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Faszination und Kinderschreck - Ausstellung über «Struwwelpeter»

Eine neue Ausstellung in der Ludwiggalerie Oberhausen widmet sich dem Struwwelpeter. In Literatur, Bildkunst und Film ist die 175 Jahre alte Figur präsent wie eh und je. Das Museum zeigt berühmte, außergewöhnliche und kuriose Adaptionen.

Oberhausen (epd). Eine wilde Lockenpracht, lange Fingernägel, rote Kleidung - so kennen viele die berühmte Kinderbuchfigur «Struwwelpeter». Vor 175 Jahren erfand der Arzt Heinrich Hoffmann die Geschichte von einem Jungen, der sich weder seine Haare kämmen noch seine Nägel schneiden lässt. Immer wieder taucht die Figur seitdem in den Werken anderer Künstler auf. Dem Struwwelpeter und seinem kulturellen Einfluss widmet die Oberhausener Ludwiggalerie ab Montag eine Ausstellung. Unter dem Titel «Der Struwwelpeter - Zappel-Philipp, Paulinchen und Hans Guck-in-die-Luft - Zwischen Faszination und Kinderschreck von Hoffmann bis Böhmermann» sind bis zum 12. Januar unter anderem mehr als 200 Bilder und fast 150 Bücher zu sehen.

Ein Teil der Ausstellung thematisiert die Biografie des Struwwelpeter-Autors. Hoffmann soll die Geschichte geschrieben haben, nachdem er für seinen dreijährigen Sohn kein passendes Kinderbuch fand. «Ihm waren die Bücher, die auf dem Markt waren, zu langweilig», erklärt Kuratorin Linda Schmitz. Die Schau zeigt ein Faksimile der Urfassung und illustriert, wie sich die Figur entwickelt hat - bis hin zu ihrer charakteristischen Gestalt, die heute weltweit bekannt ist.

Ein Raum in der Ludwiggalerie stellt ein typisch biedermeierliches Wohnzimmer dar. «Genauso wie dieses Wohnzimmer sahen auch die Kinderbücher aus», erklärt Schmitz. «Kinder sollten artig und brav sein.» Hoffmanns Erzählungen vom Struwwelpeter sind ein Gegenentwurf: «Er gibt den unartigen Kindern ein Gesicht», sagt Schmitz. Auch der Schrecken ist dabei fester Bestandteil der Geschichten: Konrad wird ein Daumen abgeschnitten, Pauline verbrennt, der Suppenkaspar verhungert.

In 175 Jahren hat der Struwwelpeter zahlreiche Künstler inspiriert. Die sogenannten «Struwwelpetriaden» sind Werke, die die Figur abwandeln, nachahmen oder karikieren. Die Ausstellung zeigt verschiedene Adaptionen unter anderem von den Comiczeichnern David Füleki und Atak, Karikaturist Karl Schrader und Grafiker Manfred Bofinger. Mal dichten die Künstler die Handlung weiter, zeichnen charakteristische Momente, mal adaptieren sie die Geschichten als Comic oder vermischen die Figuren mit Elementen aus Star Wars.

«Heute gibt es eine Struwwelpetriade für jeden», sagt Kuratorin Schmitz. Mit der Ausstellung zum Struwwelpeter fülle die Galerie eine Lücke, sagt Museumsdirektorin Christine Vogt. «Mit Reihen zu Comics haben wir die Klassiker abgehandelt. Der Struwwelpeter fehlte da noch.»

Der Struwwelpeter ist längst mehr als nur eine Kindergeschichte - er ist auch politisch. Die Geschichte von den schwarzen Buben sei eine der ersten Geschichten mit einem klaren Statement gegen Rassismus, erklärten die Ausstellungsmacher. Darin werden drei Kinder bestraft, die sich wegen der Hautfarbe über ein anderes Kind lustig machen. Die Idee wurde von Luise Bofinger adaptiert und in eine Geschichte über realen Rassismus verwandelt. Auch die von dem Satiriker und Moderator Jan Böhmermann filmisch adaptierte Version «Dr. Böhmermanns Struwwelpeter» wird in Oberhausen gezeigt. Die Ausstellung präsentiert auch kuriose Produkte: ein Struwwelpeter-Shampoo, eine Haarschneide-Maschine, ein Porzellan-Service.

Viele Exponate stammen aus der Sammlung der Hauptleihgeber Nadine und Walter Sauer. Das Ehepaar sammelt seit mehr als 35 Jahren Struwwelpeter-Objekte - mehr als 2.000 sind es inzwischen. In seiner Studienzeit kaufte Walter Sauer ein Exemplar des Struwwelpeter-Buchs.

«Als unsere Kinder dann in das Struwwelpeter-Alter kamen, haben wir die Geschichten wiederentdeckt», sagt er. «Dann entwickelte sich ein Schneeball-Effekt.» Heute besitzt das Ehepaar einen Verlag, Edition Tintenfass, und hat mehr als 30 fremdsprachige Ausgaben des Struwwelpeters veröffentlicht.

Quelle: epd