeit von der Baumart, berechnen. "Wir vergleichen die drei Varianten miteinander, um zu sehen, bei welcher Baumart wir die größte Grundwasserspende haben und auch die beste Wasserqualität", sagt Mohr.
Nadelbäume sind wirtschaftlich interessanter, da sie schneller wachsen und zudem stärker als Bauholz nachgefragt werden. Aus forstwirtschaftlicher Sicht dürften also die Douglasien besser abschneiden. Andererseits bildet sich unter Laubbäumen mehr Grundwasser neu. Wie viel mehr, das will Mohr herausfinden.
Schnelles Holz oder ausreichend Wasser für die Beregnung - das könnte künftig die Frage sein. Langfristig wird es darauf ankommen, die Waldbesitzer - oft genug selbst Landwirte - davon zu überzeugen, auf die durstigen Nadelbäume zu verzichten und stattdessen weniger ertragsstarke Laubbäume zu pflanzen. Mehr Wasser für Beregnung könnte ein starkes Argument sein.
W wie Wissen, 11.5.14Rétablir l'original