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Skandinavisches Design: Raffinierte Möbel aus dem Norden

Wie die Spinne im Netz: Alexander Lerviks Sofa „Saltu“ für Adea, ein Sitz, der mit einem hunderte Meter langen Seil in einer Stahlkonstruktion festgezurrt ist. Foto: Hersteller

Der Schwede Alexander Lervik gehört zu den besten Möbeldesignern aus dem hohen Norden. Seine Arbeiten zeigen sich skandinavisch cool - und originell.

06.05.2022  von Franziska Horn 


Dalarna ist eine Gegend im Norden Stockholms. Eine Art Schweden im Miniformat, mit endlosen Wäldern und Seen. Die Region ist berühmt für ihre „Dala-Pferde", bunt bemalte Holzpferdchen mit einer Grundierung im typischen Falunrot, jenem Farbton, der zahlreiche Häuser im hohen Norden schmückt. Ein Hort der Kreativität also. Auch Designer Alexander Lervik stammt von hier.


Lervik, Jahrgang 1972, zählt zur Oberliga schwedischer Gestalter. Nach zwei Jahren Schreinerlehre studierte er Möbel- und Produkt-Design an der bekannten Beckmans School of Design in Stockholm. In seinem Studio im In-Viertel Södermalm entwirft er Interiors, Leuchten, Möbel und Objekte für führende heimische Hersteller – stets mit einer starken konzeptionellen Idee.


Typisch für seinen Ansatz: Praktisch-ästhetische Möbel mit überraschendem Dreh. Falt-Tisch Lucy gewann 2013 den Red Dot-Design Award. Sofa „Harper“ nebst Tisch „Harper“ für Adea kommen so skandinavisch federleicht daher, dass man sie mitsamt Bank „Plinten“ sofort ins eigene Ferienhäusel verfrachten möchte. So man denn eines hat. Die drei hölzernen Modelle sind nordisch schlicht und qualitativ gut. Daneben beherrscht Lervik auch die urbane Sprache ausladender Sofalandschaften, wie seine Mailand-liken Sofas für Moroso beweisen oder die bodenständigen Modelle „Friend“, „Basel“ und „Wilhelm“ für Adea. Das ist noch nicht alles, das ist noch nicht wirklich Lervik. Denn: Der Mann hat einen klaren Draht zur Kunst. Mit den zwölf Objekten seiner Ausstellung „Imaginationsx12“ in „Sven-Harrys Konstmuseum“ testete der Gestalter 2020 die Grenzen zwischen Kunst und Design aus, angesiedelt zwischen Dada und Surrealismus, hintergründig und stets mit der Botschaft, festgefügte Vorstellungen zu hinterfragen. Ein Beispiel ist Sofa „Saltu“, ein beinah freischwebender Sitz, den er mit einem Endlos-Seil in einer schwarzen Stahlkonstruktion festzurrte wie in einem Spinnenetz. Eine originelle Gedankenspielerei – mehr Installation als Alltagsmöbel.


Oder Stuhl „Ars Sella Sculpture“, der eher Skulptur als Sessel ist, an Giacometti erinnert und einmal mehr unsere Wahrnehmung in Frage stellt. Oder die selbstkonstruierte Papierflugzeug-Maschine, die ratternd Papierflieger am laufenden Band in den Raum ballert, so dass der Besucher knietief durch Papier watet. Eine Kinderei? Nein. Lervik litt 15 Jahre lang an Flugangst. Die er nach fünfjähriger Therapie ablegen konnte und schließlich in besagte Maschine transformierte. Gelungene Traumabewältigung also. Kunst und ja, Spaß!, ist natürlich auch dabei. Lerviks Leitmotiv: Sein oder nicht De-sign – das ist hier die Frage. Ihm geht es um den Einbruch des Fragwürdigen, Spielerischen in eine genormt-banale Möbel-Rationalität, die sich in ihrer Deutung der Dinge des Alltags allzu sicher scheint.


Auch Lerviks Objekt „The Poetry of light“ von 2013 beweist Hintersinn. Hier setzte er einen Leuchtkörper unter eine blickdichte Pyramide aus Schokolade. Angeknipst, erwärmt die Glühbirne die Schöggi von innen, sie kann ja nicht anders. So schmelzen die warmen Strahlen die Hülle einfach weg, so dass Licht in den Raum dringt. Wer möchte, kann hier viel Philosophisches finden. Lervik selbst sagt: „Ich bin ein bekennender Chocoholic. Und wollte eine Lampe entwerfen, die kein Licht gibt – und dann doch vom Dunkel ins Helle übergeht“. Dann überlegt er: „Manchmal frage ich mich, ob es überhaupt einen Unterschied gibt zwischen Kunst und Design – nur dass Design halt eben eine Funktion hat“, sagt Lervik im Gespräch. Mit seinem „Terra Chair“ aus dem 3-D-Printer entwarf er einen Stuhl, den jeder selbst nachbauen kann – mitsamt Anleitung. Damit will Lervik proaktiv dem Ideenklau vorbeugen. Wer nicht selbst Basteln will, kann den Stuhl natürlich auch ordern. Ebenso wie Lerviks praktisch-sinnvolle Entwürfe für das Label Design House Stockholm: Den „Atelier Floor Hanger“, den „Atelier Wall Hanger“ oder die vollmondige „Luna Lamp“.


Zu seinen jüngsten Entwürfen zählen ein Multifunktionsmöbel namens „Kabinett“, das Tisch und Schrank in einem ist – und das Arbeiten im Home-Office gelungen löst – sowie Lampe „Luna“ für Design House Stockholm und ebenso Modelle für die Outdoor-Möbel-Collection „Arholma“ des Herstellers Skargaarden, die mit hellen Polstern auf schlanken Aluminiumrahmen minimalistisch-dynamisch wirken. Benannt nach einer Insel im nördlichen Stockholmer Schärengarten, passen die Sessel und Lounges der „Arholma“-Kollektion ebensogut in nordische Gefilde wie auf Stuttgarter Dachterrassen – oder auf grüne Gartenwiesen im Schwarzwald.

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